Interview mit Gian Gilli

«Sechs Goldmedaillen sind herausragend»

publiziert: Montag, 24. Feb 2014 / 08:54 Uhr
Gian Gilli analysiert im Interview das Abschneiden der Schweizer.(Archivbild)
Gian Gilli analysiert im Interview das Abschneiden der Schweizer.(Archivbild)

Der Chef de Mission Gian Gilli analysiert im Interview mit der Sportinformation das Abschneiden der mit 163 Athletinnen und Athleten grössten Schweizer Olympia-Mission an Winterspielen. Die Schweiz platzierte sich in Sotschi im Medaillenspiegel je nach Lesart auf Platz 7 (Wertigkeit der Medaillen) oder im 10. Rang (nach Anzahl).

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- Gian Gilli, was bleibt von Sotschi 2014 in Erinnerung?

«Einerseits ganz tolle Olympia-Medaillen, aber auch viele Klassierungen zwischen Rang 4 und 10. Dies ist für den Schweizer Sport auch wichtig, es können nicht alle Medaillen gewinnen. Eine gute Leistung am Tag X zu bringen, ist eine spezielle Herausforderung. Alle, die das schaffen, verdienen grossen Respekt. Bei den Frauen haben wir eine grosse Leistungssteigerung gegenüber Vancouver, das ist sehr positiv.»

- Und was bleibt haften, wenn Sie die Spiele im grossen Kontext betrachten?

«Es bleibt ein ganz tolles Sportkonzept, das einzigartig ist. So etwas wird es in Zukunft wohl nicht mehr geben. Sotschi konnte dieses Konzept von null an aufbauen, der Sportler stand im Zentrum. Für die Athleten waren die Bedingungen hervorragend, einerseits was die kurzen Transportwege zwischen den Unterkünften und den Wettkampfstätten betrifft, andererseits was die Qualität der Sportanlagen anbelangt. Die ganzen logistischen Abläufe kosteten wenig Energie. Was von den Spielen aber auch in Erinnerung bleiben wird, sind die jugendlichen Volunteers, die Englisch sprachen und sehr zuvorkommend, freundlich und hilfsbereit waren.»

- Bei den Spielen 2006 in Turin gab es für Swiss Olympic 14 Medaillen, vor vier Jahren deren neun, nun elf. Wie beurteilen Sie das Abschneiden der Schweizer Mission in Sotschi?

«Ich beurteile es als gut. Aufgrund der Potenzial-Einschätzungen nach der Selektion waren wir der Ansicht, dass zehn Medaillen realistisch sind. Die Rechnung lautete wie folgt: Wir haben gesagt, wir verfügen hier über 20, 21 potenzielle Podest-Kandidaten, und wenn von diesen Kandidaten 50 Prozent reüssieren, haben wir zehn Medaillen. Dieses Ziel haben wir erreicht, also müssen wir zufrieden sein - zumal es sehr schöne Medaillen sind. Sechs Goldmedaillen, das ist wirklich herausragend.»

- In vielen Disziplinen mischen immer mehr Länder an der Spitze mit. Mit dem 10. Nationenrang bezüglich Medaillen-Total wurde das Ziel, Platz 8, verfehlt. Muss Swiss Olympic bezüglich dieser Zielvorgabe künftig nicht etwas zurückbuchstabieren?

«Das könnte man, ich bin aber nicht dieser Meinung. Die Schweiz tritt als Wintersport-Nation auf, wir sind vielfältig vertreten - anders als beispielsweise Holland, das 24 Medaillen praktisch in einer Sportart errungen hat. Wir waren in zwölf Sportarten dabei, in zehn davon mit Frauen und Männern. Das heisst, dass man für alle Sportarten mehr Aufwand betreiben muss. Aber ich bin der Meinung, das gehört sich für die Schweiz mit ihrer Geschichte, ihrer Tradition und ihrem Tourismus im Wintersport. Wir müssen für die Jungen Anreize in verschiedenen Sportarten schaffen. Wenn wir aber weiterhin erfolgreich sein wollen, müssen wir mehr investieren. Wir müssen noch mehr machen, damit wir konkurrenzfähig bleiben oder noch besser werden. Ich denke da an die Bereiche Infrastruktur, Trainingsmöglichkeiten, Qualität der Ausbildner und Trainer. Dies ist ganz wichtig. Und letztlich braucht es natürlich auch die Eigenmotivation der jungen Sportler.»

- Zwischenzeitlich schien es, als könnte gar die seit Calgary 1988 bestehende Rekordmarke von 15 Medaillen getoppt werden. In den letzten Tagen gab es jedoch einige Rückschläge. Trauern Sie diesem verpassten Rekord nach?

«Nein. Eher trauere ich der Tatsache nach, dass im Skicross die Frauen ihre Chancen nicht wahrnehmen konnten. Oder dass die Männer aufgrund von Verletzungen etwas zurückbuchstabieren mussten. Dies beschäftigt mich mehr als der Rekord, dieser war nie im Hinterkopf. Wir sind hier in der Gegenwart. Wichtig war, hier das Optimum ausschöpfen zu können. Aber dass dies nicht überall gelingt, ist normal.»

- Sie haben es bereits angesprochen. Auffallend ist - wie schon in Vancouver - die hohe Anzahl Schweizer Goldmedaillen. Haben Sie hierfür eine Erklärung?

«Erfolg kann man nicht planen. Man weiss, dass es an Olympischen Spielen Exploits geben kann. Alle Athleten, die Gold gewonnen haben, waren aber vorher schon immer in der Nähe des Podests. Ich würde sagen, der Riesen-Exploit geht eher auf das Konto des Frauen-Teams im Eishockey. Man wusste, dass zwischen Rang 3 und 8 alles passieren kann. Aber dass es dann tatsächlich eine Medaille gab, war für mich ein schöner Exploit.»

- Der 14. Februar 2014 dürfte Ihr glücklichster Tag als Sport-Funktionär gewesen sein, zumal Sie ja Rätoromane sind. Zweimal Gold und einmal Silber - drei Medaillengewinne durch romanisch sprechende Athleten.

«Das war sicherlich ein Super-Tag, in erster Linie bin ich jedoch für alle unsere Sportlerinnen und Sportler hier. Aber klar, das Ganze hat mich schon auch persönlich berührt. Ich kenne die Athleten von klein auf. Sandro Viletta kannte ich schon, als er noch ein ganz kleiner Junge war, seine Entwicklung habe ich natürlich auch mitverfolgt. Dass so viele romanisch Sprechende und Südbündner hier reüssieren konnten, ist phantastisch.»

- Vor vier Jahren gewannen die Frauen nur eine Bronze-Medaille. Diesmal resultierte fünfmal Edelmetall. Das Förderprojekt «Women on the podium» scheint seine Wirkung nicht verfehlt zu haben.

«In gewissen Bereichen hatte 'Women on the podium' Einfluss, bei gewissen Medaillen keinen. Ich denke, Swiss Olympic muss in Zukunft noch mehr darauf achten, dass man zusammen mit den Verbänden im Umfeld der Athleten gezielt die Rahmenbedingungen optimiert.»

- Norwegen, ein Land mit lediglich 5 Millionen Einwohnern, gewann in Vancouver 23 Medaillen, nun gar 26. Was machen die Norweger anders als die Schweiz und andere Nationen?

«Die Norweger setzen mehr Prioritäten, sie sind nie wie wir bei zehn Sportarten am Start. Sie setzen vor allem auf Langlauf und Biathlon und praktisch kaum auf Eissportarten. Der nordische Bereich hat bei ihnen eine ganz grosse Tradition, dort arbeiten sie extrem spezifisch. Durch ihr Zentrum, das Olympiatoppen in Oslo, haben sie gute Schnittstellen zu den Universitäten. Alle treffen sich dort zum Erfahrungsaustausch. Die Norweger verfügen auch über eine gewisse Breite im Langlauf, weil viele diesen Sport ausüben wollen. Die Topographie des Landes und die langen Winter spielen diesbezüglich auch eine Rolle. Die Ausgangslage ist ein bisschen anders als bei uns.»

- Swiss-Olympic-Direktor Roger Schnegg tritt immer wieder als Mahner auf und sagt, dem Schweizer Sport fehle Geld. Von einem zweistelligen Millionenbetrag ist die Rede. Der Bund plant ja, den Spitzensport stärker zu unterstützen. Muss nach diesen erfolgreichen Spielen aber nicht befürchtet werden, dass die Politik keinen grossen finanziellen Handlungsbedarf sieht?

«Roger Schnegg hat völlig recht. Auf Bundesebene sind Anstrengungen im Gang, um den Spitzensport stärker zu fördern - auch über das neue Sportfördergesetz, das ist sehr positiv. Wenn wir gleich gut bleiben wollen, müssen wir mehr investieren können. Unsere Sportler verdienen pro Jahr durchschnittlich 14'000 Franken. Das ist ja kein Anreiz, irgendwann eine Profikarriere starten zu wollen. Man darf nicht nur an diejenigen Athleten denken, die kommerzielle Sportarten betreiben und viel Geld verdienen können. Man muss auch an die Athleten in Randsportarten denken. Diese brauchen einen Support, einen Anreiz, um den Weg langfristig zu gehen und nicht früh abzuspringen. Es braucht einfach eine gewisse soziale Sicherheit. Diese müssen wir zunehmend garantieren können.»

(ig/Si)

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