Differenziertes Denken

Reden ist Silber, Dialog ist Gold

publiziert: Freitag, 6. Sep 2013 / 11:40 Uhr / aktualisiert: Donnerstag, 14. Nov 2013 / 15:30 Uhr

Die Klimaforschung steht oft im Zentrum der Klima-Debatte - nicht nur wegen ihrer Resultate. Sie sei «politisiert», sagen die einen. Sie kommuniziere ungenügend oder fordere strengere und damit «inflationäre» Ziele, meinen andere.

5 Meldungen im Zusammenhang
Dies lenkt von den wirklichen Herausforderungen der Klimaänderung ab, birgt aber eine entscheidende Frage: wie soll und kann die Wissenschaft ihre Resultate in den Dialog mit der Gesellschaft, Wirtschaft und Politik einbringen?

140 Zeichen für ein Gezwitscher auf Twitter: Kurznachrichten sind «in» - und für mich eine Tortur, wenn sogar Wissenschaft in diese Kurzform kondensiert werden soll. Dies zudem bitte immer objektiv, wertfrei, und sofort nutzbar, damit etwa die Politik faktenbasiert entscheiden kann. Da bleibt wenig Platz für differenziertes Denken oder gar für die Erläuterung von Unsicherheiten.

Nur Fakten liefern oder Einfluss nehmen?

Aber wehe dem Wissenschaftler, der eine klare Aussage macht und die Konsequenzen seiner Resultate darlegt. Vor einigen Wochen zeigten die Berner Klimaforscher Folgendes: wenn zusätzlich zum Zwei-Grad-Temperaturziel der Meeresspiegelanstieg oder die Versauerung der Ozeane beschränkt werden soll, müssten die CO₂-Emissionen noch stärker reduziert werden. Prompt wurden diese neuen Klimaziele von der NZZ am Sonntag als «inflationär» bezeichnet. Dabei hatten die Forscher nur die Konsequenzen verschiedener Beschränkungen aufgezeigt, ohne zu urteilen, ob diese Ziele erreichbar sind.

Einige Wissenschaftler versuchten zu stark, die Politik zu bestimmen, argumentieren Hans von Storch und Werner Krauss in ihrem Buch «Die Klimafalle». Damit haben sie wohl Recht. Aber daraus zu schliessen, dass wir deswegen bei den internationalen Klimaverhandlungen nicht weiter sind, greift zu kurz. Dass die internationale Klimapolitik stagniert, ist nur am Rande ein wissenschaftliches oder kommunikatives Problem. Verantwortlich sind andere Gründe: Erstens ist Klimapolitik primär Interessens- und Wirtschaftspolitik, besonders in China und den USA, den beiden weltgrössten CO₂-Emittenten. Zweitens ist der Klimawandel kaum greifbar, denn weder CO₂-Emissionen noch die Veränderung der globalen Mitteltemperatur sind direkt sicht- oder spürbar. Und drittens stellt uns der Klimawandel vor ein ethisches Problem: wir denken kurzfristig und lokal - trotz globaler Dimension - und hinterlassen unseren Kindern unbequeme Altlasten. Dies erinnert an das ungelöste Problem der Endlagerung radioaktiver Abfälle.

Interpretation tut Not

Die Wissenschaft produziert Zahlen und Fakten, die objektiv und wertfrei sein sollen. Zahlen und Fakten allein sind aber nicht viel wert. Die Interpretation durch Experten ist entsprechend wichtig. Und wir brauchen ein gemeinsames Werte-Verständnis, nach dem wir diese Fakten einordnen. Denn obwohl der Klimawandel ein Fakt ist, bedeutet das noch lange nicht, dass wir etwas dagegen tun wollen. Die letzten zwanzig Jahre zeigen, dass die Bereitschaft dazu weitgehend fehlt, weil wir andere Interessen höher gewichten. Die Unterscheidung von Fakten, Werten und Meinungen ist oft ungenügend und führt zu Missverständnissen.

Echter Dialog als Herausforderung

Wissenschaftliche Information ist nie perfekt. Die Wissenschaft muss versuchen, ihre Unsicherheiten klar aufzuzeigen. Im Gegenzug müssen Medien und Politik aber auch bereit sein, differenzierte Aussagen zu akzeptieren. Die Unsicherheiten dürfen nicht als Argument missbraucht werden, um nichts zu tun. Schliesslich sind wir uns gewohnt, im täglichen Leben mit Unsicherheiten umzugehen.

Der Glaube, dass wir uns jetzt alle auf eine Strategie einigen und diese hundert Jahre stur verfolgen werden, ist unsinnig. Wir werden unsere Entscheide laufend überdenken müssen. Konstanter Dialog und Auseinandersetzung sind dafür zwingend. Der ehrliche und zielführende Dialog zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Medien und Gesellschaft ist wahrscheinlich die grössere Herausforderung als die Entwicklung des nächsten Klimamodells - eine Herausforderung, der die Hochschulen zu wenig Aufmerksamkeit schenken.

(Prof. Reto Knutti/ETH-Zukunftsblog)

Kommentieren Sie jetzt diese news.ch - Meldung.
Lesen Sie hier mehr zum Thema
ETH-Zukunftsblog Seit fast 25 Jahren bemüht sich die ... mehr lesen
Oliver Geden ist Klimapolitik-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin und Gastforscher am Center for Security Studies an der ETH Zürich.
Rolf Kappel ist Wirtschaftswissenschaftler und Professor für Probleme der Entwicklungsländer an der ETH Zürich.
ETH-Zukunftsblog Aktuelle Prognosen und die klimapolitische Lage lassen keinen Zweifel daran: Die ... mehr lesen
ETH-Zukunftsblog Die Suche nach Antworten auf die ... mehr lesen
Gastautorin Gabi Hildesheimer ist Geschäftsführerin von Öbu, dem Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften.
Gastautor David Bresch ist Head Sustainability bei Swiss Re.
ETH-Zukunftsblog Jeder Umgang mit Risiken beginnt mit deren - subjektiver - Wahrnehmung. mehr lesen
ETH-Zukunftsblog Während in den USA diskutiert wird, ob und wie Obamas neuer Aktionsplan zur ... mehr lesen
Dr. Markus Ohndorf ist Oberassistent und Dozent an der Professur für Nationalökonomie am Institut für Umweltentscheidungen (IED) der ETH Zürich.
.
Digitaler Strukturwandel  Nach über 16 Jahren hat sich news.ch entschlossen, den Titel in seiner jetzigen Form einzustellen. Damit endet eine Ära medialer Pionierarbeit. mehr lesen 21
Mit Biogas betriebene Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen (WKK) können fluktuierenden Solarstrom kompensieren und Gebäude beheizen.
Mit Biogas betriebene ...
Eine zentrale Herausforderung der Energiewende ist es, die schwankende Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen auszugleichen. Eine Machbarkeitsstudie zeigt nun für drei Schweizer Kantone auf, wie ein Verbund von Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen kurzfristige Engpässe überbrücken und Gebäude mit Strom und Wärme versorgen kann. mehr lesen 
Vor rund hundert Jahren begann die Industrialisierung der Landwirtschaft - heute erleben wir den Beginn ihrer Digitalisierung. Damit die Big-Data-Welle den Bauer ... mehr lesen  
Vor rund hundert Jahren begann die Industrialisierung der Landwirtschaft - heute erleben wir den Beginn ihrer Digitalisierung.
Die Schweizer Wasserkraft darbt. Die Ursache dafür sind letztlich Verzerrungen im europäischen Strommarkt. Nun diskutiert die Politik Subventionen für die Grosswasserkraft. Allfällige Rettungsaktionen sollten berücksichtigen, dass die Wasserkraftwerke noch Sparpotenzial bei den Kosten aufweisen. mehr lesen  
Climate change has been communicated as a global concern affecting all of mankind; but this message doesn't seem to be getting through.
Climate change has been communicated as a global concern affecting all of mankind; but this message doesn't seem to be getting through. If ... mehr lesen  

Fakten und Meinungen zu Nachhaltigkeit

Der Zukunftsblog der ETH Zürich nimmt aktuelle Themen der Nachhaltigkeit auf. Er bietet eine Informations- und Meinungsplattform, auf der sich Expertinnen und Experten der ETH zu den Themenschwerpunkten Klimawandel, Energie, Zukunftsstädte, Welternährung und Natürliche Ressourcen äussern. Prominente Gäste aus Forschung, Politik und Gesellschaft tragen mit eigenen Beiträgen zur Diskussion bei.

Lesen Sie weitere Beiträge und diskutieren Sie mit auf: www.ethz.ch/zukunftsblog

.
Green Investment news.ch geht in Klausur Nach über 16 Jahren hat sich news.ch entschlossen, den Titel in ... 21
 
Stellenmarkt.ch
Kreditrechner
Wunschkredit in CHF
wetter.ch
Heute Mi Do
Zürich 11°C 24°C sonnigleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig recht sonnig recht sonnig
Basel 11°C 25°C sonnigleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig sonnig recht sonnig
St. Gallen 10°C 21°C recht sonnigleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig recht sonnig wolkig, aber kaum Regen
Bern 11°C 23°C sonnigleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig recht sonnig recht sonnig
Luzern 11°C 23°C recht sonnigleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wolkig, aber kaum Regen wolkig, aber kaum Regen
Genf 12°C 24°C sonnigleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wolkig, aber kaum Regen recht sonnig
Lugano 16°C 24°C vereinzelte Gewitterleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig vereinzelte Gewitter vereinzelte Gewitter
mehr Wetter von über 8 Millionen Orten