Rad: Phonak - Grosse Begeisterung um Tyler Hamilton

Die Miene von Phonak-Verwaltungsratspräsident Andy Rihs korrespondierte nicht mit dem Wetter im Tessin: Der Regen fiel unaufhörlich, Rihs strahlte. Am Dienstag hatte er die Geschäftswelt darüber unterrichtet, dass seine Gruppe in den ersten sechs Monaten des Geschäftsjahres den Umsatz um 13 Prozent steigern konnte und der Betriebsgewinn um über 50 Prozent auf 30 Mio Franken zunahm. Und auf sportlichem Gebiet konnte Rihs nun seine neue Truppe vorstellen, die ihm im nächsten Jahr helfen soll, mit der Teilnahme an der Tour de France seinen grossen Traum zu verwirklichen.

"Natürlich betreiben wir Marketing. Das können wir über sportliche Ziele erreichen, und offensichtlich zeitigen unsere Anstrengungen günstige Auswirkungen", erklärte Rihs, dessen Optimismus kaum zu bremsen ist. "Die Teilnahme an der Tour darf keine Diskussion mehr darstellen. Wir sind dabei. Und in der übernächsten Saison gehören wir zu den 20 weltbesten Teams, die in der neu zu schaffenden Rennserie der UCI dabei sind", erklärte der Chef des Hörgeräte-Unternehmens. Vorderhand zählt Phonak aber noch nicht zu jenen 16 Sportgruppen, die einen Startplatz in der Tour auf sicher haben. Der Entscheid fällt am 1. März.

Um das grosse Ziel zu verwirklichen, ist die Mannschaft im Hinblick auf ihre fünfte Saison erheblich umgebaut worden. Mit der Verpflichtung des US-Amerikaners Tyler Hamilton (Nummer 11 der Weltrangliste) und des spanischen Kletterers Oscar Sevilla sind den Verantwortlichen zwei grosse Würfe gelungen. Der Haudegen Hamilton, wegen seinen Leistungen und seinen Knochenbrüchen in seinem Heimatland beinahe ebenso bekannt wie Lance Armstrong, begründet seinen Weggang von CSC damit, dass er sich weiter verbessern und vor allem einen Platz auf dem Tour-Podium erreichen wolle: "Ich habe mich bei CSC sehr wohl gefühlt, und ich verdanke dessen sportlichem Leiter Bjarne Riis viel. Ohne ihn wäre ich nicht da, wo ich heute stehe. Um mich aber noch mehr zu steigern, benötige ich eine Mannschaft, in der ich in der Tour der alleinige Captain bin und in der alle hinter mir stehen, damit ich mein grosses Vorhaben erreichen kann."

Nach einer langen Saison, in der er im Frühjahr als Sieger des Ardennen-Klassikers Lüttich - Bastogne - Lüttich geglänzt hatte, und nach seiner Vorstellung in der Tour hatte Tyler Hamilton im Oktober abgeschaltet und sich anderen sportlichen Aktivitäten sowie dem Yoga unter der Anleitung eines persönlichen Trainers hingegeben. Seit dem Sonntag weilte er bei seinen neuen Teamkollegen im Tessin. Hamilton zeigte sich begeistert: "Die ganze Mannschaft ist hungrig und hoch motiviert, was so kurz nach Abschluss der Saison nicht ganz selbstverständlich ist. Vom Jüngsten wie Johann Tschopp bis zu einem Routinier wie Alex Zülle habe ich das Feuer in den Augen brennen sehen."

Bei diesem Zusammenzug des neuen Phonak-Teams standen nicht die Vorbereitung auf die neue Saison im Vordergrund. Vielmehr ging es darum, sich kennen zu lernen und einen Teamgeist zu finden. Dass die Mannschaftsfoto im Tresor einer Tessiner Bank in Luano geschossen wurde, mag dabei als gutes Omen gewertet werden. Um den Zusammenhalt unter den Athleten zu fördern, hatte sich René Savary für den Donnerstagnachmittag die Idee einfallen lassen, die Fahrer auf eine Lebensmitel-Einkaufstour zu schicken. Danach mussten sie unter Anleitung oder Beaufsichtigung durch die Köche des Hotels das Abendessen selber zubereiten. So kam ein währschaftes Menu "Phonak surprise" zustande. Die nächste Saison soll weniger im Zeichen der Überraschungen stehen, denn der Erfolgsdruck wird mindestens so gross sein, wie er schon dieses Jahr war.

(Toni Nötzli, Morcote/Si)