Nichts ist wie es scheint

publiziert: Donnerstag, 8. Apr 2010 / 16:41 Uhr

Shakespeares «Was ihr wollt» ist ein Theaterstück, in dem närrische Liebessuchende auf die krachende Karnevalszeit treffen und in einem Desaster voller Verwechslung und Verwirrung doch noch Klarheit finden.

Pressebild Theater St. Gallen
Pressebild Theater St. Gallen

Gelangweilte Gestalten schreiten phantomähnlich über das Bühnenbild und legen ihre Badetücher auf den gräulich schwarzen Matten aus. Verstärkt durch die eintönige Darstellung des fiktiven illyrischen Strandes liegt staubtrockener Alltag in der Luft. Dies ändert sich jedoch ruckartig, als ein glockenähnliches Signal die Bademenschen erinnert, dass ab diesem Moment zwölf Tage wilde Karnevalszeit über die Insel fegen wird. Kostümwechsel von normalen Strandoutfits zu aufwendigen, bunten Faschingskleidern (Kostüme: Natascha Maraval) verwandeln den Schauplatz von Grund auf.

Liebeschaos

Ohne diesen festlich gestimmten Ort zu kennen, schleppt sich in diesem Moment die junge Viola (Boglárka Horváth) aus dem Wasser. Sie erlitt einen tragischen Schiffbruch, bei dem ihr Bruder Sebastian (Hannes Perkmann) angeblich sein Leben liess. In Männerkleidung und unter dem Namen «Cesario» nähert sich Viola dem Inselleben an. Kurzerhand beschliesst sie dem Herzog Orsino (Alexandre Pelichet) zu assistieren. Ihre Aufgabe besteht darin, seine Liebesbotschaften seiner Angebeteten, Olivia (Annette Wunsch), zu übermitteln. Diese interessiert sich aber herzlich wenig für den Herzog, findet jedoch Gefallen an dem vermeintlichen Knaben Cesario. Viola wiederum hegt heimlich Gefühle für Orsino. Diese simple Verwirrungsstory wird begleitet von weiteren unglücklich Verliebten und fiesen Intrigen. Das Auftauchen des tot geglaubten Bruders treibt die Verwechslungen auf die Spitze.

Aufhebung von Norm

Während der Karnevalszeit können sich Menschen jeglicher Schichten hinter Masken verstecken und in andere Persönlichkeiten schlüpfen. Die Hemmschwelle wird dabei herunter gesetzt, was nicht selten in einem ruppigen Besäufnis endet. Auch in «Was ihr wollt» lassen sich die Menschen von ihren Trieben leiten. Eine Gruppe verkleideter Inselbewohner (Statisterie) zieht sich als roter Faden durch das ganze Stück. Ihr närrisches Karnevalstreiben bietet jedoch auch bittere Wahrheit: Als eine der verkleideten Frauen körperlich belästigt wird, bemerkt der Zuschauer, wie schnell die Stimmung umschlagen kann. Ähnlich ist eine Intrige der Hofdame Maria (Bettina Schwarz) und ihren Gehilfen, die auf Kosten des Haushofmeisters Malvolio ausgeht (Bruno Riedl). Einerseits ist diese Szene höchst amüsierend, andererseits thematisiert sie die enorme Demütigung des Opfers. Dadurch wird ersichtlich, dass Menschen oft schlecht abschätzen können, wie weit sie gehen dürfen und ab wann sie verletzen. Leider wird dieses Phänomen nur sekundär thematisiert, dabei hätte es dem Stück etwas mehr Tiefe verleihen können.

Amors Rose

Die grosse Bedeutung der Liebe in «Was ihr wollt» wird bereits am Anfang offensichtlich, als der liebestrunkene Orsino Amor spielt und mit «Rosen und Bogen» schiesst. Vergleichbar mit der ansteckenden Faschingszeit hat auch die Liebe beinahe jeden der Insel erwischt. Wer jedoch eine reine und tiefe Liebe wie aus Shakespeares Tragödie «Romeo und Julia» erwartet, liegt hier falsch. Den Protagonisten ist es egal, welchen Partner sie haben. Beispielhaft dafür ist der anfänglich unsterblich verliebte Orsino, der sich plötzlich in die als Mann verkleidete Viola verguckt. Nebenbei wird dieses Geschlechterchaos von Ironie begleitet, denn zu Shakespeares Zeiten waren nur Männer als Schauspieler tätig. Dies hat zur Folge, dass in der Originalversion ein Mann Viola spielte, die sich während dem Stück wiederum als Mann verkleidet. Die ohnehin verwirrende Maskerade wurde dadurch zum belustigenden Spektakel.

Shakespeares Zeitlosigkeit

Obwohl Shakespeare (1564- 1616) ein Regisseur, Lyriker und Autor des 16. und 17. Jahrhunderts ist, sind seine Werke stets zeitgemäss. Das Stück «Was ihr wollt», auch unter dem Namen «Zwölfte Nacht» bekannt, ist für diese Allgegenwärtigkeit beispielhaft. Illyrien könnte seinen Platz überall finden, heute, wie früher und wohl auch noch in der Zukunft. Liebessuchende Menschen, Karneval und betrunkene Taugenichtse machen Shakespeares Komödie zu einem zeitlosen Theaterstück, das unter der Regie von Marcelo Díaz und der Übersetzung von Erich Fried zweifellos in die heutige Zeit passt. Goldige Speedos und Lollipops sorgen nicht nur für Gelächter, sie schlagen eine Brücke zwischen Shakespeares Stück und unserer Zeit. Trotzdem wirkt die Inszenierung nicht vollständig modernisiert. Sprache wie auch Handlung haben ihren ursprünglichen Charakter teilweise beibehalten.

Originalität und Humor

Das ganze Stück sprüht von kreativen Einfällen und originellen Ideen. Besonders auffallend ist dabei das überdimensionale Papierschiff (Bühne: Tobias von Wolffersdorff), in dem die Musiker (Willi Häne und Sébastian Schiesser) mit ihren Instrumenten über das Wasser gleiten. Neben einfallsreicher Bühne und Kostümen halten vor allem Wortwitze und überspitzte Szenen das Publikum bei Laune.

Speziell gelingt es Bettina Schwarz, die im Stück als Hofdame Maria auftaucht, mit ihrem authentischen Lachanfall die Zuschauer mitzureissen und anzustecken. Leider geniessen nicht alle Szenen einen derartigen Erfolg, denn manchmal ist Humor eben auch Geschmacksache, obwohl «Was ihr wollt» sicherlich für jeden etwas hergibt, da es ein breites Publikum anspricht. Am Ende sollte der Zuschauer das Stück nicht immer so ernst nehmen und sich schlichtweg den Witzen, der lockeren Stimmung und dem Liebeschaos hingeben. Zumindest im Stück selbst bekommen alle, was sie wollen. – Jedenfalls die Meisten.

(Angelika Edelmann)

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