Mimi, Mama, und wir

publiziert: Montag, 12. Sep 2011 / 13:09 Uhr
Computergraphik des Mimivirus: Mit Bakterium verwechselt.
Computergraphik des Mimivirus: Mit Bakterium verwechselt.

Wissen Sie, was eigentlich «Leben» ist? Nein, nicht das gute Leben, dass man in einer von einer Nonna geführten toskanischen Pension geniessen kann, sondern «Leben» im biologischen Sinn. Falls Sie eine gute, allgemeingültige Definition kennen, melden Sie sich bei der nächsten biologischen Fakultät, denn Biologen haben selbst immer mehr Mühe mit der Definition dieses so «harmlosen» Begriffs.

1 Meldung im Zusammenhang

Schuld daran sind Mimivirus und Mamavirus, zwei im Wasser von Kühltürmen entdeckte Viren, die alles, was bis dahin von diesen gedacht wurde, über den Haufen warfen und die Grenze zwischen Leben und Nicht-Leben nachhaltig aufweichten.

Dass die beiden Viren nicht schon vor langem entdeckt wurden, liegt an ihrer schieren Grösse, welche Forscher die nach neuen Viren suchten, Mama und Mimi ausfiltern liessen, bevor sie ihre Objekte unterm Mikroskop untersuchten. So verbrachte der Mimivirus 10 Jahre im Tiefkühler, weil er bei der ersten Betrachtung als neues Bakterium klassifiziert wurde. Erst als Forscher 2002 versuchten, diese Exemplare genauer zu untersuchen und die Zellwand aufzulösen, wie man dies bei Bakterien eben so macht, stellte sich heraus, dass dies gar nicht ging, weil es keine Zelle, sondern ein ikosahedrisch aufgebauter Riesenvirus war.

Der Mimivirus verfügt über Mechanismen, die sonst in Viren unbekannt und nur in den Zellen von Bakterien und Mehrzellern gefunden werden, so auch Gene zum kodieren der Synthese von Nukleotiden und Aminosäuren, Funktionen, die sogar manchen Bakterien abgehen. Zwar benötigt der Mimivirus (der Amöben befällt) wie andere Viren auch immer eine Gastzelle zur Vermehrung, aber seine Komplexität stellte andere Viren weit in den Schatten.

Zumindest bis einige Jahre später Mamavirus entdeckt wurde. Dieser übertraf sogar die ca. 600 nm des Mimivirus und zeichnete sich durch eine weitere Eigenschaft aus, die sonst nur Lebewesen mit Zellen für sich in Anspruch nehmen können: Er kann von einem Virus befallen werden.

Anders gesagt: Der Virus kann sich erkälten, doch die Folgen sind für ihn Schlimmer als wenn uns der Schnupfen befällt. Der «Sputnik» genannte Virophage verursacht beim Mamavirus verkrüppelte und weniger Nachkommen, wobei dies natürlich alles wiederum in einer Gastzelle - auch hier einer Amöbe - stattfindet.

Und was hat das mit uns zu tun? Momentan wird von drei grossen Familien des Lebens auf der Erde geredet: Archaeen, Bakterien und Eukaryoten. Bakterien und Archeen werden zusammen als Prokaryoten bezeichnet, Lebewesen, die zwar extrem anpassungsfähig und in der Lage sind an extremsten Orten zu existieren, von ihrer Erscheinung her aber fast keine Variationen kennen. Nur die Myxobakterien haben es an die Grenze zur Mehrzelligkeit geschaft. Die Eukaryoten hingegen - zu denen Pflanzen, Pilze, Fische, Reptilien und auch wir Säugetiere gehören - schafften es, dank Zellkernen und durch mit Membranen separierten Organellen, mehrzellig zu werden und in unzählige Formen zu diversifizieren.

Eines der Rätsel der Evolution ist immer noch jenes, wie der Zellkern in die Zelle kam. Anhand von Gensequenzen ist unterdessen klar, dass die Familie der Mimiviridae, zu denen Mama- und Mimivirus gehören, stammesgeschichtlich sehr alt und mit, wenn nicht gar vor, den ersten Einzellern entstanden ist. Zudem finden sich im Mamavirus einige Merkmale, die stark an solche von eukaryotischen Zellkernen erinnern, so dass nun ernsthaft die Frage gestellt wird, ob wohl nicht vor Äonen einmal ein Riesenvirus eine Bakterie gekapert hat, aber dann, statt diese krank zu machen, eine Symbiose mit dieser eingegangen ist und so die erste eukaryotische Zelle entstehen liess - mithin unser aller Vorfahre.

Sollte sich diese Hypothese weiter erhärten, müssten wir die von uns so gehassten Viren (von denen die allermeisten übrigens harmlos sind) in einem völlig neuen Licht betrachten - es wären absurderweise jene Erbgutpakete, denen wir bis vor kurzem absprachen, zu den Lebewesen zu gehören, die komplexes, vielgestaltiges Leben auf unserem Planeten erst möglich gemacht haben.

(et/news.ch)

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Wir könnten ohne Bakterien in unserem Körper nicht existieren. Es gäbe unter anderem auch keine Milch oder Milchprodukte ohne diese Symbiose.
http://www.bauernhof.net/kuehe/verdauung/index.html

Schon Orson Wells wusste, dass die Kleinstorganismen die eigentlichen Herrscher der Welt sind.

So nebenbei.
Mücken sind für den Menschen die tödlichsten aller Lebewesen.
Elefanten sind dagegen harmlos.
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