Sieg befreit Koreaner vom Militärdienst

Diese Motivationsspritze ist nicht zu unterschätzen. «Dafür rennt jeder um sein Leben», glaubt Teamchef Dick Advocaat. Für 24 Monate wird jeder männliche Einwohner Südkoreas nach dem Schulabschluss in den obligatorischen Militärdienst eingezogen. Im Vergleich zur Schweizer Rekrutenschule eine ungleich härtere Pflicht, die manche hoffnungsvolle Fussball-Karriere vorzeitig beenden könnte.

Umso verständlicher, dass jeder Fussballer diese Hürde nach Möglichkeit umgehen möchte. Beim letzten Schweizer Gruppengegner bietet sich diese Möglichkeit nun gleich sieben Spielern, die nach der WM die Uniform fassen müssten.

Zwei Jahre des Lebens

«Erreichen wir die Achtelfinals, dann sind jene sieben Spieler des Kaders, die ihn noch nicht absolviert haben, vom Militärdienst befreit. Das sind zwei Jahre ihres Lebens», sagt Trainer Advocaat und ist überzeugt, dass diese zusätzliche Motivationsspritze Gold wert ist. «Wir sind nur stark, wenn wir bis zum Schluss alles geben, gemeinsam hart arbeiten und als geschlossenes Team agieren. Das haben wir gegen Togo und Frankreich bereits bewiesen. Und wenn wir gar am Freitag als Gruppensieger in die Achtelfinals einziehen könnten, wäre das eine Riesenüberraschung.»

Der holländische Teamchef bangt vor dem entscheidenden Spiel gegen die Schweiz noch um drei Spieler: Starspieler Park Ji-Sung von Manchester United, Verteidiger Kim Young-Chul und Lee Ho konnten gestern im geschlossenen Training in Leverkusen nicht mit der Mannschaft arbeiten. Alle drei standen in den ersten beiden Spielen in der Startformation. Advocaat: «Im Moment sind wir noch zuversichtlich, dass alle drei am Freitag spielen können.»

Spannende Ausgangslage

Advocaat ist erfreut über die spannende Ausgangslage gegen die Schweiz: «Ich habe schon vor drei Wochen gesagt, dass das dritte Gruppenspiel das wichtigste sein wird. Nun sind wir soweit und die Stimmung ist deswegen sehr gut. Siegen zu müssen macht es für uns etwas leichter, doch die Ausgangslage ist gleichwohl gefährlich.»

An die 200 Journalisten aus Südkorea, der Schweiz und Deutschland drängten sich gestern bei der Pressekonferenz in den Medienraum hinter dem wunderschönen Schlosshotel Bensberg in Bergisch-Gladbach. Die Spieler und der Trainer wurden nicht müde, die vielen Fragen zu beantworten und auch gleich noch Autogramme zu verteilen. Bei allen Antworten der sehr selbstbewussten Spieler schimmerte durch, dass sie absolut davon überzeugt sind, am Freitag mit einem Sieg über die Schweiz erneute WM-Geschichte für ihr Land zu schreiben.

Nur vier Niederlagen

Was macht sie so zuversichtlich? «Wir haben zusammen bereits 20 Spiele vor dieser WM bestritten und nur deren vier verloren. Es wurde hart für den Erfolg gearbeitet und wir wurden beim 2:1 gegen Togo sowie dem 1:1 gegen Frankreich spät belohnt. Das verlieh meiner Mannschaft sehr viel Selbstvertrauen», sagt Advocaat. Und Ahn Jung-Hwan, der Superstar von 2002, begründet: «Ich will nicht an das Ende denken. Wir bleiben positiv und wollen das Glück nochmals erzwingen.»

Lee Young-Pyo glaubt nicht, dass sowohl die Schweiz als auch Südkorea gemeinsam in die Achtelfinals einziehen werden: «Wenn wir in zwei verschiedenen Gruppen wären, kämen beide eine Runde weiter. So aber muss einer auf der Strecke bleiben.» Der kampfstarke Aussenläufer von Tottenham Hotspur freut sich auf ein Wiedersehen mit seinem früheren Teamkollegen Johann Vogel beim PSV Eindhoven: «Johann ist ein lustiger Kerl, ich bin mit ihm oft Essen gegangen. Für 90 Minuten zählt diese Freundschaft am Freitag aber nicht. Wir wollen noch nicht nach Hause reisen.»

(von René Baumann (Si), Bensberg/Si)