Nationalrat rückt von Nothilfe-Regime ab

Mehrheit des Nationalrats gegen generelles Nothilfe-Regime

publiziert: Montag, 3. Dez 2012 / 18:42 Uhr / aktualisiert: Montag, 3. Dez 2012 / 20:06 Uhr
Asylsuchenden werden in Zukunft Sozialhilfe erhalten.
Asylsuchenden werden in Zukunft Sozialhilfe erhalten.

Bern - Asylsuchende sollen weiterhin Sozialhilfe erhalten, sofern sie nicht weggewiesen worden sind oder wichtige Auskünfte verweigern. Der Nationalrat hat die Idee fallen gelassen, allen Asylsuchenden nur noch Nothilfe zu gewähren. Die heutigen Regeln sollen aber verschärft werden.

4 Meldungen im Zusammenhang
Im Sommer hatte sich noch eine deutliche Mehrheit im Nationalrat für ein generelles Nothilfe-Regime ausgesprochen. Alle Asylsuchenden sollten demnach nur noch Nothilfe statt der grosszügigeren Sozialhilfe erhalten.

Der Ständerat wollte davon aber nichts wissen. Er beschloss weniger drastische Verschärfungen. Am Montag ist nun auch der Nationalrat auf diese Linie eingeschwenkt. Er lehnte es mit 123 zu 59 Stimmen bei einer Enthaltung ab, Asylsuchende von der Sozialhilfe auszuschliessen.

Nur noch SVP für Nothilfe-Regime

Für die Idee, die ursprünglich FDP-Präsident Philipp Müller eingebracht hatte, setzte sich nur noch die SVP ein. Es gehe um die Frage, wie attraktiv die Schweiz für Asylmissbrauch sei, argumentierte Christoph Blocher (SVP/ZH). Die Sozialhilfe mache die Schweiz viel zu attraktiv.

Balthasar Glättli (Grüne/ZH) erwiderte, es sei ein Mythos zu glauben, dass die Attraktivität der Schweiz so gesenkt werden könne. «Die Migrationsströme richten sich nicht nach diesen Regeln, die in Herrn Blochers Kopf herumirren.»

Verschärfung ohne «Pauschalempörung»

Jene, die im Sommer noch für das Nothilfe-Regime gestimmt hatten, betonten, der Ständerat habe in der Zwischenzeit eine bessere Lösung gefunden. Die Nothilfedebatte sei damals im Eiltempo geführt worden, sagte Martin Bäumle (GLP/ZH). «Das Ziel war es immer, eine bessere Lösung zu finden.»

Ruth Humbel (CVP/AG) erklärte, die Lösung des Ständerates könne auch als «Weiterentwicklung» des nationalrätlichen Nothilfe-Konzeptes betrachtet werden. Sie provoziere aber keine «Pauschalempörung», wie der Nothilfe-Begriff dies tue.

Zwingend weniger Sozialhilfe

Der Nationalrat folgte am Ende seiner Kommission, die sich in den wesentlichen Punkten für die Lösung des Ständerates ausgesprochen hatte. Demnach sollen Asylsuchende mit rechtskräftigem Wegweisungsentscheid zwingend von der Sozialhilfe ausgeschlossen werden, also nur noch Nothilfe erhalten.

Weiter sollen Asylsuchende zwingend weniger Sozialhilfe erhalten als andere Sozialhilfebezüger. Verletzen Asylsuchende ihre Mitwirkungspflicht, sollen die Behörden die Gelder kürzen oder durch Nothilfe ersetzen müssen. All dies ist bereits heute in der Regel so, aber nicht vorgeschrieben.

Muss- statt Kann-Formulierungen

Die Kann-Formulierungen würden zu Muss-Formulierungen, stellte Justizministerin Simonetta Sommaruga fest. Dies sei zwar ein Eingriff in kantonale Kompetenzen. Der Eingriff sei aber vertretbar, weil die Regelung der heutigen Praxis entspreche.

Anträge von linker Seite, bei den Kann-Formulierungen zu bleiben, lehnte der Rat ab. Er sprach sich aber auch dagegen aus, im Gesetz zu verankern, dass die Sozialhilfe für Asylbewerber mindestens 40 Prozent unter der Sozialhilfe für die einheimische Bevölkerung liegt. Für diese Formulierung warb Marco Romano (CVP/TI). Heute erhalten Asylsuchende in der Regel 20 bis 30 Prozent weniger als andere Sozialhilfebezüger.

Verschärfungen für vorläufig Aufgenommene

Festgehalten hat der Nationalrat an Verschärfungen für vorläufig Aufgenommene. So sollen deren Ehegatten und Kinder frühestens nach fünf Jahren im Rahmen des Familiennachzugs in der Schweiz leben dürfen. Heute liegt die Frist bei drei Jahren.

Die Gegner der Verschärfung gaben vergeblich zu bedenken, damit werde bloss die Integration erschwert. Sommaruga sprach gar von einem «Eigentor». Ganz knapp - mit 91 zu 90 Stimmen bei einer Enthaltung - blieb der Rat zudem dabei, dass vorläufig Aufgenommene frühestens nach sieben statt wie heute nach fünf Jahren ein Gesuch um eine Aufenthaltsbewilligung stellen dürfen.

Ausweisung in sichere Staaten in der Regel zumutbar

Auch in anderen Punkten ist der Nationalrat bei seiner Version geblieben. Nachgegeben hat er dagegen in der Frage der zumutbaren Ausweisung. Erachtet der Bundesrat die Rückkehr in einen Staat oder eine Region als zumutbar, soll die Ausweisung in der Regel, aber nicht in jedem Fall zumutbar sein.

Auf gewisse Änderungen des Asylgesetzes hatten sich National- und Ständerat schon in der letzten Session geeinigt. Sie erklärten diese für dringlich, weshalb sie bereits in Kraft getreten sind. Unter anderem gilt Wehrdienstverweigerung nicht mehr als Asylgrund, und Botschaften nehmen keine Asylgesuche mehr an. Die Gegnerinnen und Gegner sammeln Unterschriften für ein Referendum gegen diese Massnahmen.

 

(fest/sda)

Kommentieren Sie jetzt diese news.ch - Meldung.
Lesen Sie hier mehr zum Thema
Räte einigen sich auf Revision des Asylgesetzes
Bern - Eine weitere Revision des ... mehr lesen 1
Bern - Die Staatspolitische Kommission (SPK) des Nationalrats verabschiedet sich von ihrem Konzept, wonach alle Asylsuchenden nur noch Nothilfe erhalten sollen. Sie schliesst sich im Grundsatz der milderen Variante des Ständerats, will diese aber verschärfen. mehr lesen 
Bern - Der Ständerat will nicht, dass ... mehr lesen 1
Hartnäckige Asylbewerber kommen in ein spezielles Wohnheim.
.
Digitaler Strukturwandel  Nach über 16 Jahren hat sich news.ch entschlossen, den Titel in seiner jetzigen Form einzustellen. Damit endet eine Ära medialer Pionierarbeit. mehr lesen 22
Der Trend geht zu grösseren Wohnungen.
Der Trend geht zu grösseren Wohnungen.
Die EKW beobachtet den Wohnungsmarkt  Bern - Die Bedeutung des Wohnens hat während der Pandemie zugenommen. Grössere Wohnungen und Wohneigentum waren während der letzten Monate besonders gefragt. Dies sind Beobachtungen der Eidgenössischen Kommission für Wohnungswesen EKW. Sie bilden eine Momentaufnahme des zweiten Halbjahres 2021. Die EKW wird die Situation im Rahmen ihres Mandats weiter beobachten. mehr lesen 
Verbände Bern - Um den Herausforderungen der saisonbedingten Arbeitslosigkeit und des Fachkräftemangels im ... mehr lesen  
Durch die Massnahme sollten Saisonmitarbeitenden im Gastgewerbe Ganzjahresperspektiven geboten werden.
Private Radio- und Fernsehveranstalter werden mit 30 Millionen Franken aus der Radio- und Fernsehabgabe direkt unterstützt.
57.5 Millionen Franken für entgangene Werbeeinnahmen  Bern - Die Coronavirus-Pandemie trifft die Medien hart. Ihre Werbeeinnahmen sind bereits drastisch ... mehr lesen  
Reaktionär  Bern - Gegen die geplante Stiefkindadoption für Homosexuelle regt sich Widerstand. Sollte das Parlament das neue Adoptionsrecht in der vorliegenden Form verabschieden, ... mehr lesen 3
Reaktionäre Kräfte schliessen sich für das Referendum zusammen, mit dabei auch EDU-Präsident Hans Moser.
Titel Forum Teaser
  • melabela aus littau 1
    es geht nicht nur um homosexuelle ich bin eine frau und verheiratet mit einem mann. leider betrifft es ... So, 14.08.16 13:18
  • Pacino aus Brittnau 731
    Kirchliche Kreise . . . . . . hatten schon immer ein "spezielles" Verhältnis zu ... Do, 09.06.16 08:07
  • Kassandra aus Frauenfeld 1781
    Das wird die Deutschen aber traurig machen. Wenn man keinen Flughafen und keinen Bahnhof ... Mi, 08.06.16 17:49
  • Pacino aus Brittnau 731
    Demokratie quo vadis? Wenn die Demokratie den Stacheldraht in Osteuropa-, einen Wahlsieg von ... Mo, 06.06.16 07:55
  • zombie1969 aus Frauenfeld 3945
    Es... muss darum gehen, die Kompetenz der Kleinbauern zu stärken. Das sorgt ... Do, 02.06.16 13:07
  • Kassandra aus Frauenfeld 1781
    Kindeswohl egal! Es geht doch vor allem um die eigenen Kinder der Betroffenen. Die ... Do, 02.06.16 08:10
  • Kassandra aus Frauenfeld 1781
    Verlust der Solidarität: Verlust der Demokratie! Vollständig und widerspruchsfrei beantworten lässt sich das wohl nicht. ... Mi, 01.06.16 00:18
  • zombie1969 aus Frauenfeld 3945
    Unterstützung "Deshalb sind für die Sozialhilfe 267 Millionen Franken mehr und für ... Di, 31.05.16 10:38
 
Stellenmarkt.ch
Kreditrechner
Wunschkredit in CHF
wetter.ch
Heute Fr Sa
Zürich 0°C 12°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt wolkig, aber kaum Regen
Basel 5°C 14°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wolkig, aber kaum Regen wolkig, aber kaum Regen
St. Gallen 1°C 9°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig freundlich wechselnd bewölkt
Bern 0°C 11°C starker Schneeregenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig freundlich wolkig, aber kaum Regen
Luzern 1°C 12°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt wolkig, aber kaum Regen
Genf 5°C 13°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt wolkig, aber kaum Regen
Lugano 6°C 10°C wechselnd bewölkt, Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig anhaltender Regen anhaltender Regen
mehr Wetter von über 8 Millionen Orten