Zum Energiesparen bewegen

Mit IT und Psychologie zu einer energieeffizienten Gesellschaft?

publiziert: Montag, 18. Feb 2013 / 11:06 Uhr / aktualisiert: Dienstag, 19. Feb 2013 / 08:04 Uhr
Dr. Thorsten Staake ist Leiter des «Bits to Energy Lab» und Oberassistent am Lehrstuhl für Informationsmanagement der ETH Zürich.
Dr. Thorsten Staake ist Leiter des «Bits to Energy Lab» und Oberassistent am Lehrstuhl für Informationsmanagement der ETH Zürich.

Als wir vor sechs Jahren das «Bits to Energy Lab» an der ETH Zürich und der Universität St. Gallen ins Leben riefen, galt unser Vorhaben als exzentrisch: Wir wollten Menschen mit Hilfe von intelligenten Verbrauchsanzeigen zum Energiesparen bewegen. Haben wir unser Ziel erreicht?

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Unser Vorhaben widersprach dem damaligen Paradigma, nach dem der rational handelnde Homo Oeconomicus durch die blosse Vermittlung von Verbrauchsinformationen und Handlungsempfehlungen automatisch das richtige Verhalten an den Tag legen würde. Nein, wir wollten in den künftig allerorts digital verfügbaren Verbrauchsdaten der Strom-, Wasser-, Wärme- und Kraftstoffnutzung automatisiert Verhaltensmuster erkennen. Und daraus wollten wir wirklich motivierende Interventionen ableiten, indem wir die teilweise irrationalen aber vorhersagbaren Verhaltensweisen der Konsumenten berücksichtigten.

Wir wollten mehr als «nur» Strom sparen

Unser erklärtes Ziel war, auch die wenig interessierten Konsumenten zum Energiesparen zu bewegen. Denn eines war klar: Die damaligen Smart-Metering-Portale und Verbrauchsanzeigen (Inhome-Displays) führten nur zu marginalen Energieeinsparungen- und das trotz hoher Kosten für die IT-Infrastruktur und noch höherer Erwartungen an die Technologie.

Immer, wenn Studien von grösseren Effekten berichteten, stellte sich bei näherem Hinsehen heraus, dass die Betrachtungszeiträume zu kurz gewählt waren oder starke Selektionseffekte zur Rekrutierung besonders motivierter Studienteilnehmer geführt hatten: Durchschnittlich interessierte oder gar desinteressierte Haushalte fehlten. Dabei sollte Energieeffizienz doch zu einem Massenphänomen werden!

Auch wollten wir mehr als «nur» Strom sparen. Strom macht lediglich rund ein Viertel der Energie im Haushaltssektor aus, aber Raumwärme und Warmwasser war selten eine Zielgrösse der Sparkampagnen. All das wollten wir ändern.

Haben die Forschungsergebnisse den gewünschten Fortschritt gebracht?

Sechs Jahre und zahlreiche Feldstudien später lohnt der Blick zurück. Was haben wir und das mittlerweile stark gewachsene Forschungsgebiet der verhaltensbeeinflussenden Informations- und Kommunikationstechnologie erreicht?

Nun, viele Details verstehen wir nun besser, und einige Anwendungen haben es von der Forschung bis zur Markteinführung geschafft. Zum Beispiel können wir nun die Wirkung von Feedback-Systemen durch eine geschickte Kombination von deskriptivem Feedback («das machen andere») und disjunktivem Feedback («das finden andere gut/schlecht») steigern und deutlich mehr Konsumenten dauerhaft für das Thema interessieren - ohne zusätzliche Kosten für den Aufbau und den Betrieb der Systeme.

Bedeutend sind auch die Ergebnisse zur Wirkung von unmittelbarem Feedback: Bei der Ressourcennutzung, etwa beim Warmwassergebrauch in der Dusche, lassen sich durch Echtzeit-Verbrauchsanzeige unmittelbar Ressourcen einsparen. Das Interessante daran: Die eigens dafür entwickelten Geräte passen, wegen der standardisierten Schlauchanschlüsse, an viele hundert Millionen Armaturen.

Auch wissen wir nun mehr über die (vielfältige) Motivation eines energieeffizientes Verhaltens. Monetäre Einsparungen scheinen - zumindest in der Schweiz - nicht das zentrale Motiv einer Verbrauchsreduktion zu sein. Hier sind die Ausnutzung sozialer Normen, des Wettbewerbsgedankens, etc. meist kosteneffizienter.

Kurzum: In vielen relevanten Bereichen können wir nun einige Prozent an Energie zusätzlich einsparen - und das, ohne grossen Aufwand betreiben zu müssen.

Macht Kleinvieh auch Mist?

Verhaltensbeeinflussende Technologien sind universell anwendbar und können sehr viele Akteure erreichen. Die Energielücke schliesst sich durch die zahlreichen kleinen Verbesserungen allerdings nicht: Wenn viele Personen ihren Lebenswandel ein wenig ändern und dadurch ein wenig Energie sparen, reduziert sich auch der Gesamtenergieverbrauch nur wenig1. Um die ambitionierten Energiesparziele zu erreichen, braucht es mehr als nur marginale Verhaltensänderung - hierzu fehlt aber (noch?) die Bereitschaft in Gesellschaft und Politik.

Hinzu kommt der Rebound-Effekt: Wer Energie spart, spart meist auch Geld. Und eingespartes Geld ist gleichzusetzen mit einem höheren verfügbaren Haushaltseinkommen. Das wiederum führt zu höheren Ausgaben für zumindest zum Teil energieintensive Tätigkeiten: Wegen des reduzierten Benzinverbrauchs bleibt mehr Geld für den Städtetrip mit dem Flugzeug.

Es lassen sich weitere unerwünschte Nebenwirkungen nachweisen: Eine Anstrengung in einem (Energie-)relevanten Bereich kann zu einem sorglosen Verhalten an anderer Stelle führen. Eine Feldstudie hat jüngst aufgezeigt, dass Personen, die erfolgreich Warmwasser einsparen, dies mitunter durch einen steigenden Stromverbrauch kompensieren - auch wenn Einkommenseffekte oder technischen Zusammenhänge zwischen Wasser und Strom im gegebenen Fall fehlten. Ist also alles vergebens?

Mit Feedback-Technologien kommt Energie auf die Tagesordnung

Nein, denn mit den genannten Ansätzen wie dem unmittelbaren Feedback motivieren wir wichtige Energieeinsparungen und fördern einen bewussten Konsum. Dadurch alleine schaffen wir die Energiewende auf keinen Fall; allerdings gibt es positive Seiteneffekte: Energieeffizienz steht damit häufiger auf der Tagesordnung, Energieversorger belohnen Einsparungen, Unternehmen entdecken das Interesse ihrer Kunden am eigenen Verbrauch, junge Energieeffizienz-Startups etablieren sich auf dem Markt. Kurz: Energieeffizienz findet immer häufiger den Weg in die Anwendung.

Auch wenn uns die Feedback-Technologien alleine nicht retten: Auch wenige Prozentpunkte bei der Effizienzsteigerung bringen uns weiter. Der Prozess des Umdenkens ist aber sicherlich das wichtigere Resultat.

1 John Thøgersen und Tom Crompton haben es in ihrem Aufsatz «Simple and painless?» so formuliert: «The comfortable perception that global environmental challenges can be met through marginal lifestyle changes no longer bears scrutiny. The cumulative impact of large numbers of individuals making marginal improvements in their environmental impact will be a marginal collective improvement in environmental impact.»

(Dr. Thorsten Staake/ETH-Zukunftsblog)

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