Fortpflanzungsmedizin

Ständerat gibt Widerstand gegen Chromosomen-Tests auf

publiziert: Montag, 8. Sep 2014 / 19:49 Uhr
Wenn das Erbgut nicht untersucht wird, sollen drei Embryos in vitro gezeugt werden dürfen, sonst maximal acht.
Wenn das Erbgut nicht untersucht wird, sollen drei Embryos in vitro gezeugt werden dürfen, sonst maximal acht.

Bern - Der Ständerat hat seinen Widerstand gegen Chromosomen-Tests an im Reagenzglas gezeugten Embryos aufgegeben. Künftig soll ein Embryo vor der Einpflanzung in den Mutterleib auf Chromosomenstörungen untersucht werden dürfen.

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Das hat die kleine Kammer am Montag bei der zweiten Beratung des Fortpflanzungsmedizingesetzes mit 27 zu 18 Stimmen beschlossen. Sie ist damit dem Antrag ihrer Kommission gefolgt und auf die Linie des Nationalrats eingeschwenkt. In der ersten Runde hatte der Ständerat das so genannte Aneuploidie-Screening noch abgelehnt.

Mit dieser Methode werden in vitro gezeugte Embryos vor der Einpflanzung in die Gebärmutter auf numerische Chromosomenstörungen untersucht. Dadurch können beispielsweise Embryos mit Trisomie 21 (Down-Syndrom) ausgesondert werden. Zudem steigt die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Schwangerschaft.

Reproduktions-Tourismus

Der Nationalrat beschloss daher, dass Paare, die die Voraussetzungen für eine künstliche Befruchtung erfüllen, Aneuploidie-Screenings durchführen lassen dürfen. Damit könne verhindert werden, dass viele Paare für medizinisch unterstützte Fortpflanzung ins Ausland auswichen, sagte Kommissionssprecher Felix Gutzwiller (FDP/ZH).

Zudem würde den Paaren keine «Schwangerschaft auf Probe» mehr zugemutet. Heute dürfen am Embryo im Reagenzglas weniger Untersuchungen vorgenommen werden als am werdenden Kind im Mutterleib. Nach Ansicht der Screening-Befürworter könnten viele Schwangerschaftsabbrüche vermieden werden, wenn der Embryo schon vor der Einpflanzung untersucht würde.

Eine Minderheit im Ständerat kämpfte weiterhin für eine zurückhaltendere Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID). Wie der Bundesrat wollte sie dabei bleiben, dass nur jene Paare auf diese Methoden zurückgreifen dürfen, bei welchen eine Veranlagung für schwere Erbkrankheiten wie etwa Zystischer Fibrose bekannt ist. Statt rund 6000 wären das nur 50 bis 100 pro Jahr.

Machbarkeit und Effizienz dürften nicht die einzigen Kriterien sein, sagte Yvo Bischofberger (CVP/AI). Er warnte davor, Eltern durch die Zulassung des Aneuploidie-Screenings einem massiven gesellschaftlichen Druck auszusetzen, solche Tests durchzuführen. Auch Brigitte Häberli-Koller (CVP/TG) befürchtet, dass die Embryo-Selektion zur Regel werden könnte. Menschen mit Behinderung gehörten zur Gesellschaft und seien ebenso wertvoll wie gesunde, sagte sie.

Umstrittene Anzahl Embryos

Zwischen den Räten umstritten bleibt die Anzahl Embryos, welche ausserhalb des Körpers der Frau entwickelt werden dürfen. Bei der ersten Beratung hatte der Ständerat den Vorschlag des Bundesrats übernommen: Wenn das Erbgut nicht untersucht wird, sollen drei Embryos in vitro gezeugt werden dürfen. Wenn das Erbgut untersucht wird, sollen es maximal acht sein.

Der Nationalrat hingegen beschloss, überhaupt keine Zahl im Gesetz festzuschreiben: Es sollen so viele Embryos im Reagenzglas entwickelt werden dürfen, wie für eine erfolgreiche Schwangerschaft nötig sind. Der Ständerat hat nun den Vorschlag seiner Kommission übernommen, dass unabhängig von einer Untersuchung zwölf Embryos im Reagenzglas gezeugt werden dürfen.

De facto werde damit jede Beschränkung aufgehoben, weil ohnehin kaum mehr als zwölf Eizellen pro Zyklus gewonnen werden könnten, sagte Peter Bieri (CVP/ZG). Er plädierte für maximal zwölf Embryos, falls Untersuchungen durchgeführt werden und für fünf, falls dies nicht der Fall ist. Damit werde die Anzahl Embryos zwar erhöht, aber weiterhin klar beschränkt, sagte Bieri. Sein Antrag unterlag mit 22 zu 20 Stimmen.

Samen vom toten Spender

Vom Tisch sind die so genannten Retterbabys. Mittels HLA-Typisierung könnten im Reagenzglas gezeugte Embryos vor der Einpflanzung in den Mutterleib darauf untersucht werden, ob sie immunkompatibel mit einem erkrankten Geschwister sind und diesem beispielsweise mit einer Blutstammzellenspende helfen könnten. Ohne Test stehen die Chancen dafür bei rund 25 Prozent. Für die Mehrheit beider Räte geht das jedoch schon zu stark in Richtung Selektion.

Festgehalten hat der Ständerat an seinem früheren Entscheid, dass Samenzellen auch noch nach dem Tod des Samenspenders verwendet werden dürfen. Der Nationalrat will die Verwendung männlicher wie weiblicher Keimzellen nach dem Tod verbieten.

Die Vorlage geht nun wieder an den Nationalrat. Das letzte Wort hat aber ohnehin das Volk, da es für die Erhöhung der Zahl in vitro erzeugter Embryos eine Verfassungsänderung braucht. Zudem denken insbesondere kirchliche Kreise laut über ein Referendum nach.

(fest/sda)

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