Rad: Cancellara als Romandie-Leader entthront

Offensichtlich haben die Veranstalter der Tour de Romandie nicht die besten Verbindungen zum Wettergott. Ein weiteres Mal war die Fahrt in den Jura von schlechtem Wetter begleitet. Die Fahrer übten ihren Beruf unter einem Dauerregen aus, und teilweise waren die Windböen so stark, dass die Befürchtung aufkam, sie würden vom Rennvelo geweht.

Ein einziger Radprofi bekundete trotz den misslichen Bedingungen Unternehmunglust. Simone Bertoletti entwischte dem Feld nach 6 km. Der 28 Jahre alte Italiener holte während seiner Solofahrt über 150 km bis zu einer Viertelstunde Vorsprung heraus. Über die Jura-Höhen schwand seine Marge, wie das Regenwasser talwärts strömte. 1:09 Minuten Reserve rettete der mutige Italiener dank seiner klug eingeteilten Vorausfahrt ins Ziel, womit der 96. des Prologs zugleich die Leaderposition übernahm.

Frigo einmal abgehängt

An der Spitze des Feldes spurtete sogar Fabian Cancellara mit, um noch einige Bonfikationssekunden mitzunehmen. Vergeblich. Der Berner erreichte zwar den respektablen 5. Rang, musste das Leadertrikot aber nach nur 24 Stunden wieder abgeben. Cancellaras Equipe hatte im Final zusammen mit den Fahrern von CSC (Tyler Hamilton) und Phonak die Gangart des Feldes bestimmt, um zu verhindern, dass Bertoletti mit einem Riesenvorsprung ein Überraschungscoup gelingen würde. Weil das Tempo des Feldes regelmässig blieb und am Schluss Attacken ausblieben, kam es nicht zu der von den Streckenbauern erhofften Selektion. Immerhin war in der ersten Steigung Dario Frigo, Sieger der letzten beiden Austragungen der Tour de Romandie, leicht distanziert worden. Der Italiener vermochte aber wieder zum Feld aufzuschliessen.

Wenige Minuten nach dem Start rollte Simone Bertoletti an der Seite seines Teamkollegen Mariano Piccoli. "Greif an!" riet ihm dieser. "Bist Du verrückt?" lautete die Reaktion Bertolettis. Dennoch befolgte er den Ratschlag und wurde für seinen Mut mit dem wichtigsten Erfolg in seiner Laufbahn als Helfer belohnt. In seinem zweiten Profijahr entschied der Athlet aus Mantua eine Etappe der Polen-Rundfahrt für sich. Doch in den ersten drei Jahren als Berufsfahrer kam Bertoletti zu wenig Renneinsätzen, weil er an Knieproblemen litt, die chirurgische Interventionen nötig machten.

Einst Helfer Camenzinds

1999 wechselte der Italiener zu Lampre, wo er sich unter anderem in den Dienst Oscar Camenzinds stellte, als dieser noch bei dieser italienischen Sportgruppe unter Vertrag stand. Vor zwei Jahren assistierte der neue Romandie-Leader Gilberto Simoni bei dessen Giro-Triumph. "Mit einem solchen Sieg hätte ich nie gerechnet", erklärte Simonetti in Fleurier, dem in seiner Rolle als Gregario offensichtlich wohl ist.

Kein Zweifel, dass Simone Bertoletti ein Leader auf Zeit ist. Der Italiener, der zu Beginn der Saison in der UCI-Rangliste auf Platz 682 geführt wurde, wird spätestens morgen Freitag im Schlussaufstieg nach Leukerbad vor einer unlösbaren Aufgabe stehen. Gefordert ist seine Mannschaft Lampre aber schon heute. Das zweite Teilstück über 178 km von Couvet nach Lucens bietet den Sprintern die einzige Gelegenheit dieser Rundfahrt, ihre Endschnelligkeit unter Beweis zu stellen. In Jan Svorada hat die Squadra einen ernsthaften Anwärter auf diesen Etappensieg.

von Toni Nötzli, Fleurier

Resultate

57. Tour de Romandie. 1. Etappe, Genf - Fleurier (182 km): 1. Simone Bertoletti (It) 4:47:41 (37,937 km/h), 10 Sekunden Bonifikation. 2. Gerrit Glomser (Ö) 1:09, 6 Sek. Bon. 3. Eddy Mazzoleni (It), 4 Sek. Bon. 4. Wladimir Belli (It). 5. Fabian Cancellara (Sz). 6. Carlos Sastre (Sp). 7. Jaroslaw Popowitsch (Ukr). 8. Rui Sousa (Por). 9. Massimiliano Lelli (It). 10. Andrea Noé (It).

11. Egoi Martinez (Sp). 12. Haimar Zubeldia (Sp). 13. Iker Flores (Sp). 14. Ruslan Iwanow (Mold). 15. Aitor Gonzalez (Sp). 16. Gorka Gonzales (Sp). 17. Wolodimir Bileka (Ukr). 18. Alberto Martinez (Sp). 19. Oscar Pereiro (Sp). 20. Tyler Hamilton (USA).

21. Georg Totschnig (Ö). 22. Inigo Chaurreau (Sp). 23. Davide Frattini (It). 24. Santiago Perez (Sp). 25. Txema Del Olmo (Sp). 26. Laurent Dufaux (Sz). 27. Fabian Jeker (Sz). 28. Dario Frigo (It). 29. Bingen Fernandez (Sp). 30. Alex Zülle (Sz).

Ferner die weiteren Schweizer: 33. Pierre Bourquenoud. 38. Alexandre Moos. 39. Sven Montgomery. 44. Steve Zampieri. 47. Marcel Strauss, alle gleiche Zeit. 61. Daniel Schnider 8:46. 66. Patrick Calcagni. 78. Rubens Bertogliati, beide gleiche Zeit. 97. Pietro Zucconi 12:52. 100. Elmiger, gleiche Zeit. -- 122 gestartet, 120 klassiert.

Gesamtklassement: 1. Bertoletti 4:52:12. 2. Cancellara 1:01. 3. Moos 1:03. 4. Dufaux 1:04. 5. Pereiro 1:05. 6. Alberto Martinez 1:06. 7. Hamilton, gleiche Zeit. 8. Glomser 1:07. 9. Zülle 1:08. 10. Mazzoleni 1:09.

11. Gonzalez, gleiche Zeit. 12. Marco Velo (It) 1:10. 13. Zubeldia, gleiche Zeit. 14. Sastre 1:12. 15. David Moncoutié (Fr) 1:13. 16. Popowitsch, gleiche Zeit. 17. Perez 1:14. 18. Inigo Cuesta (Sp). 19. Gonzales, beide gleiche Zeit. 20. Montgomery 1:15.

21. Juan Horrach (Sp). 22. Sousa. 23. Iwanow, alle gleiche Zeit. 24. Nicki Sörensen (Dä) 1:16. 25. Frigo. 26. Frattini. 27. Flores, alle gleiche Zeit. 28. Unai Etxebarria (Ven) 1:17. 29. Manuel Calvente (Sp). 30. Roberto Laiseka (Sp), beide gleiche Zeit.

Ferner: 32. Zampieri, gleiche Zeit. 33. Jeker 1:18. 43. Bourquenoud 1:23. 45. Strauss, gleiche Zeit. 56. Schnider 8:47. 59. Bertogliati 8:50. 79. Calcagni 9:02. 110. Zucconi 13:14.

(bert/sda)