Vorwurf von Amnesty

Staaten versagen bei Schutz der Zivilbevölkerung

publiziert: Mittwoch, 25. Feb 2015 / 06:15 Uhr
Die Lage im Irak hat sich verschlechtert - immer mehr Menschen leiden unter der Gewalt.
Die Lage im Irak hat sich verschlechtert - immer mehr Menschen leiden unter der Gewalt.

London/Berlin - Angesichts der zunehmenden Gewalt durch nichtstaatliche bewaffnete Gruppen hat Amnesty International (AI) der internationalen Gemeinschaft Versagen beim Schutz der Zivilbevölkerung vorgeworfen. Das schreibt die Menschenrechtsorganisation in ihrem Jahresbericht.

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Die «zunehmende Macht und Brutalität» in bewaffneten Konflikten erfordere «neue Antworten der internationalen Gemeinschaft», fordert Amnesty in dem am Mittwoch in London veröffentlichten Bericht.

«Wir beobachten einen erschreckenden Trend: Bewaffnete Gruppen, Milizen und Terrororganisationen gehen zunehmend brutal gegen die Zivilbevölkerung vor», sagte die Generalsekretärin der deutschen Amnesty-Sektion, Selmin Caliskan, bei der Vorstellung des Berichts in Berlin.

Der Einfluss von Islamistengruppen wie Boko Haram in Nigeria, Islamischer Staat in Syrien und im Irak sowie Al-Shabaab in Somalia reiche längst weit über Landesgrenzen hinaus. «Immer mehr Menschen leiden unter ihrer Gewalt und werden im Stich gelassen», erklärte Caliskan.

In ihrem Jahresbericht beschreibt die Organisation die Menschenrechtssituation in 160 Ländern. «2014 war ein katastrophales Jahr für Millionen von Menschen, die unter der Bedrohung durch Entführungen, Folter, sexualisierter Gewalt, Anschläge, Artilleriefeuer und Bomben auf Wohngebiete leben mussten.»

Kriegsverbrechen in der Ukraine

Die Referentin für Europa und Zentralasien bei Amnesty Deutschland, Marie Lucas, hob die Lage in der Ukraine hervor, wo «beide Konfliktparteien schwere Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen» begingen. Sowohl prorussische Separatisten als auch Kiew-nahe Freiwilligenbataillone starteten immer wieder Angriffe auf dicht besiedelte Gebiete.

Auch gebe es Berichte über «Entführungen, Verschwindenlassen, Folter und Misshandlung» von Journalisten, Demonstranten und anderen Zivilisten sowie von Kämpfern auf beiden Seiten.

Stark verschlechtert hat sich nach Einschätzung der Menschenrechtler im vergangenen Jahr auch die Lage im Irak. «Kämpfer des IS sind für Kriegsverbrechen und ethnische Säuberungen verantwortlich», sagte die Amnesty-Referentin für den Nahen Osten, Ruth Jüttner.

Die bewaffneten Konflikte hätten zur grössten Flüchtlingskatastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg geführt. Die Hauptlast trügen nicht die reichen Staaten, sondern die Nachbarländer der krisenbetroffenen Nationen.

Verzicht auf Veto gefordert

Die Reaktion der Weltgemeinschaft auf die zunehmende Gewalt und das Flüchtlingselend nannte Caliskan «beschämend». «Statt den Schutz der Zivilbevölkerung ins Zentrum internationaler Politik zu stellen, blockieren nationale, geopolitische und wirtschaftliche Interessen ein gemeinsames Handeln und heizen Konflikte noch weiter an.»

Von den ständigen Mitgliedern des UNO-Sicherheitsrats fordert Amnesty, im Fall von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen verbindlich auf ihr Veto zu verzichten.

Amnesty warnt Regierungen davor, im Kampf gegen nichtstaatliche Gruppen selbst Menschenrechte zu verletzen: «Ob in Washington oder Damaskus, in Abuja oder Colombo: In vielen Teilen der Welt haben politische Entscheidungsträger abscheuliche Menschenrechtsverletzungen mit der Gewährleistung der 'nationalen Sicherheit' gerechtfertigt», schreibt der internationale Amnesty-Generalsekretär Salil Shetty in einem Vorwort zum Jahresbericht.

Diskriminierung in der Schweiz

Amnesty untersucht traditionell auch die Menschenrechtssituation in der Schweiz. Die Nationale Kommission zur Verhütung der Folter (NKVF) sowie NGOs äusserten sich in einer Mitteilung weiterhin besorgt über die Behandlung Asylsuchender in der Schweiz. Kritisiert wurde im Jahresbericht etwa der Einsatz von Gewalt bei Abschiebungen.

Darüber hinaus wird der Schweiz empfohlen, eine «klare und übergreifende Definition von direkter und indirekter Diskriminierung auf allen Rechtsgebieten» einzuführen. So dürfe es etwa bei Personenkontrollen nicht zu Diskriminierungen aufgrund von Rasse und ethnischer Zugehörigkeit kommen.

Immerhin hielt der Bericht fest, dass «mehrere Volksinitiativen und Referenden der Schweizerischen Volkspartei» bisher nicht umgesetzt worden seien, da sie nicht dem Völkerrecht entsprechen. Ein «unabhängiger Mechanismus» müsse sicherstellen, dass Initiativen nicht zu Gesetzen führen, «die mit den Verpflichtungen der Schweiz nach internationalen Menschenrechtsstandards unvereinbar» seien.

(bg/sda)

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