Schuberts Schöne Müllerin auf der Ballettbühne

Eine in Korngelb und hellem Grün gehaltene abstrakte Landschaftsimpression zieht sich um die kleine Bühne und die tieferliegende Tanzfläche des Studios im Theater St. Gallen - eine Einstimmung auf die "liebe Farbe" Grün, auf Mühle, Wald und Feld.

Wandern mit Riesenkoffern

Stefan-A. Rankl mit Stefan Forno am Flügel als Partner besingt das Wandern als "des Müllers Lust", Tänzer schleppen schwere Koffern an, Tänzerinnen balancieren mit Hutschachteln. Dazwischen bewegt sich, geckenhaft gekleidet und mit Schlapphut auf dem Kopf, eine Gestalt, die zu deuten zunächst schwerfällt.

Ist es der zum stöckenschwingenden Dandy uminterpretierte Jäger, der später dem Müllergesellen die schöne Müllerin abspenstig machen wird? Eine Figur mit übersinnlichen Kräften, deren ausgestreckter Stock genügt, den Müllerburschen schwanken zu machen? Der Tod, dem sich der Müller schliesslich ergibt?

Uentschiedene Umsetzung

Franz Brodmann, der Schuberts Liederzyklus choreographiert hat, mag beides vorgeschwebt haben. Wirklich einsichtig wird nur die Rivalität zwischen dem von Jason Nicoll mit wenig Ausstrahlung getanzten Dandy und dem kraftvollen Müllerburschen Stefan Spätis, der mit Kelly Marie Sullivan zusammen das überragende Paar bildet.

Auch sonst bleibt die tänzerische Umsetzung unentschieden. Text und Musik stimmen oft nicht mit den Geschichten überein, die Brodmann ihnen unterlegt; gelegentlich scheint das Aufgebot an Tänzerinnen und Tänzern nur deshalb so gross, weil das ganze Ensemble beschäftigt werden muss.

Dabei ist Brodmanns auf einer erweiterten klassischen Technik beruhende Choreographie keinesfalls einfallslos. Immer wieder gelingen ihm einprägsame Bilder und Bewegungsabläufe; kunstvolle, fast schon akrobatische Figuren beeindrucken mit ihrer fliessenden, bewegten Weichheit.

Musikalisch überragend

Das Ereignis des Abends aber ist die musikalische Interpretation durch den jungen, am Haus engagierten Tenor Stefan-A. Rankl und den ebenfalls hauseigenen Pianisten Roberto Forno.

Rankl verfügt über eine leichte, bewegliche, in allen Lagen unangestrengt ansprechende Stimme mit einem tragenden Piano und einem kraftvollen Forte. In Roberto Forno hat er einen ebenbürtigen Partner, technisch makellos, delikat gestaltend, zupackend in dramatischen Steigerungen, verhalten in lyrischen Passagen.

Die klare, stets subtile Nuancierung, die sich durch den ganzen Abend hindurchzog, das Eingehen auf jeden Stimmungswechsel und die sorgsame Ausdeutung von Text und Musik prägten die musikalische Wiedergabe des Zyklus. Daneben war das Ballett schlicht entbehrlich.

Die nächsten Aufführungen: 4. und 5., 9., 11., 13. und 16. Mai.

(bb/sda)