Therwiler Handshake

publiziert: Mittwoch, 20. Apr 2016 / 08:50 Uhr / aktualisiert: Mittwoch, 20. Apr 2016 / 09:08 Uhr
Händeschütteln: Zum Schutz von sich selbst und anderer diese Tradition aufgeben?
Händeschütteln: Zum Schutz von sich selbst und anderer diese Tradition aufgeben?

Kein Zusammenprall der Zivilisationen sondern der Fundamentalisten ist es, wenn ein von Pubertierenden verweigerter Handshake hierzulande zur Staatsaffäre wird.

3 Meldungen im Zusammenhang
Weiterführende Links zur Meldung:

Grippe-Informationsseite
Seite des Bundesamtes für Gesundheit BAG über Grippevorbeugung durch Händewaschen und nicht Handschütteln
bag.admin.ch

Wir gegen Viren
Infoseite zur Vermeidung von Ansteckungen durch virale Infekte.
wir-gegen-viren.de

Es ist zum Schreien, welche mediale Aufmerksamkeit die Handshake-Verweigerung von zwei Minderjährigen in der Schweiz zu erringen vermochte. Innert weniger Tage haben sich Politiker und Politikerinnen aller Regierungsparteien wortreich zum schweizerischen Kulturerbe des Händeschüttelns bekannt. Nur ab und zu eine besonnene Stimme, die einwarf, dass es keineswegs seit jeher an hiesigen Schulen üblich war, jedem Schüler und jeder Schülerin täglich die Hand zu schütteln, und dass die Geschichte nicht zum Clash der Kulturen hochgekocht werden sollte.

Es ist befremdlich, wenn im 21. Jahrhundert, in dem wir so ziemlich alles aus aller Welt importieren und konsumieren, das Heimatgefühl sich auf Förmlichkeiten beruft und sie zum unveränderlichen Kulturerbe erhöht. Jede Kultur ist ein Erbe, jede Epoche hat neue Moden und Sitten definiert und alte Moden und Sitten abgelegt. Nur so konnte sich die Zivilisation entwickeln. Deshalb ist es einfach lächerlich, sich gegenüber Fundamentalisten religiöser Provenienz mit Fundamentalismen kultureller Provenienz aufzuspielen. Mit dem Bewusstsein über die Veränderbarkeit von Kultur - und damit auch Religion - sollten wir den Fundamentalisten, die sich auf teils über 2000 Jahre alte Bücher berufen, eine aufgeklärte Haltung entgegenstellen: Wenn ein Brauch von Aussenstehenden infrage gestellt wird, kann man diese Herausforderung auch einfach annehmen und sich fragen, warum der Handshake denn entstanden ist, ob diese Tradition heute noch wünschenswert ist, oder ob sie eventuell ihren Zweck verloren hat, oder gar schädlich geworden ist - genau das also, was wir von den Muslimen im Umgang mit ihren Traditionen und religiösen Geboten erwarten.

Als Quelle des westlichen Händedrucks wird meist das Präsentieren der leeren Waffenhand als Zeichen der Freundschaft (unter Männern, notabene!) genannt. Da wir nun kulturell doch so weit sind, dass auch Männer nicht mehr dauernd Waffen tragen, ist dieser Zweck nicht mehr zu erfüllen. Seit 2010, seit den Schweine- und Vogelgrippepandemien, rät das Bundesamt für Gesundheit BAG auf der Webseite vom Händeschütteln sogar ausdrücklich ab und verbreitet das deutsche Robert Koch-Institut in der Kampagne «Wir gegen Viren» den munter Peer Gynt pfeifenden Werbespot, welcher der Bevölkerung klar machen soll, dass Viren durch Händekontakt weiterverbreitet werden.

Aus Sicht des «egoistischen Gens» (Richard Dawkins, 1976) stehen wir Menschen biologisch im Dienste der Gene und ist das Händeschütteln wohl ein Geniestreich in der Evolution der Viren. Nachdem die Wissenschaft dies nun enttarnt hat, können wir uns also mit kulturellem Fortschritt dagegen wehren und unsere Traditionen, unsere Meme, verändern. Wir können uns zum Beispiel mit häufigem Händewaschen oder dem Gebrauch von Desinfektionsmitteln dagegen schützen.

Wir können aber auch den Ball der frömmelnden Muslimen aufnehmen und sagen: Wir sind bereit, unsere Traditionen zu hinterfragen. Nach heutigem Wissen ist das Händeschütteln nicht mehr nötig und eventuell sogar schädlich. Wir geben deshalb als aufgeklärte, wissenschaftsorientierte Menschen aus humanistischen Gründen - zu unserem eigenen Schutz und zum Schutz aller - diese beliebte und gelebte Tradition auf und praktizieren sie insbesondere an den Schulen zum Schutz der Kinder ab sofort nicht mehr.

Sind wir aufgeklärt genug, aus dem mittlerweile weltbekannten Therwiler Handshake keine Staatsaffäre zu machen?

(Reta Caspar/news.ch)

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