Kolonialobjekte des Alpenbogens

publiziert: Montag, 12. Mrz 2012 / 13:21 Uhr
Berge erhalten - Bergler sind wurst.
Berge erhalten - Bergler sind wurst.

Die Zweitwohnungsinitiative ist angenommen und die Bergler sind stinksauer. Kein Wunder, denn es wird offensichtlich, dass wir Unterländer die Alpen und ihre Bewohner als eine Art Kolonie betrachten, die es vor ihren eigenen Bewohnern zu beschützen gilt.

5 Meldungen im Zusammenhang
Berge sind zweierlei: Für uns Unterländer sind sie Symbol für die «echte» Schweiz, Erholungsgebiet, Freizeitarena, ein erhebender Anblick der durch nichts beeinträchtigt werden sollte und Verkehrshindernis. Für die Bewohner der Alpen sind sie ihre Heimat, in der es gilt, ein Auskommen zu finden, ein geographisch problematisches Gebiet, dass, nur um es bewohnbar zu halten, ständiger, grosser Anstrengungen bedarf und ein Kapital, dass zum Teil verwendet werden muss, um ein Auskommen zu finden.

Dass dies gelingt, ist schon ziemlich erstaunlich, denn die Nachteile des Gebirges sind frappant: Weder Industrie noch Grossgewerbe werden sich hier ansiedeln, Landwirtschaft benötigt hohe Subventionen, egal, wie sehr sich ein Bauer auch abmühen mag. Gegen die geographisch bevorzugten Unterländer hat man keinen Stich, was die normale Wirtschaft angeht. Bleiben noch der Tourismus, der Tourismus, die Wasserkraft und der Tourismus.

Genau dort, wo man in den Bergen die einzige Chance hat, reden die Unterländer aber auch rein - wie jetzt wieder, als die Bergler mit der Zweitwohnungsinitiative beglückt wurden. Sicher, es ist tatsächlich nicht schön, was da zum Teil hingestellt wird. Ebensowenig, dass diese Wohnungen meist «kalt» sind und nur gelegentlich an einem Wochenende oder 3, 4 Ferienwochen bewohnt werden.

Und der Anblick erinnert zum Teil frappant an das Mittelland, den Agglobrei, der sich von Winterthur bis ins Seeland erstreckt. Doch das ist genau der Punkt. Denn nicht nur die Alpen sind landschaftlich wunderbar - auch das Mittelland wäre eigentlich schön genug, um in anderen Ländern als Tourismusregion zu reüssieren. Nur haben wir Unterländer das schon alles rücksichtslos zugepflastert und wir pflastern weiter. Die Einfamilienhauspest hat ganze Landstriche praktisch zerstört und aus lieblichen Tälern Aggloableger gemacht. Doch es würde niemandem Einfallen, dagegen ernsthaft zu kämpfen, denn es ist eh klar, dass eine solche Initiative chancenlos wäre: Wo kämen wir denn hin, wenn wir uns selbst verböten, so zu leben und zu siedeln wie wir wollten - ausserdem sind Zonenpläne und Raumplanungsgesetze völlig ausreichend, oder? Zudem wäre so etwas ruinös für die Wirtschaft und desaströs für die Arbeitsplätze.

Was bei den Berglern nicht der Fall ist. Denn die sind ja offenbar nicht zurechnungsfähig und diesen muss ganz klar gezeigt werden, wie sie mit unseren Bergen umzugehen haben. Denn die Berge gehören nicht den Berglern. Sondern uns. Denn wir gehen dort hin, um uns zu erholen, wenn uns der Hochnebel depressiv macht, wir fahren dort rauf, um die Landschaft zu geniessen, wenn uns die Agglopampe vor dem Fenster in die Verzweiflung treibt und wir geben dort oben unser Geld aus. Also sollen die gefälligst das machen, was wir wollen.

So halten wir es ja auch für unser gutes Recht, den Ökostrom aus den Kraftwerken zu beziehen, dann aber handkehrum einen Ausbau der Dämme zu verbieten, wodurch zwar mehr Geld in die Region kommen würde, aber ein paar Quadratmeter Berghang geflutet würden. Denn uns kommt es auf die Berge an. Die müssen erhalten bleiben. Möglichst so wie sie sind. Die Bergler sind uns eigentlich wurscht und sollen sich als Heidis und Alpöhis mit ihrer Rolle als Kolonialobjekte des Alpenbogens bescheiden. Wenn ihnen dies nicht passt, dann können sie ja ins Unterland auswandern, wie so viele vor ihnen.

Und wer könnte es ihnen verdenken. Immerhin könnten sie dann endlich darüber mitbestimmen, was mit den Alpen passiert.

(Patrik Etschmayer/news.ch)

Machen Sie auch mit! Diese news.ch - Meldung wurde von einer Leserin oder einem Leser kommentiert.
Lesen Sie hier mehr zum Thema
Bern - Die Gebirgskantone suchen die ... mehr lesen 1
Die Bergkantone wollen noch in diesem Jahr weiterbauen.
Doris Leuthard.
Bern - Bundesrätin Doris Leuthard gibt dem Druck der Bergkantone nicht nach. Ihr Departement hatte letzte Woche Leitlinien zur Umsetzung der Zweitwohnungs-Initiative publiziert. ... mehr lesen
Lohnende Investition.
Bern - Wer schon ein Chalet oder ... mehr lesen 2
Nicht ganz einverstanden
Es gab eine Zeit, da wurde jedes noch so karge Bergtal besiedelt. Heute glauben die Bergler, jedes noch so schwache Bergtal besiedelt erhalten zu müssen, leider. Wieso findet nicht eine klare Trennung statt in Intensiv-Tourismus-Baugebiete und Täler, in denen keine Menschen mehr wohnen, sondern höchstens noch als Wanderer oder allenfalls Campierer unterwegs sind? Und wieso überhaupt muss jede noch so steile Bergwiese als solche erhalten werden mit unendlichen Subventionsfranken? Unterhalb der Waldgrenze soll man doch einfach den Wald wachsen lassen - wo das von anderen Nutzern (Skipiste, Aussicht usw.) nicht gewollt ist, sollen die für die Bewirtschaftung zahlen. Endlich. Und nicht einfach alle Steuerzahler im Unterland.
.
Digitaler Strukturwandel  Nach über 16 Jahren hat sich news.ch entschlossen, den Titel in seiner jetzigen Form einzustellen. Damit endet eine Ära medialer Pionierarbeit. mehr lesen 21
«Hier hätte ich noch eine Resistenz - gern geschehen!» Schematische Darstellung, wie ein Bakerium einen Plasmidring weiter gibt.
«Hier hätte ich noch eine ...
In den USA ist bei einer Frau mit Harnwegsinfektion zum ersten mal ein Bakterium aufgetaucht, das gegen das letzte Reserve-Antibiotikum resistent ist. Wer Angst vor ISIS hat, sollte sich überlegen, ob er seinen Paranoia-Focus nicht neu einstellen will. Denn das hier ist jenseits aller im Alltag sonst verklickerten Gefahren anzusiedeln. mehr lesen 4
Durch ungeschickte Avancen von SBB- und Post-Chefs, droht die Service-Public-Initiative tatsächlich angenommen zu werden. Von bürgerlicher Seite her solle laut einem Geheimplan daher ein volksnaher Alternativvorschlag vor den Wahlen als Killer-Argument gegen die Initiative publik gemacht werden. Dass dieser noch nicht öffentlich ist, liegt mal wieder am Geld. mehr lesen  
Eine renommierte US-Kanzlei stellt einen neuen Anwalt Namens Ross ein. Die Aufgabe: Teil des Insolvenz-Teams zu sein und sich durch Millionen Seiten Unternehmensrecht kämpfen. Und ... mehr lesen  
Urversion von IBM's Supercomputer WATSON: Basis für 'ROSS'... und unsere zukünftigen Regierungen?
Sicherheitskontrolle in US-Airport: 95% Versagen, 100% nervig.
In letzter Zeit wurden aus Terrorangst zwei Flüge in den USA aufgehalten. Dies, weil Passagiere sich vor Mitreisenden wegen deren 'verdächtigen' Verhaltens bedroht fühlten. Die Bedrohungen: Differentialgleichungen und ein ... mehr lesen  
Typisch Schweiz Der Bernina Express Natürlich gibt es schnellere Bahnverbindungen in den Süden, aber wohl ...
Die Nike Air Jordan 13s kamen 1998 heraus.
Shopping Erreichen Air Jordan Sneaker 2-4 Mio. Dollar in der Versteigerung? Ein Paar Turnschuhe, das Geschichte geschrieben hat, steht zum Verkauf: Die Nike Air Jordan 13s, die Michael Jordan in seiner letzten ...
Erstaunliche Pfingstrose.
Jürg Zentner gegen den Rest der Welt.
Jürg Zentner
Frauenrechtlerin Ada Wright in London, 1910: Alles könnte anders sein, aber nichts ändert sich.
Regula Stämpfli seziert jeden Mittwoch das politische und gesell- schaftliche Geschehen.
Regula Stämpfli
«Hier hätte ich noch eine Resistenz - gern geschehen!» Schematische Darstellung, wie ein Bakerium einen Plasmidring weiter gibt.
Patrik Etschmayers exklusive Kolumne mit bissiger Note.
Patrik Etschmayers
Obama in Hanoi mit der Präsidentin der Nationalversammlung, Nguyen Thi Kim Ngan auf einer Besichtigungstour: Willkommenes Gegengewicht zu China.
Peter Achten zu aktuellen Geschehnissen in China und Ostasien.
Peter Achten
Recep Tayyp Erdogan: Liefert Anstoss, Strafgesetzbücher zu entschlacken.
Skeptischer Blick auf organisierte und nicht organisierte Mythen.
Freidenker
 
Stellenmarkt.ch
Kreditrechner
Wunschkredit in CHF
wetter.ch
Heute Mi Do
Zürich 10°C 24°C sonnigleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig sonnig recht sonnig
Basel 11°C 25°C sonnigleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig sonnig recht sonnig
St. Gallen 11°C 21°C sonnigleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig recht sonnig wolkig, aber kaum Regen
Bern 10°C 23°C sonnigleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig recht sonnig recht sonnig
Luzern 11°C 23°C recht sonnigleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wolkig, aber kaum Regen wolkig, aber kaum Regen
Genf 13°C 24°C sonnigleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wolkig, aber kaum Regen wolkig, aber kaum Regen
Lugano 14°C 24°C vereinzelte Gewitterleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig vereinzelte Gewitter vereinzelte Gewitter
mehr Wetter von über 8 Millionen Orten