Rückkehr der unbequemen Tante

Für Amerika ist Jane Fonda wie eine dieser Tanten, die man aus der Entfernung liebt, die man aber nicht ans Familienessen einlädt, weil sie sofort eine politische Diskussion entfachen würde. Nun, dann lädt sich Jane Fonda eben selbst ein. Nach 15 Jahren selbstverordneten Exils meldet sie sich mit einem wohl choreographierten Comeback zurück: dem sympathischen Filmauftritt in "Monster-in-Law" und der unbequemen Autobiografie "My Life So Far".

Sie hat also gelernt, mehr mit dem Kopf zu denken als damals, als sie mit dem Herzen dachte, aber kopflos handelte und sich naiverweise auf einem nordvietnamesischen Flak-Geschütz fotografieren liess. Was ihr im konservativen Amerika bis heute unverziehen bleibt und ihr den Namen "Hanoi-Jane" eintrug.

Dann aber gelangen ihr Karrieresprünge, die auf geschicktes Selbst-Marketing hinweisen. Jane Fonda hat sich selbst immer wieder neu erfunden, von "Cat Ballou", dem sexy Ding in engen Reithosen, zur Fitness-Päpstin Amerikas. Wenn die Fonda den Mund aufmacht, hat sie erfahrungsgemäss zu sagen: über Vietnam, über Umweltschutz, über Bürgerrechte. Es ist nun ein Novum, dass sie über sich selbst redet, aber sie tut dies ebenso kompromisslos. Diese Biografie hat nichts von der üblichen Koketterie von Star-Erinnerungen; dieses Buch lotet die Schmerzgrenzen einer Selbstkritik gnadenlos aus.

Andere Töchter berühmter Menschen haben ihre Biografie geschrieben, die dann – bezeichnenderweise – mehr eine Biografie über das berühmte Elternteil war denn über sie selbst. Auch über Janes Vater Henry erfährt man mehr, als einem lieb ist. Dieser in sich gekehrte Mann konnte emotionale Tiefe nur im Film und auf der Bühne meisterhaft darstellen. Janes Mutter schnitt sich ob dieser seelischen Grausamkeiten die Kehle auf (eine Tatsache, die Jane aus einem Movie-Magazin erfuhr).

Um dem gefühlskalten Vater zu gefallen, gab sich die kleine Jane androgyn. Tatsächlich glaubte ausgerechnet die Frau, die bald als sexy "Barbarella" Männerfantasien bediente, lange Zeit, im Körper eines Jungen gefangen zu sein. Diese Verhaltensweisen führten zwangsläufig zu Bulimie.

Das eigene Fleisch und Blut also als Kronzeuge der Wahrheit. Doch wo solche Abrechnungen mit berühmten Eltern meist bei der Abnabelung zum Elternhaus enden (weil das Leben eines Star-Kindes ab da für den Leser nicht mehr interessant ist), stellte sich Jane auf eigene Füsse, wurde selbst zum Star (bezeichnenderweise in derselben Profession wie der Papa) – nur um dann im nächsten Akt wieder in den Bannkreis dominierender Männer wie Roger Vadim zu geraten. Es war letztlich diese Lossagung vom Wunsch, Männern gefallen zu wollen, was sie zu einer Ikone des Feminismus machte.

Fonda begnügt sich nicht damit, ihr Leben in Worte zu fassen – sie will aus dem Erlebten lernen, und mehr noch, sie analysiert, damit andere von diesem Wissen profitieren mögen. Dabei bleibt sie sich und dem Leser nichts schuldig. Diese psychiatrische Sitzung findet nicht auf der bequemen Couch eines Psychiaters statt, sondern auf einem Nagelbrett.

Der Kampf gegen die Vaterfigur, die sie wohl ein Leben lang verfolgen wird, findet hier, im Jetzt, eine bittere Fortsetzung. Denn der neue Film und das Buch kommen just zu Henrys 100. Geburtstag, wo auf allen Kanälen das Konterfei des Papas zu sehen ist. Vielleicht ein Zufall. Vielleicht aber Janes Art, sich einmal mehr – ein Vierteljahrhundert nach Henry Fondas Tod – gegen den Vater mit dem langen Schatten aufzubäumen.

(von Roland Schäfli/news.ch)