Schüssels einsamer Streit in Brüssel

publiziert: Samstag, 1. Okt 2005 / 09:45 Uhr / aktualisiert: Sonntag, 2. Okt 2005 / 20:05 Uhr

Wien - Allein gegen Alle: Österreichs konservativer Kanzler Wolfgang Schüssel probt vor dem geplanten Beginn von Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei den Aufstand. Doch der Erfolg ist fraglich.

Wolfgang Schüssel kann nur noch auf eine deutsche Kanzlerin Merkel hoffen, die die gleiche Meinung vertritt.
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Schüssel will durchsetzen, dass die Europäische Union mit der Türkei nicht bloss über einen Vollbeitritt sondern auch über eine Alternative verhandelt. Doch seine harte Haltung, so mutmassten österreichische Zeitungen am Freitag, sei nichts anderes als ein Wahlkampftrick.

Umfaller am Sonntag

Denn der Volkspartei (ÖVP) droht bei den Landtagswahlen am Sonntag in der Steiermark erstmals seit 60 Jahren eine Niederlage. Insgesamt stehen im Oktober drei Landtagswahlen an, bei denen die «Schwarzen» schlecht abschneiden dürften. Und auch sonst zeigt des Kanzlers Beliebtheitskurve nach unten.

Spätestens wenn das Wahlergebnis der Steiermark am Sonntagabend bekannt ist, werde der gewiefte Taktiker allerdings «umfallen» und einem Kompromiss zustimmen, prophezeite die Tageszeitung «Kurier» am Freitag.

Doch der 60-Jährige weist den Vorwurf der Wahlkampftrickserei ebenso zurück, wie eine Verbindung zwischen den Verhandlungen mit der Türkei und Wiens Forderung nach baldiger Aufnahme der von Brüssel ausgesetzten Beitrittsverhandlungen mit Kroatien.

Bevölkerung hinter Schüssel

Schüssel kann sich bei seiner harten Haltung auf die überwältigende Unterstützung der österreichischen Bevölkerung verlassen. Nach jüngsten Umfragen sind nur noch etwa 10 Prozent für die Aufnahme der Türkei in die EU.

Und so erhielt der Kanzler denn auch unerwartete und vermutlich auch ungewollte Rückendeckung von SPÖ-Oppositionsführer Alfred Gusenbauer. «Die Bundesregierung darf in der Türkei-Frage nicht umfallen», sagte Gusenbauer am Radio.

Österreichs Widerstand richtet sich nicht nur gegen die Türkei, allgemein findet die Politik Brüssels in Österreich so wenig Zustimmung wie in kaum einem anderen der «alten» EU-Länder.

EU-Trauma seit 2000

Schuld daran ist nach Umfragen nicht zuletzt die EU selbst, die Anfang 2000 Sanktionen gegen Österreich verhängte, nachdem Schüssel mit dem Rechtspopulisten Jörg Haider eine umstrittene rechtskonservative Koalition eingegangen war. Dieses Trauma - viele Österreicher fühlten sich von Brüssel völlig ungerecht behandelt und zu Unrecht an den Pranger gestellt - leitet auch Schüssels Unterstützung für Verhandlungen mit Kroatien.

Es könne doch nicht angehen, so heisst es im Kanzleramt, dass ein ganzes Land dafür bestraft werde, dass ein mutmasslicher Kriegsverbrecher (General Ante Gotovina) bisher nicht an das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ausgeliefert worden sei.

Die Türken vor Wien

Warum die Österreicher so vehement gegen den Türkei-Beitritt sind, hat gute historische Gründe. In der Republik, die heute prozentual gesehen eine der grössten türkischen Gemeinden innerhalb der EU hat, sitzt die Angst vor einer türkischen «Invasion» noch immer tief.

Immerhin standen die Türken im Lauf der letzten 500 Jahre zwei Mal vor Wien (zuletzt 1683) und konnten nur durch verlustreiche Schlachten abgewehrt werden.

(Christian Fürst/dpa)

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