Und hier auf dem Platz im Haus Bethanien holte Rio Reiser bei einer
Besetzung des schlossartigen Gebäudes mit den «Scherben» seine Gitarre
raus und sang mit den Besetzern Protestsongs. Und immer wieder ein
Brennpunkt bei Demonstrationen, Polizeiaktionen und Besetzungen bis in
die 90er Jahre hinein.
Auf diesem geschichtsträchtigen Platz mitten in Kreuzberg wurde aus
Gerüstteilen ein Stadion gebaut und nun am Sonntag das
Streetfootballworld Festival 06 von FIFA-Präsident Blatter und Jüür-gen
Kliiiins-mann eröffnet.
Aus sozialen Projekten entstanden
Teams aus der ganzen Welt sind nach Berlin gekommen. Allerdings verlief
die Qualifikation anders, als an der «richtigen» WM: Die Mannschaften
aus Buenos Aires, Sao Paulo, Kabul, Nairobi, Tel Aviv oder London sind
allesamt aus sozialen Projekten entstanden und sie wurden ausgewählt,
weil sie die Ziele Fussball gegen Gewalt, Drogen und Rassismus, für
Toleranz, Völkerverständigung und Umweltschutz in ihrer Projektarbeit
vorbildlich umgesetzt hatten.
Nur ein Team – aus Accra/Ghana – durfte nicht einreisen,
weil es kein Visum bekam. Angeblich stand die Truppe in Verdacht, sich
in Deutschland um Profi-Fussball-Verträge zu bemühen, und sich somit
eine Aufenthaltsgenehmigung zu erschleichen.
Unverständliche Massnahme
Auch nachdem sich der Innenminister Schäuble persönlich der Sache
annahm: Deutschland blieb hart. Verstehe ich nicht, es hätte wirklich
niemandem wehgetan, wenn diese 20 Jungs und Mädchen hier geblieben
wären, zu Gast bei Freunden, und ausserdem talentierte Fussballer können
wir doch immer gebrauchen.
Der Eintritt ins Stadion kostet einen Euro, der dem
Streetfootball-Netzwerk zu Gute kommt; da kann etwas zusammen kommen,
denn es gibt Platz für über 2000 Besucher. Gespielt wird auf einem 15
mal 25 Meter grossen, langhalmigen, blauen Kunstrasen, der noch mit
einer Art Gummischotter aufgefüllt wurde.
Die Tore sind etwa einen Meter
hoch und drei Meter breit. Es gibt keinen Schiedsrichter, die gemischten
Teams spielen Vier gegen Vier. Regeln werden vor jedem Spiel neu
vereinbart (Zählen Mädchentore doppelt? Letzter Mann darf Hand?).
Mitspielertausch
Als ich herein komme, spielen gerade die Teams aus Lima/Peru und
Nairobi/Kenia ein Freundschaftsspiel, man sieht, dass sie sich
angefreundet haben, die Spieler haben Spass und sie tauschen sogar die
Mitspieler untereinander aus. Sie schauen sich die Wiederholungen ihrer
Tricks noch beim Spiel auf der grossen, hellen Videoleinwand an und
amüsieren sich. Die Sonne brennt, der Mojito wirkt – ich habe Spass.
Nach dem Spiel wird der spanische Live-Kommentator unruhiger, denn es
kündigt sich das Spitzenspiel der Gruppe D an: Brasilien gegen
Argentinien. Auch die Spieler dieser Erzkonkurrenten kommen demonstrativ
geschlossen aufs Spielfeld, es gibt keine Nicklichkeiten, ein
Schiedsrichter wird nicht vermisst, obwohl alle mit vollem Engagement
spielen.
Das Spiel endet leistungsgerecht 1:1, ich schlendere noch mal über den
Mariannenplatz auf dem gechillt wird - mit Drinks und Essen aus aller Welt. Vorne stehen zwei Moderatoren, die mit einer Tafel
Fussballausdrücke aus aller Welt erklären, überall werden Bälle in der
Gegend herumgekickt. Ist das alles nur ein Traum? Es scheint, dass wir
dem Traum von einer besseren Welt einen Schritt näher gekommen sind,
zumindest während dieser WM. Ich fühl mich gut, ich steh’ auf Berlin!
(Felix Steinbild/news.ch)
3°C / 7°C 
4°C / 9°C 
0°C / 4°C 
0°C / 6°C 
3°C / 6°C 
4°C / 9°C 
9°C / 14°C 
