Locarno – vieles für Viele

publiziert: Mittwoch, 10. Aug 2005 / 08:25 Uhr

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Eine Woche im Festival brummt Locarno vor Betriebsamkeit. Kaum jemand schlendert noch, alle schreiten zielorientiert umher, in einer Hand ein Handy, in der andern das offizielle Festivalbuch, das an Grösse und Gewicht sich nicht hinter einem Telefonbuch verstecken kann. Das Filmfestival ist vieles für viele Menschen – für Filmemacher, Kinobetreiber, Journalisten und Politiker - doch kaum für eine Interessengruppe dasselbe.

Für die Filmemacher: für diese Hoffnungsvollen ist Locarno eine Plattform (ein Sprungbrett nicht unbedingt), ihre Werke überhaupt einem Publikum vorzuführen. Die wenigsten der Filme, die hier zwischen dem 3. und 13. August zu sehen sind, schaffen den grossen Sprung ins "richtige" Kino. Denn selbst ein von der Kritik gefeierter Festivalfilm (und manchmal gerade vor allem diejenigen) hat damit noch keinen Verleiher, der die Kinoauswertung vor zahlendem Publikum wagen müsste.

Für die Kinobetreiber: die schauen noch genauer hin als die Kritiker. Können sich ja nicht leisten, die Fahne der Kultur hochzuhalten und dafür am Massengeschmack vorbeizuschauen. Bezeichnend darum, dass ausgerechnet in Locarno, das dem anspruchsvollen Film dient, die Kinobetreiber ihr eigenes exklusives Programm sehen: ihnen spielen die Verleiher in Spezialvorstellungen die neuesten Hollywood-Importe vor, um ihnen die Entscheidung zu erleichtern, welchen Tom-Cruise-Streifen wir dann für wie lange zu sehen bekommen.

Für die Journalisten: für sie ist Locarno nette Abwechslung mit Sonnenbräune im Nebeneffekt. Wenn die warme Brise den Lago Maggiore kräuselt und einem der Festivalpass Zutritt zu allen Vorstellungen verschafft, auch zu jenen, über die man überhaupt nicht zu schreiben gedenkt, dann erinnert man sich unwillkürlich an seinen Berufsberater, der das Interesse eher auf die bodenverhaftete Gärtnerei denn auf die brotlose Zunft der Schreiberei lenken wollte. Möge er selbst einen anderen Beruf ergriffen haben.

Für den Bund: ist Locarno idealer Zeitpunkt, alljährlich von neuem zu bekräftigen, dass man sich einen starken Schweizer Film wünsche. Ein intern wucherndes Geschwür im Bundesamt für Kultur platzte letztes Jahr unschön zum Festivalbeginn, als ein ungehaltener Bundesrat Zweifel an seinen Mitarbeitern äusserte. Heuer nun ist Locarno nicht von solchen Nebengeräuschen begleitet. Der Bund hat Locarno 3,6 Mio. Franken für die nächsten drei Jahre wieder zugesichert.

Und auch für die Politik: für einmal erfrischend unneutral ist die Schweiz hier. Die Gewichtung des Programms ist durchaus subjektiv. Das Hollywood der Amerikaner bleibt aussen vor, statt dessen ein anerkennendes Nicken in Richtung dem Bollywood der Inder. Die Irak-Reporterin Guiliana Sgrena nahm das Festival zum Anlass, über ihre Geiselnahme zu berichten – und gleich anzukündigen, dass die Geschehnisse verfilmt werden sollen. Und Susan Sarandon nennt George W. Bush den schlechtesten Präsidenten aller US-Zeiten.

Für Locarno selbst schliesslich ist das alles belissimo Tourismuswerbung. Bis jetzt zeigt sich das Hafen-Städtchen von seiner reizvollsten Seite. Und macht fast frühere Jahre vergessen, als mit völlig un-mediterraner Pünktlichkeit der Regen zur Piazza-Vorführung loströpfelte.

Für alle in Locarno ist das Festival speziell, und für alle speziell anders. Wie aber steht es mit allen, die nicht in Locarno sind – mit den Schweizern, die sich kaum vorstellen, geschweige denn leisten können, über Tage einfach Filme, Filme, Filme zu sehen, und über nichts anderes als Filme zu reden? Mit denen also, für die ja so ein Festival eigentlich ausgerichtet ist, den Endkonsumenten nämlich, die seit Tagen auf den Feuilleton-Seiten nichts anderes zu lesen bekommen, und zwar über Filme, die dann aller Wahrscheinlichkeit nach gar nicht in der Schweiz laufen. Wir in Locarno hoffen, dass auch sie das Festival auf ihre Art schätzen, es denn aus der Ferne lieben. Etwa so, wie man hier auf dem Lago Maggiore ständig die wunderschöne Insel Brissago vor sich hat, die zwar botanische Sehenswürdigkeiten bereithält, aber auf die man dennoch noch nie einen Fuss setzte.

(von Roland Schäfli/news.ch)

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