Mitleid mit den Mördern

publiziert: Donnerstag, 7. Jul 2005 / 15:41 Uhr / aktualisiert: Freitag, 8. Jul 2005 / 16:42 Uhr

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Der Mann heisst Angelo Power. Er ist den Tränen Nahe. Noch vor Kurzem war er sicher, dass sein Leben jeden Moment enden würde. Dass er in einer Londoner U-Bahn entweder verbrennen, in der Dunkelheit an Rauch ersticken oder von den Stromschienen auf der Flucht aus dem Waggon elektrifiziert würde. Dies schienen seine einzigen Optionen in den Minuten des Schreckens zu sein.

Doch nun steht er da. Zitternd, bleich, von seinem Morgen des Schreckens gezeichnet, sein Anzug und seine immer noch tadellos sitzende Krawatte geschwärzt vom Rauch, der die U-Bahn nach der Explosion füllte. Um ihn herum Reporter, in deren Mikrophone er seine Geschichte des Grauens spricht.

Es ist klar, dass der Mann soeben durch seine persönliche Hölle gegangen ist, eine Hölle, die ihn bis zu seinem Lebensende begleiten wird. Die Frage, die nun - am Ende des Interviews - gestellt wird, scheint logisch zu sein. Man sagt ihm, dass es vermutlich ein Terroranschlag gewesen sei und fragt was er von den Leuten halte, die diesen Anschlag verübt hatten.

Was nun kam erstaunte alle. Denn Mr. Power begann nicht, die Terroristen zu verfluchen. Zuerst sagte er, als Rechtsanwalt müsse er mit dem Urteil warten, bis die Beweise vorlägen. Aber generell habe er Mitleid mit den Tätern.

Der Reporter konnte es nicht fassen: "Mitleid?"

Angelo Power: "Ja, für Menschen, die solche Scheusslichkeiten begehen können, muss man Mitleid haben." Dann wandte er sich ab und liess die verblüfften Medienleute zurück.

Doch Mr. Power hat natürlich recht. Ein zivilisierter Mensch, und ein solcher ist auch Angelo Powers, muss Menschen, die so primitiv und menschenverachtend handeln, erbärmlich finden. Sich zu ähnlich primitivem Hass mitreissen zu lassen, der diese Mörder antreibt, würde einen auf das gleiche Niveau bringen. Mitleid hingegen ist das Letzte, was diese Killer wollen. Sie wollen Angst, Ehrfurcht, Panik – sie wollen göttliche Macht in ihrem Handeln sehen.

Stattdessen bekommen sie Mitleid von einem, den sie fast getötet hätten. Von einem, der sich vor ihnen fürchten müsste. Aber das sind sie: erbärmlich. Primitiv. Und unendlich dumm, ganz egal wie clever sie bei ihren Morden auch vorgehen mögen.

Die Ruhe, mit der die Engländer diesen Anschlag auf sich und ihre Leben hinnehmen, zeigt, dass nicht nur Mr. Powers, sondern auch sehr viele Briten diesen Anschlag eher erbärmlich als erschreckend finden. Dass dies nicht die gewünschte Reaktion ist, dürfte wohl klar sein und so ist es vermutlich das genau Richtige, was die Engländer nun machen.

Die steife Oberlippe bewahren und den Bastarden nicht das geben, was sie wollen. Höchstens ein wenig Verachtung und sehr viel Mitleid.

(von Patrik Etschmayer/news.ch)

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