Neuer jugoslawischer Präsident residiert in zwei Zimmern

Um ins Haus zu kommen, genügt ein Klingeln an der Gegensprechanlage. Über Marmortreppen und vorbei an bunten Mosaiken geht es in den vierten Stock, bis auf einer dunklen Holztür in kyrillischen Lettern der Name «Kostunica» prangt. Nach Angaben der Nachbarin wohnt das Ehepaar Kostunica seit über 20 Jahren in der Zwei-Zimmer-Wohnung.

Dass ihr Nachbar seit zwölf Tagen das höchste Amt im Staate bekleidet, macht die grauhaarige alte Frau nach eigenem Bekunden «sehr glücklich». Schliesslich seien sowohl Kostunica als auch seine Frau immer sehr freundlich. «Wenn der Aufzug kaputt ist, tragen sie sogar meine Einkaufstasche herauf.»

Die neue First Lady trägt nicht nur die Einkaufstasche der Nachbarin, sondern auch ihre eigenen Taschen - und selbst ihren Abfallsack wirft die 54-Jährige nach den Worten der Nachbarin selbst in den Container.

Schliesslich hat Zorica Kostunica, Dozentin am Institut für Rechtswissenschaften, nach Angaben eines guten Freundes keine Haushalthilfe. Das würde sich auch kaum lohnen: Die Wohnung besteht aus Esszimmer, Schlafzimmer und Küche. Daneben besitzt das Paar ein Ferienhaus auf dem Land, das früher Kostunicas Vater gehörte.

Die Wohnung in Belgrad teilen sich die Kostunicas mit einem Hund und zwei Katzen - und nicht mit 19 Katzen, wie Milosevic-treue Medien nach Angaben von Nachbarin Stojkovic im Wahlkampf behaupteten. Damit wollte Milosevic seinen Herausforderer diskreditieren.

Bisher konnte die Rentnerin Stojkovic nur Zorica Kostunica zum neuen Ruhm gratulieren. Auf den Präsidenten selbst wartet sie seit seinem Amtsantritt vergeblich. «Ich gehe früh zu Bett, und er kommt immer erst spät nach Hause.»

Irgendwann wird sie wahrscheinlich doch noch Gelegenheit dazu finden. Kostunica erklärte erst kürzlich öffentlich, in der Gospodar Jevremova-Strasse Nr. 58 wolle er weiterhin wohnen. Zudem gibt es keine Anzeichen dafür, dass Ex-Präsident Slobodan Milosevic seine schwer bewachten Luxusvillen im noblen Stadtteil Dedinje räumt. Und seine Hauptresidenz, der Wohnsitz des ehemaligen Präsidenten Josip Tito, wurde bei den NATO-Angriffen im vergangenen Jahr beschädigt.

(sda)