Schlesinger: Regisseur ohne Happy Ends

Wenn John Schlesinger einen Film dreht, trägt er immer einen wichtig aussehenden Aktenkoffer mit sich herum. Neulinge im Produktionsteam glauben, er bewahre darin Verträge und Drehbücher auf.

Wenn er den Koffer dann öffnet, stellen sie zu ihrer grossen Verwunderung fest, dass er kalte Grillhähnchen, Würstchen und Fisch mit sich herumschleppt. «Wenn ich einen neuen Film beginne, werde ich schrecklich nervös - und dann muss ich essen», entschuldigt sich der Oscar-Gewinner. «Für die schlanke Linie sind Filme das Schlimmste.» Und da Schlesinger eigentlich ständig filmt, kommt er überhaupt nicht mehr zum Abnehmen.

Mit elf Jahren drehte Schlesinger schon sein Erstlingswerk: Er filmte seinen nichts ahnenden Schuldirektor beim Wechseln der Badehose unter einem umgebundenen Handtuch. Der Film erntete gemischte Reaktionen, vor allem von Seiten der Schulleitung, und auch das hat sich seither kaum geändert. Selten werden Schlesingers Filme einhellig positiv aufgenommen. «Ich bin nie der Liebling der Kritiker gewesen», sagt er. Seit der Schulzeit hat der Filmemacher die Kamera praktisch nicht mehr aus der Hand gelegt. Sogar Zigaretten- und Margarinewerbung, ein Propagandafilm für Israel und ein Wahl-Spot für den ehemaligen konservativen Premierminister John Major zählen zu seinem Oeuvre.

Denn Schlesinger gibt, wie er selbst beklagt, «viel zu viel Geld aus». Und da könne man eben nicht nur Preisverdächtiges produzieren. An Preisen hat er gleichwohl so ziemlich alles im Wohnzimmerschrank stehen, was es zu gewinnen gibt - vom Goldenen Löwen für den besten Dokumentarfilm bei den Filmfestspielen in Venedig (1961) bis zum Goldenen Bären der Berliner Filmfestspiele für seinen ersten Spielfilm «Ein Hauch von Glückseligkeit» (1962).

(sda)