Doch ein Herkunftsland von Wirtschaftsflüchtlingen?

Kontroverse um Eritrea-Reise von Schweizer Politikern

publiziert: Sonntag, 7. Feb 2016 / 13:53 Uhr / aktualisiert: Sonntag, 7. Feb 2016 / 15:13 Uhr
Buntes Treiben auf dem Marktplatz von Dekemhare, Eritrea.
Buntes Treiben auf dem Marktplatz von Dekemhare, Eritrea.

Bern - Noch vor der Rückkehr von Schweizer Politikern von ihrer Eritrea-Reise ist eine Kontroverse entbrannt. Für die Aargauer Regierungsrätin Susanne Hochuli (Grüne) ist das bisher Gehörte über dieses afrikanische Land «eine westliche Lügengeschichte».

8 Meldungen im Zusammenhang
Eritrea sei nicht Nordkorea, schreibt sie in der «SonntagsZeitung» nach einem Augenschein. Für Kritiker bleibt die Reise jedoch eine Propaganda-Offensive des diktatorischen Regimes.

Die Aargauer SP-Ständerätin Pascale Bruderer, die der Reise fern blieb, gibt in einem Interview mit der «Schweiz am Sonntag» zu bedenken, dass der Schweizer Honorarkonsul und Türöffner, Toni Locher, von der eritreischen Regierung bezahlt werde.

Im Rahmen von privaten Reisen sind seit der vergangenen Woche verschiedene Schweizer Politiker nach Eritrea gereist. Neben Hochuli sind dies die Nationalräte Thomas Aeschi (SVP/ZG), Yvonne Feri (SP/AG) und Claude Beglé (CVP/VD). Am Dienstag soll Nationalrat Christian Wasserfallen (FDP/BE) folgen. Ende der Woche wollen die Politiker in die Schweiz zurückkehren.

Einen totalitären Überwachungsstaat à la Nordkorea hat die Aargauer Regierungsrätin, die für das Asylwesen zuständig ist, erst einmal nicht gesehen, wie sie schreibt. Sie und ihre Tochter hätten sich frei und ohne Locher bewegen können. In der Hauptstadt Asmara hätten sie «per Zufall» und zu jeder Tages- und Nachtzeit Leute kennen lernen können.

Es gibt auch Grenzen

Sie habe dabei auch offene Kritik gehört, sei aber auch an Grenzen gestossen: «Schnell wird es für unsere Gegenüber unangenehm, wenn wir nach den Gefängnissen und politischer Opposition fragen». Auch Wände hätten Ohren, hätte etwa einer gesagt.

Trotzdem müsse sie sich die Schweiz auf Augenhöhe mit Eritrea einlassen. Man werde «kein pflegeleichtes Musterkind» antreffen, «sondern ein Land, dem mit seinen Kindern die Zukunft Richtung Europa davonläuft».

Bruderer lehnt ab

Angefragt für den Augenschein in Westafrika wurde auch Ständerätin Bruderer. Als sie jedoch mehr Informationen zum Setting und zum Programm erhalten habe, habe sie bewusst auf die Reise verzichtet, sagte sie.

Ihre Begründung: «Weil diese Reise in meinen Augen kaum dazu führen kann, ein unverfälschtes Bild der Situation zu erhalten.» Sie habe auch realisiert, dass zwar Treffen mit Regierungsvertretern vorgesehen gewesen seien, es aber schwierig gewesen wäre, vor Ort Leute zu treffen, «die mir offen und auch kritisch über das Regime berichten können».

Wichtigstes Herkunftsland

Eritrea ist das wichtigste Herkunftsland von Asylsuchenden in der Schweiz. 9966 Personen aus dem ostafrikanischen Land reichten 2015 ein Asylgesuch ein, 3043 mehr als 2014.

Für Schlagzeilen sorgte die Kritik an der Asylpolitik des Bundes. So forderte der Luzerner Regierungsrat Gudio Graf (CVP) Graf im August mit einem öffentlich gemachten Brief an den Bundesrat, dass das Asylsuchende aus Eritrea nicht mehr als Flüchtlinge anerkannt werden, da sie im Zeitpunkt ihrer Flucht nicht an Leib und Leben bedroht seien.

Bundesrätin Simonetta Sommaruga erklärte damals, dass es viele Berichte und unterschiedliche Informationen über das Land gebe. Aber stimmten aber darin überein, dass Eritrea eine Diktatur und ein Unrechtsstaat sei.

Amnesty kritisiert willkürliche Wehrpflicht

Amnesty International tritt der Meinung entgegen, dass die meisten Eritreer, die sich nach Europa durchschlagen, Wirtschaftsflüchtlinge seien. Laut einem im Dezember veröffentlichten Bericht der Menschenrechtsorganisation ist die ausufernde Wehrpflicht in Eritrea für viele Menschen im Land häufig der Grund für die Flucht.

(asu/sda)

Machen Sie auch mit! Diese news.ch - Meldung wurde von einer Leserin oder einem Leser kommentiert.
Lesen Sie hier mehr zum Thema
Bern - Der Ständerat stellt sich gegen die Forderung des Kantons Luzern, die ... mehr lesen
Die Anerkennungsquote von Asylgesuchen aus Eritrea war zuletzt höher gewesen als von Gesuchen aus Syrien.
Amnesty warnt vor der Missachtung der Menschenrechte.(Symbolbild)
London/Bern - Der Schutz der ... mehr lesen
Bern - Das EJPD hat die Forderungen zu Eritrea, die vier von fünf Politikerinnen und ... mehr lesen
Buntes Treiben auf dem Marktplatz von Dekemhare, Eritrea.
Susanne Hochuli kam mit vielen positiven Eindrücken nach Hause.
Zürich - Die grüne Aargauer Regierungsrätin Susanne Hochuli, die zusammen mit einer Gruppe von Politikern Eritrea besucht hat, ist am Samstag in die Schweiz zurückgekehrt. Nach der ... mehr lesen
Bern - Einem unabhängigen UNO-Bericht zufolge gibt es in Eritrea massive ... mehr lesen
Thomas Aeschi reiste durch Eritrea.
Weitere Artikel im Zusammenhang
«SonntagsBlick»: Die Zahl der Einbürgerungen in der Schweiz ist in den letzten acht Jahren gesunken. (Symbolbild)
Neben dem Syngenta-Deal und der Flüchtlings-Krise ist die Eritrea-Reise mehrerer Schweizer Politiker Thema in den Sonntagszeitungen. mehr lesen
Es...
gilt weiterhin: für die afrikanischen Staaten ist es besser, wenn die Menschen nach Europa wandern. Das bedeutet für sie Geldüberweisungen, positive Leistungsbilanz und Import von Know how. Das mag für europäische Bürger und Politiker nicht schön klingen, aber wenn man afrikanischer Politiker ist, muss man die Migration massiv fördern.
.
Digitaler Strukturwandel  Nach über 16 Jahren hat sich news.ch entschlossen, den Titel in seiner jetzigen Form einzustellen. Damit endet eine Ära medialer Pionierarbeit. mehr lesen 22
Die Versorgung mit Antibiotika hat sich etwas entspannt, aber die Vorsicht bleibt.
Die Versorgung mit Antibiotika hat sich etwas entspannt, aber die ...
Apotheke & Pharma News Die Knappheit an wichtigen Medikamenten in der Schweiz hält an. Trotz der Einführung einer Sofortmassnahme im Frühling, die vorsieht, dass Apothekerinnen und Ärzte nur noch halbe oder viertel Packungen abgeben sollen, ist die Situation nicht entspannt. Die Teilabgabe wird nur wenig genutzt, wie Zahlen des Apothekerverbands Pharmasuisse zeigen. mehr lesen  
Fotografie Vom 18. August 2023 bis 8. Oktober 2023  Eine Ausstellung im Stadtmuseum Aarau blickt auf die Arbeit der renommierten Fotojournalistin Sabine Wunderlin zurück. In den 40 Jahren ... mehr lesen  
Aus der Reportage zum «Frauenhilfsdienst», Rekrutinnen nach einer Übung in Kloten, 1983.
Die bevorstehenden Abgänge der geburtenstarken Jahrgänge wird im Schweizer Arbeitsmarkt eine Lücke hinterlassen.
Die Schweiz hat die EU-Zuwanderung erfolgreich genutzt, um ihren Arbeitskräftebedarf zu decken und die demografischen ... mehr lesen  
Ein unbekannter Hacker oder eine Gruppe von Hackern hat Anfang Juni 2023 sensible Daten des IT-Unternehmens XPlain in der Schweiz gestohlen. Zu den gestohlenen Daten gehören Kundeninformationen, Finanzdaten, geistiges Eigentum und Daten von Schweizer Behörden. mehr lesen  
Titel Forum Teaser
  • melabela aus littau 1
    es geht nicht nur um homosexuelle ich bin eine frau und verheiratet mit einem mann. leider betrifft es ... So, 14.08.16 13:18
  • Pacino aus Brittnau 731
    Kirchliche Kreise . . . . . . hatten schon immer ein "spezielles" Verhältnis zu ... Do, 09.06.16 08:07
  • Kassandra aus Frauenfeld 1781
    Das wird die Deutschen aber traurig machen. Wenn man keinen Flughafen und keinen Bahnhof ... Mi, 08.06.16 17:49
  • Pacino aus Brittnau 731
    Demokratie quo vadis? Wenn die Demokratie den Stacheldraht in Osteuropa-, einen Wahlsieg von ... Mo, 06.06.16 07:55
  • zombie1969 aus Frauenfeld 3945
    Es... muss darum gehen, die Kompetenz der Kleinbauern zu stärken. Das sorgt ... Do, 02.06.16 13:07
  • Kassandra aus Frauenfeld 1781
    Kindeswohl egal! Es geht doch vor allem um die eigenen Kinder der Betroffenen. Die ... Do, 02.06.16 08:10
  • Kassandra aus Frauenfeld 1781
    Verlust der Solidarität: Verlust der Demokratie! Vollständig und widerspruchsfrei beantworten lässt sich das wohl nicht. ... Mi, 01.06.16 00:18
  • zombie1969 aus Frauenfeld 3945
    Unterstützung "Deshalb sind für die Sozialhilfe 267 Millionen Franken mehr und für ... Di, 31.05.16 10:38
 
Stellenmarkt.ch
Kreditrechner
Wunschkredit in CHF
wetter.ch
Heute Mi Do
Zürich 7°C 22°C recht sonnigleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig freundlich freundlich
Basel 9°C 24°C sonnigleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig sonnig freundlich
St. Gallen 8°C 20°C recht sonnigleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig sonnig freundlich
Bern 7°C 22°C recht sonnigleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig sonnig freundlich
Luzern 8°C 22°C recht sonnigleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig sonnig freundlich
Genf 9°C 24°C recht sonnigleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig sonnig freundlich
Lugano 13°C 24°C sonnigleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig sonnig freundlich
mehr Wetter von über 8 Millionen Orten