Die Zurückhaltung des französischen Captains ist mehr als
höfliches Understatement. Die Schweiz darf sich berechtigte
Hoffnungen auf den zweiten Sieg gegen Frankreich (nach dem Erfolg
im letzten Duell im Viertelfinal 1992 in Nîmes) und die zweite
Halbfinal-Qualifikation überhaupt machen.
Beide Captains werden ihre Vierer-Teams offiziell erst vor der
heutigen Auslosung nominieren. Während bei den Franzosen
tatsächlich noch Zweifel bestehen, scheint im Schweizer Lager klar,
dass Rosset ins Team zurückkehrt und auch spielen wird.
Roger Federer, der vor zwei Jahren mit einem Sieg gegen
Sanguinetti (It) ebenfalls in Neuenburg debütiert hatte, war im
ersten Teil des Jahres der weltweit beste Spieler auf
Hallenplätzen. Er wurde nach seinem Turniersieg in Mailand, der
«One-Man-Show» im Daviscup gegen die USA, dem Halbfinal in
Marseille und dem Final in Rotterdam folgerichtig zum «Spieler des
Monats» gewählt. In Neuenburg greift Federer wieder auf dasselbe
Racketmodell wie damals zurück, denn auf Key Biscayne war er mit
einem leichteren Modell beim Aufschlag unzufrieden.
Rosset: Neustart in Neuenburg
Während der Schweizer Leader Federer als Teenager in den letzten
Partien in Ermangelung einer starken Nummer 2 quasi zum dreifachen
Matchgewinn verdammt war, bringt ihm Rossets Rückkehr
möglicherweise Erleichterung. Der Genfer, der nach schier endlosen
Streitigkeiten nun erstmals unter Hlasek antreten wird, gewann zwar
heuer noch nie zwei Partien am selben Turnier und erinnerte zuletzt
auf Key Biscayne punkto Selbstvertrauen an ein Häufchen Elend;
Rosset ist aber indoor allemal für einen Punkt gut. In Neuenburg
könnte er zu einem Neustart in bessere Zeiten ansetzen -- in
spezieller Atmosphäre vor rund 5000 Zuschauern gegen seine
französischen Copains, gegen die er mehr Spiele gewonnen als
verloren hat, und in einem Wettbewerb, den er liebt (Bilanz 36:18,
Einzel 24:12) wie auch auf einem Belag, der ihm zusagt.
Auf dem alten Greenset-Boden gründen die Schweizer Hoffnungen
(und die französischen Zweifel). «Einen ähnlich schnellen Belag
findet man nur noch in Moskau», erklärte etwa der nicht eben
begeisterte Arnaud Clément. Rossets Affinität für das Turnier in
der russischen Kapitale ist bekannt: 1992 und 1993 gewann er dort
den «Kreml-Cup», im Vorjahr hinderte er im Halbfinal beinahe
Jewgeni Kafelnikow an dessen viertem Triumph hintereinander in
dessen Heimturnier. «Wir wollen Marc helfen, bis Freitag eine
bessere Form zu finden», sagte Hlasek. «Wenn dies gelingt, dann
spielt er. Er ist auf gutem Weg dazu.»
Das Doppel als Bank
Das von Forget für Freitagabend gewünschte 1:1 wäre eher
vorteilhaft für die Schweiz. Im Doppel hat das im Prinzip gesetzte
Doppel Federer/Manta zuletzt dreimal gewonnen; der Winterthurer ist
seit nunmehr acht Daviscup-Doppelpartien ungeschlagen. Vorher hatte
er fünfmal mit Rosset triumphiert, womit Hlasek über eine Luxus-
Ersatzvariante verfügt. Weniger rosig ist die Lage bei den Gästen,
wo allgemein Cédric Pioline/Fabrice Santoro erwartet werden. Die
beiden früheren Intimfeinde haben sich zusammen gerauft und waren
bei ihrer Premiere im Februar in Belgien erfolgreich.
Ohne Clément?
Die Qual der Wahl hat Forget bei der Nomination seiner
Einzelspieler, wofür Sébastien Grosjean, Clément, Pioline und
Nicolas Escudé in Frage kommen. Grosjean dürfte gesetzt sein. Als
Überzähligen könnte es aufgrund der Schnelligkeit des Belags
ausgerechnet dessen Freund Clément erwischen, obwohl der «Speedy
Gonzales des Welttennis» am besten klassiert ist, in Melbourne den
Final erreichte und dort in der 3. Runde mit seinem ungewöhnlichen
Spiel Federer zur Verzweiflung brachte.
Auch Hlasek muss einen Stichentscheid treffen. Verletzungen in
letzter Minute einmal ausgenommen, wird entweder George Bastl oder
Michel Kratochvil auf der Tribüne Platz nehmen müsssen. Wegen des
Bodens könnte Kratochvil ausscheiden, der im gestrigen
Morgentraining an der Kondition arbeitete, während die übrigen Vier
auf dem Platz standen.
«Schweizer» Duell
Schweiz - Frankreich wird ein «freundschaftliches» Duell, sofern
dies im patriotischsten aller Tennis-Wettbewerbe überhaupt möglich
ist. Die Spieler verstehen sich gut, die Captains Hlasek und Forget
sind langjährige Freunde, und neun von zwölf Protagonisten haben
ihren Wohnsitz in der Schweiz -- alle ausser Grosjean, Santoro und
Rosset.
(kil/sda)