Schröders Reise in ein Pulverfass

publiziert: Montag, 30. Okt 2000 / 13:36 Uhr

Jerusalem - Bundeskanzler Gerhard Schröder hätte für seine Nahost-Reise kaum einen brisanteren Termin wählen können. Der Friedensprozess liegt in Scherben, blutige Unruhen in den vergangenen Wochen forderten mehr als 140 zumeist palästinensische Todesopfer, und ein Ende der Gewalt ist vorerst nicht in Sicht.

Dazu kommt, dass der israelische Ministerpräsident Ehud Barak, mit dem Schröder am Dienstag zusammentrifft, um das politische Überleben seiner Regierung kämpft. Baraks Lager verfügt nur noch über 30 Mandate im 120 Sitze zählenden Parlament. Sein Bemühen, den rechtsgerichteten Likud-Block um Ariel Scharon in die Regierung einzubinden, sind bislang gescheitert. Scharons umstrittener Besuch auf dem Tempelberg Ende September war es, der die jüngsten Unruhen auslöste. Scharon fordert im Fall einer Regierungsbeteiligung ein Vetorecht für Friedensverhandlungen mit den Palästinensern, die er als «falschen Weg» bezeichnet. Das hat Barak bisher abgelehnt. Der stellvertretende Verteidigungsminister Ephraim Sneh, der Barak nahe steht, sagte, Scharon dringe auf den Abbruch des Friedensprozesses. Immerhin scheint aber für Baraks Regierung keine unmittelbare Gefahr zu bestehen. Die ultraorthodoxe Schas-Partei, die im Sommer aus Protest gegen Zugeständnisse an die Palästinenser aus der Regierungskoalition ausgeschieden war, kündigte an, wegen des «nationalen Notstands» in den nächsten vier Wochen nicht gegen Barak zu stimmen. Ohne die Stimmen der Schas aber hätte ein Misstrauensantrag der Opposition wenig Chancen.

Und so lange die Anhänger Scharons nicht an der Regierung beteiligt sind, besteht mittelfristig zumindest noch die Hoffnung auf eine Wiederaufnahme der Friedensgespräche. Daran haben beide Seiten auch Interesse gezeigt - allerdings stellen sie Bedingungen. Israel hat erklärt, es werde keine Verhandlungen unter dem Eindruck andauernder Gewalt geben, während die Palästinenser vor einer Aufnahme von Gesprächen den Abzug der israelischen Truppen vom Rand palästinensischer Städte fordern. Minister Sneh kündigte derweil bereits eine verschärfte Gangart an, die eher eine Eskalation der Gewalt befürchten lässt: Die Streitkräfte würden nicht länger nur auf palästinensische Angriffe in Westjordanland und Gazastreifen reagieren, sondern selbst die Initiative ergreifen. «Wir werden unsere Vorteile nutzen ... kleine Einheiten, Einheiten, die im Guerillakampf gut ausgebildet sind», sagte er am Montag im Armeerundfunk. Die israelische Armee hat ohnehin bereits mitgeteilt, dass sie ein Andauern der Gewalt für mehrere Monate befürchtet.

Wenn Schröder am Mittwoch mit dem palästinensischen Präsidenten Jassir Arafat zusammentrifft, wird dieser ihm möglicherweise auch von den wirtschaftlichen Folgen berichten, die die andauernden Ausschreitungen auf die Bevölkerung in den Autonomiegebieten haben. In der Innenstadt von Hebron beispielsweise stehen rund 30.000 Menschen praktisch unter Hausarrest. Straßen, Märkte und Geschäfte sind leer, das öffentliche Leben kam weitgehend zum Erliegen.

Insgesamt sind in den Autonomiegebieten derzeit mehr als 100.000 Menschen nicht in der Lage, an ihre Arbeitsplätze in Israel zu gelangen. Ihnen geht mittlerweile schlicht das Geld aus. Häufig handelt es sich dabei um Männer, von deren Einkommen das Überleben der gesamten Familie abhängt - Männer, denen das Wohl ihrer Angehörigen wichtiger ist als der fortgesetzte Kampf gegen Israel. Offenbar gelingt es ihnen aber nur in geringem Maß, mäßigend auf die überwiegend jungen Heißsporne einzuwirken, die an den Ausschreitungen beteiligt sind. Unter den Unruhen leidet auch die israelische Wirtschaft. Experten schätzen die Höhe der Verluste auf bislang eine Milliarde Dollar (2,3 Milliarden Mark/1,2 Milliarden Euro). Betroffen ist vor allem die Tourismusindustrie, aber auch die Landwirtschaft und bestimmte andere Wirtschaftszweige leiden unter dem Ausbleiben der palästinensischen Arbeiter. Schröder hat sich wiederholt für ein Ende der gewaltsamen Ausschreitungen zwischen Palästinensern und Israelis ausgesprochen, denn nur so könne eine Fortsetzung der Friedensgespräche ermöglicht werden. Eine Vermittlerrolle will Schröder nach Regierungsangaben allerdings keinesfalls übernehmen. Stattdessen gehe es um eine europäisch ausgerichtete, unterstützende Rolle für den Friedensprozess.

(sda)

.
Digitaler Strukturwandel  Nach über 16 Jahren hat sich news.ch entschlossen, den Titel in seiner jetzigen Form einzustellen. Damit endet eine Ära medialer Pionierarbeit. mehr lesen 22
Das Ziel des Starshield-Projekts ist die kontinuierliche Überwachung der Erdoberfläche, insbesondere für militärische Zwecke.
Das Ziel des Starshield-Projekts ist die kontinuierliche ...
Nach Berichten aus den USA plant SpaceX den Bau eines neuen Satellitennetzwerks für einen US-Geheimdienst. Dieses Netzwerk namens «Starshield» soll die gesamte Erdoberfläche überwachen. mehr lesen 
Musikstreaming-Apps im App Store  Brüssel hat Apple mit einer Geldstrafe in Höhe von 1,8 Milliarden Euro belegt. Laut einer Untersuchung ... mehr lesen  
Apple hatte Musikstreaming-Konkurrenten im App Store benachteiligt.
Internationales Super-Wahljahr 2024.
Während die USA und andere Länder sich auf die bevorstehenden Wahlen vorbereiten, prognostiziert eine neue Studie eine Eskalation der täglichen Aktivitäten von bösartig-manipulierenden Akteuren, ... mehr lesen  
Obwohl künstliche Intelligenz komplexe Probleme lösen kann, hat sie auch ihre Grenzen. In einem virtuellen Test ... mehr lesen  
Die US-Army testet KI gesteuerte Drohnen - und wurde überrascht.
Titel Forum Teaser
  • keinschaf aus Wladiwostok 2826
    belustigend peinlich Das kommt schon fast in die Nähe der Verwechslung von Oekonomie mit ... Mi, 28.12.16 01:21
  • Unwichtiger aus Zürich 11
    Grammatik? Wie kann Stoltenberg denn Heute schon wissen, welche Entscheidungen am ... Sa, 22.10.16 10:59
  • Kassandra aus Frauenfeld 1781
    Der phallophile Blick eines cerebrophoben Schäfleins! Frau Stämpfli schrieb am Ende ... Mo, 26.09.16 17:32
  • keinschaf aus Wladiwostok 2826
    phallophobe Geschichtsrückblicke "Und die grösste Denkerin des 21. Jahrhunderts? Verdient ihr Geld mit ... Sa, 13.08.16 17:48
  • Kassandra aus Frauenfeld 1781
    Alle Demonstranten gefilmt. Der Erdogan lässt doch keine Domo gegen sich zu! Die ... Di, 21.06.16 16:42
  • Kassandra aus Frauenfeld 1781
    Konzernrecht? Konzernpfusch! Was ist denn das? Konzerne werden vorwiegend von Vollidioten geführt. ... Fr, 10.06.16 17:49
  • Kassandra aus Frauenfeld 1781
    Das wird die Deutschen aber traurig machen. Wenn man keinen Flughafen und keinen Bahnhof ... Mi, 08.06.16 17:49
  • zombie1969 aus Frauenfeld 3945
    Der... Daesh (IS) kommt immer mehr unter Druck. Davon sind inzwischen auch ... Do, 02.06.16 19:22
Jonathan Mann moderiert auf CNN International immer samstags, um 20.00 Uhr, die US- Politsendung Political Mann.
CNN-News Was würde «Präsident Trump» tatsächlich bedeuten? Noch ist absolut nichts sicher, doch es ...
 
Stellenmarkt.ch
Der Remoteserver hat einen Fehler zurückgegeben: (500) Interner Serverfehler.
Source: http://www.news.ch/ajax/top5.aspx?ID=0&col=COL_3_1
Kreditrechner
Wunschkredit in CHF
wetter.ch
Heute Mi Do
Zürich 4°C 11°C wechselnd bewölkt, Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt, Regen wechselnd bewölkt, Regen
Basel 5°C 12°C wechselnd bewölkt, Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig trüb und nass wechselnd bewölkt, Regen
St. Gallen 2°C 9°C wechselnd bewölkt, Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig trüb und nass starker Schneeregen
Bern 4°C 10°C wechselnd bewölkt, Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt, Regen starker Schneeregen
Luzern 6°C 12°C wechselnd bewölkt, Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig trüb und nass wechselnd bewölkt, Regen
Genf 8°C 12°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wolkig, aber kaum Regen wolkig, aber kaum Regen
Lugano 12°C 18°C recht sonnigleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig recht sonnig wechselnd bewölkt
mehr Wetter von über 8 Millionen Orten