Lobbys machen Lobbykritik

publiziert: Mittwoch, 16. Mrz 2016 / 10:49 Uhr / aktualisiert: Mittwoch, 16. Mrz 2016 / 13:00 Uhr
Reiner Datenjournalismus à la NZZ wird den Preis der Macht nicht enthüllen.
Reiner Datenjournalismus à la NZZ wird den Preis der Macht nicht enthüllen.

Die NZZ macht auf Datajournalismus und präsentiert die Lobbys im Schweizer Parlament. An der Grafik zeigen sich alle Vor- und Nachteile von Dateninformationen. Besser machen es Dominik Feusi von der BAZ und lobbywatch.ch

5 Meldungen im Zusammenhang
Weiterführende Links zur Meldung:

Lobbybeobachtungsportal 'Lobbywatch'
Das Schweizer Portal für die Beobachtung von Lobbys in der Politik.
lobbywatch.ch

Artikel Baslerzeitung über Alpiq-Campagne
Wie die Schweizer Stromindustrie ein Problem kreiert, dass durch Subventionen gelöst werden soll.
bazonline.ch

NZZ versucht Datenjournalismus
Die NZZ versucht anhand Daten ohne Kontext die Lobbys in der Schweiz zu analysieren.
nzz.ch

Zuerst zur NZZ-Lobbyauswertung: Erstens sagt die Übersicht nichts über die finanziellen Verstrickungen, d.h. das Kapital der Lobbys aus. Als ob die Zahl, wer mit welchen Interessenverbänden verbandelt ist, irgendetwas über Gestaltungs- und Finanzmacht aussagen würde. Zweitens schwächt die NZZ den Eindruck der Wirtschaftsdominanz, indem sie die generelle Kapitalistenlobby in Versicherungen, Wirtschaftsdachverbände, Industrie&Energie und Bauwirtschaft&Immobilien teilt. Dafür sind alle linksgrünen Interessenverbände unter einem Dach zusammengefasst und ergeben den riesigen Balken «Hilfswerke, Nonprofit-Organisationen und Soziales.» Ein Schelm, wer sich Böses dabei denkt, zumal René Zeller sofort kommentiert: «Es sind nicht primär Banken und Wirtschaftsverbände, die mit ihren Tentakeln Gesetzesprozesse steuern.» Wenn eine frisch gewählte Nationalrätin innert wenigen Jahren ihre Verwaltungsratssitze verdreifachen kann, dann braucht es keine «Tentakel», da reicht das Sitzungshonorar, um entsprechende Gesetzgebungsprozesse zu fördern.

Die NZZ betreibt mit ihrer Lobby-Übersicht die in den Leitmedien beliebte Oberflächenkritik, die vor allem das Publikum beruhigen soll und die bestehenden Machtverhältnisse legitimierend und beschönigend «kritisiert.»

David Graeber beschreibt in seinem beunruhigenden Buch «Bürokratie» die Struktur, die dem Machtzuwachs der Interessenverbände zugrunde liegt. Er setzt sie bei der seit den 1980er Jahren unter Thatcher und Reagan begonnenen sogenannten «Deregulierung» an. Deregulierung bringt aber erstaunlicherweise nicht weniger Bürokratie, sondern mehr Bürokratie. Sie bringt auch nicht mehr Transparenz oder Demokratie, sondern das Gegenteil hervor: Undemokratische Entscheidungsprozesse und den ungebremsten Einfluss der Interessengruppen. Lobbies sind der neoliberale Hofstaat der Demokratie (laStaempfli). Im (Medien)Diskurs wird selbstverständlich das Gegenteil behauptet, selbst wenn man real fünfmal so viele Formulare ausfüllen muss und fünfmal so viele Behördenmitarbeiter eingestellt werden müssen, um neue Systeme zu beherrschen und schwierige Gesetzesentwürfe mit bürokratischen Vollzug durchzusetzen, wird von «Organisation, Evaluation, Prozess, Transparenz, Legitimation, Partizipation» geschwafelt.

Leider reden davon die meisten Medien nicht. Sondern sie leaken «Geheimpapiere» und tun so, als wären sie kritisch. In Wahrheit wollen sie die ungemütliche Geschichte aber nur vom Tisch wischen. Denn wer am Beispiel des «Geheimpapiers von Hirzel Neef Schmid» der Struktur, die hinter den Lobbies steht, nachgeht, stösst sehr bald auf die Kumpanei der Journalisten.

Lobbywatch.ch und der Artikel von Dominik Feusi in der BAZ (!) machen es besser: Die Zersetzung der Freiheit zum Staat durch die Lobbys wird kritisch, strukturell und lösungsorientiert besprochen. Endlich wird klar, wie PR- und Consultingfirmen (nicht zuletzt besetzt von ehemaligen Journalisten) Parlamentarier wie Angestellte der eigenen Firma behandeln können (sagt auch was über die Parlamentarier, doch dazu später mal mehr). Domink Feusi schreibt in einem nüchtern-sachlichen Ton, wie der Stromkonzern Alpiq, Politiker beeinflussen, Staatshilfe erreichen und wieder schwarze Zahlen schreiben will. Feusis Bericht ist Recherche und Aufklärung zugleich und sagt viel mehr aus, wie Politik in der Schweiz gestaltet wird als irgendwelche neutral frisierte Mandatsübersichten, wer mit wem ins Bett steigt.

Lobbywatch.ch ist eine Site, die eigentlich ebenso häufig aufgerufen werden muss wie www.admin.ch. Letztes Jahr zeigte sie u.a. auf, wie die IG Biomedizinische Forschung Innovation mit 17 National- und Ständeräten vertreten war und als Gruppe bei der «Kommission für Gesundheit und soziale Sicherheit» zu einer gewichtigen Stimme heranwuchs. Soviel zu behördlicher Gesundheit, die wohl nur dazu dienen soll, die Pharmaindustrie gesund zu halten?

(Regula Stämpfli/news.ch)

xxxFORUMHINWEISxxx
Lesen Sie hier mehr zum Thema
«Ein Bijou der Handwerkskunst der Belle Epoque.» (Achivbild vor der Sanierung mit Lobbyisten)
Bern - Nach umfangreichen Restaurationsarbeiten erstrahlt die Wandelhalle im Bundeshaus in neuem Glanz. In den letzten zwei Jahren wurden Schäden an Wänden, Decken und Böden behoben. ... mehr lesen
Stimmmaterial der Eidgenössischen Wahlen: Finanzielle Ingredienzien unbekannt.
Etschmayer «Wes Brot ich ess, des Lied ich sing» ... mehr lesen
.
Digitaler Strukturwandel  Nach über 16 Jahren hat sich news.ch entschlossen, den Titel in seiner jetzigen Form einzustellen. Damit endet eine Ära medialer Pionierarbeit. mehr lesen 
Frauenrechtlerin Ada Wright in London, 1910: Alles könnte anders sein, aber nichts ändert sich.
Frauenrechtlerin Ada Wright in London, 1910: ...
«Männer stimmten für Hofer, Frauen für Van der Bellen» titelte die FAZ nach dem Wahlkrimi in Österreich. «Warum wählen junge Männer so gern rechts?» fragte jetzt.de einen Soziologen. «Duh» war meine erste Reaktion, hier ein paar weitere. mehr lesen 
Gewinnorientierte Unternehmen wie der ORS machen aus der Flüchtlingshilfe ein Geschäft. Das Rote Kreuz und die Caritas, die gemeinnützig sind und seit Jahren über grosse Erfahrung in der Betreuung von Menschen auf der Flucht ... mehr lesen
Flüchtlinge (hier in Mazedonien): Mit Gewinnziel zu verwaltende Konkursmasse oder doch Menschen?
Armeechef Blattmann: bedenklicher Umgang mit demokratischen Grundrechten.
Korpskommandant André Blattmann wird von den Mainstreammedien der «Beleidigung» bezichtigt. Er nannte den Rundschau-Chef Sandro Brotz, «Sandro Kotz.» Wer meint, dies sei nur ... mehr lesen  
«Bist Du nicht willig, stimmen wir ab.» So lautet die Devise der unschweizerischen bürgerlichen Mehrheit seit den Wahlen im Herbst 2015. «Wie schamlos hätten Sie es ... mehr lesen  
Der Nationalrat - seit 2016 absolut schamlos.
Typisch Schweiz Der Bernina Express Natürlich gibt es schnellere Bahnverbindungen in den Süden, aber wohl ...
Die beiden Buchstaben «AI» oder «KI» lösen keine Begeisterung der Käufer hervor.
Shopping Das Label KI ist nicht verkaufsfördernd Um Produkte erfolgreich zu vermarkten, empfiehlt es sich, den Begriff «künstliche Intelligenz» gezielt zu umschiffen. Eine aktuelle Studie zeigt, dass die ...
Erstaunliche Pfingstrose.
Jürg Zentner gegen den Rest der Welt.
Jürg Zentner
Frauenrechtlerin Ada Wright in London, 1910: Alles könnte anders sein, aber nichts ändert sich.
Regula Stämpfli seziert jeden Mittwoch das politische und gesell- schaftliche Geschehen.
Regula Stämpfli
«Hier hätte ich noch eine Resistenz - gern geschehen!» Schematische Darstellung, wie ein Bakerium einen Plasmidring weiter gibt.
Patrik Etschmayers exklusive Kolumne mit bissiger Note.
Patrik Etschmayers
Obama in Hanoi mit der Präsidentin der Nationalversammlung, Nguyen Thi Kim Ngan auf einer Besichtigungstour: Willkommenes Gegengewicht zu China.
Peter Achten zu aktuellen Geschehnissen in China und Ostasien.
Peter Achten
Recep Tayyp Erdogan: Liefert Anstoss, Strafgesetzbücher zu entschlacken.
Skeptischer Blick auf organisierte und nicht organisierte Mythen.
Freidenker
 
Stellenmarkt.ch
Kreditrechner
Wunschkredit in CHF
wetter.ch
Heute Mo Di
Zürich 17°C 23°C wechselnd bewölkt, Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt, Regen wolkig, aber kaum Regen
Basel 18°C 23°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt, Regen wolkig, aber kaum Regen
St. Gallen 15°C 21°C wechselnd bewölkt, Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt, Regen wolkig, aber kaum Regen
Bern 16°C 21°C wechselnd bewölkt, Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt, Regen wolkig, aber kaum Regen
Luzern 17°C 21°C wechselnd bewölkt, Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt, Regen wolkig, aber kaum Regen
Genf 17°C 23°C wechselnd bewölkt, Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt, Regen recht sonnig
Lugano 20°C 21°C anhaltender Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wolkig, aber kaum Regen sonnig
mehr Wetter von über 8 Millionen Orten