Leichtathletik: Weltklasse Zürich - 75 Jahre nach Nurmi-Meeting

publiziert: Mittwoch, 13. Aug 2003 / 22:22 Uhr / aktualisiert: Donnerstag, 14. Aug 2003 / 19:55 Uhr

Das Jubiläums-Meeting Weltklasse Zürich am Freitagabend trägt die Etikette der WM-Hauptprobe. In 20 internationalen Disziplinen versammelt sich wie gewohnt die Crème der Weltelite. Höhepunkt aus Schweizer Sicht ist der 800-m-Lauf mit André Bucher.

Ist Bucher in Form?
Ist Bucher in Form?
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Vor 75 Jahren fand das erste internationale Meeting im Zürcher Letzigrund mit der finnischen Lauflegende Paavo Nurmi statt. Daraus ist Weltklasse Zürich, die weltweit bestbesetzte Eintages-Veranstaltung, gewachsen. Im Gegensatz zu den letzten Jahren bildet "Zürich" diesmal nicht Revanche für internationale Titelkämpfe oder Olympische Spiele, sondern das letzte grosse Kräftemessen vor den Weltmeisterschaften vom 23. bis 31. August in Paris.

Und mit wenigen Ausnahmen sind sie alle gekommen, die Stars der Leichtathletik-Szene, die Titelträger der Vergangenheit und die Medaillenanwärter für Paris.

In 20 Disziplinen (11 Männer/9 Frauen) versammeln sich 16 Jahres-Weltbeste (9 Männer/7 Frauen), 12 Weltmeister von 2001 (7/5), 10 Europameister von 2002 (4/6) und drei Weltrekordler. Mehr als die Hälfte aller Teilnehmer gehören zu den 10 Besten des Jahres in ihren Sparten, im Stabsprung der Männer fehlt keiner aus den Top Ten.

Bucher: "Jetzt ist fertig gepokert"

Dass in den Kämpfen um Sieg und Podestplätze ein Schweizer vorne mitmischen kann, ist ein Segen für die Schweizer Leichtathletik.

André Bucher (27) besitzt nach Fussverletzungen in zwei aufeinander folgenden Jahren wohl noch nicht den Formstand von 2001 bei seinem WM-Titelgewinn in Edmonton, aber sein Sieg am letzten Freitag in London gibt zu schönen Hoffnungen Anlass.

Mit Ausnahme des Russen Juri Borsakowski ist im 800-m-Lauf die gesamte Weltelite am Start. Bucher fühlt sich "in Form" und möchte testen, "ob der Aufwärtstrend anhält." Nach dem vierwöchigen Höhentrainingslager in St. Moritz bestreitet er sein zweites und letztes Rennen vor den WM. "So kurz vor Paris wird wohl jeder seine Karten aufdecken, jetzt ist fertig gepokert", sagte der Luzerner.

Bucher hofft auf ein schnelles Rennen, allerdings nicht mit einer derart tiefen 400-m-Durchgangszeit (49,5) wie der Jahres-Weltbeste Wilfred Bungei (Ken). Dieser konnte sich wegen einer Erkrankung vor den Kenia-Trials nicht für die WM qualifizieren und möchte nun zeigen, wozu er fähig ist.

Interessant wird auch sein, wie sich Weltrekordler und Altmeister Wilson Kipketer (Dä) bei seinem ersten Zusammentreffen mit der Weltelite der Bungei, Mbulaeni Mulaudzi (SA), Japhet Kimutai (Ken), Joseph Mwengi Mutua (Ken), Hezekiel Sepeng (SA), Bram Som (Ho) und Bucher schlägt.

Wie sich der Schweizer in Zürich taktisch verhalten wird, wollte er vor dem Rennen nicht preisgeben. Mit seinen beiden Siegen von 2000 und 2001 ist schon der zweiterfolgreichste Schweizer bei Weltklasse Zürich.

Bei insgesamt 17 Schweizer Erfolgen seit 1960 errang neben Bucher nur der dreifache Kugelstoss-Weltmeister Werner Günthör (6 Siege) mehr als einen Triumph im Letzigrund.

Mutola um 1 Million Dollar

Weltklasse Zürich ist das fünfte von sechs Meetings der Golden League; das letzte findet nach den WM am 5. September in Brüssel statt. Im Rennen um den Jackpot von einer Million Dollar ist bezeichnenderweise nur noch 800-m-Dominatorin Maria Mutola (31), Zürcher Rekordsiegerin mit nicht weniger als 10 Siegen in Folge, verblieben -- nachdem die 100-m-Jahres-Weltbeste Chandra Sturrup (Bah) am letzten Sonntag in Berlin scheiterte.

Mutola muss "nur noch" in Zürich und Brüssel gewinnen, um die Million zu kassieren. "Ich versuche, nicht zu sehr daran zu denken, dass ich noch allein im Jackpot verblieben bin", sagte die Olympiasiegerin aus Mozambique, "das würde mich nur noch zusätzlich belasten. Aber wer könnte ehrlicherweise nicht über eine Million Dollar nachdenken?"

Duelle statt Weltrekorde?

Weltrekorde galten während Jahren beinahe als ein "Must" für grosse Meetings wie jenes von Zürich. Doch da die Rekorde in immer dünnerer Luft angesiedelt sind und kaum noch fallen, freut sich das Publikum auch wieder vermehrt an packenden Duellen.

Die Enttäuschung nach dem grossartigen Steeple-Weltrekord des Marokkaner Brahim Boulami folgte im vergangenen Jahr nach wenigen Tagen -- als bekannt wurde, dass Boulami in Zürich gleich bei zwei Dopingtests (EPO) durchgefallen war. Der Rekord wurde nicht anerkannt und Boulami gesperrt.

Die letzten Weltrekorde von Weltklasse Zürich stammen aus dem Jahr 1997, als gleich drei gebrochen wurden: durch Wilson Kipketer (Dä) über 800 m, durch Haile Gebrselassie (Äth) über 5000 m und durch Wilson Boit Kipketer (Ken) über 3000 m Steeple.

"piste magique"

Möglicherweise bringt die neu verlegte Bahn dem Letzigrund seinen Ruf als "piste magique" zurück. Weltmeister Allen Johnson (USA) blieb bei seiner Jahres-Weltbestzeit von 12,97 nur 6/100 über dem Rekord von Colin Jackson (Gb). Und Johnson weiss sehr wohl, dass im Letzigrund schon fünf Weltrekorde über seine Distanz gefallen sind. Nahe an der Weltbestmarke (15,50) befand sich in diesem Jahr auch schon die kubanische Dreispringerin Aldama Yamile mit 15,29.

Höhepunkte Langstrecken?

Spannung herrscht auch beim Auftritt von weiteren Top-Athletinnen wie Weltmeisterin Hestrie Cloete (SA), die in Berlin 2,05 m hoch sprang und den Weltrekord attackierte, wie der türkischen Europameisterin Süreyya Ayhan (1500 m), die in Berlin eine Saisoneinstiegs-Demonstration ablieferte, wie der seit 2001 ungeschlagenen Mexikanerin Ana Guevara (400 m), die 2003 erstmals in Europa startet.

Und dann gibt es noch zwei heisse Männer-Laufstrecken: die 3000 m Steeple mit dem kenianischen Jahresbesten Stephen Cherono, der an den WM für Katar starten möchte, und die 5000 m mit "Gebrselassie-Nachfolger" Kenenisa Bekele (Äth), dem vierfachen Cross-Weltmeister, sowie dem neuen Kometen Abraham Chebii (Ken), in deren Schatten der Schweizer Christian Belz zu einem neuen Höhenflug ansetzen könnte.

Relativ bescheiden kündigen sich diesmal die 100-m-Sprints an: Weltmeister Greene (USA) und Weltrekordler Montgomery (USA) sind nicht dabei, weil nicht in Form, Mehrfach-Olympiasiegerin Marion Jones (USA) mit Time-Out als junge Mutter: Die Gelegenheit für weniger Prominente ist günstig, sich in Szene zu setzen.

Weltrekorde auf dem Zürcher Letzigrund

7.7.1959 Martin Lauer (De) 110 m Hürden 13,2 7.7.1959 Martin Lauer (De) 200 m Hürden 22,5 21.6.1960 Armin Hary (De) 100 m 10,0 4.7.1969 Willie Davenport (USA) 110 m Hürden 13,2 6.7.1973 Rod Milburn (USA) 110 m Hürden 13,1 20.8.1975 Faina Melnik (SU) Diskus 70,20 15.8.1979 Sebastian Coe (Gb) 1500 m 3:32,03 13.8.1980 Tatjana Kasankina (SU) 1500 m 3:52,47 19.8.1981 Sebastian Coe (Gb) 1 Meile 3:48,53 19.8.1981 Renaldo Nehemiah (USA) 110 m Hürden 12,93 22.8.1984 Evelyn Ashford (USA) 100 m 10,76 21.8.1985 Mary Slaney-Decker (USA) 1 Meile 4:16,71 17.8.1988 Butch Reynolds (USA) 400 m 43,29 17.8.1988 Carl Lewis (USA) 100 m 9,93 16.8.1989 Roger Kingdom (USA) 110 m Hürden 12,92 7.8.1991 USA (Marsh/Burrell/Mitchell/Lewis) 4x100 m 37,67 19.8.1992 Moses Kiptanui (Ken) 3000 m Steeple 8:02,08 16.8.1995 Moses Kiptanui (Ken) 3000 m Steeple 7:59,18 16.8.1995 Haile Gebrselassie (Äth) 5000 m 12:44,39 14.8.1996 Swetlana Masterkowa (Russ) 1 Meile 4:12,56 13.8.1997 Wilson Boit Kipketer (Ken) 3000 m Steeple 7:59,08 13.8.1997 Wilson Kipketer (Dä) 800 m 1:41,24 13.8.1997 Haile Gebrselassie (Äth) 5000 m 12:41,86

Carl Lewis´ 9,93 von 1988 galten aufgrund der nachträglichen Streichung des Weltrekordes von Ben Johnson (9,83) als Egalisierung der Bestmarke.

Der 3000-m-Steeple-Weltrekord von Brahim Boulami (Mar) am 16. August 2002 wurde nach positivem Dopingbefund (EPO) nicht anerkannt.

(bert/Si)

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