Kaum war die Gruppenauslosung zur WM 2006 in Deutschland vorbei, stürmte ein Kollege unsere Stammbeiz. Ist das nicht ein Traumlos? Beinahe hätte er ob der Gegner alle auf ein Bier eingeladen. Euphorie pur. Irgendwann fiel noch das Wort Weltmeister, aber das schreiben wir besser dem Alkohol zu.
Euphorie auch im Blätterwald vom Samstag. Die Medien geizten nicht mit dem Wort Traumlos. Dabei wäre Geiz in diesem Fall wirklich geiler. Ein Blick auf die Fifa-Weltrangliste zeigt das Frankreich im November den 5. Platz belegte, Südkorea den 29., Togo den 56. und die Schweiz Rang 36. So einfach wird die Aufgabe nicht werden. Es ist ein Endrunden-Turnier!
An Frankreich hat die Schweiz gute Erinnerungen. Das Team brachte die Mannschaft der «Grande Nation» an den Rand der Niederlage. Und das trotz der Rückkehr dreier, alternder Nationalhelden um den Superstar Zinedine Zidane. Chapeau! Doch die Helden präsentieren sich müde. Trotzdem: Die Franzosen haben Turnier-Erfahrung. Daran mangelt es der Schweizer Mannschaft (noch).
Gleichzeitig gibt es aus Schweizer Sicht das berühmte «da war doch noch…». Richtig. An der WM 2002 blamierten sich die fast gleichen Franzosen bis auf die Knochen - Aus in der Vorrunde. Spott und Hohn ergossen sich kübelweise über die Stars und ein Land weinte. Auch der Fussball hatte dazu Grund, die Franzosen hätten das Potenzial gehabt, die WM sportlich zu bereichern. Schade.
Und wer erinnert sich nicht an die Auftritte der Südkoreaner an der WM 2002. Immer wenn die Gegner glaubten, sie hätten die zähen Asiaten (endlich) bezwungen, legten diese «eine Schippe drauf» und ab ging die Express-Post. Ihr Laufpensum unterschied sich in der 90. Minute nicht vom dem in der ersten Halbzeit. Wann werden die endlich müde!
Aber den Höhenflug hatten sie auch den Schiedsrichtern zu verdanken. Erst benachteiligte das Schiedsrichtergespann um Moreno die Italiener klar, wobei sich diese den Luxus einer katastrophalen Chancenauswertung leisteten. Die defensive Leistung war auch genügend. Höhepunkt war das «Kopfballduell» von Maldini gegen Ahn in der 116. Minute – Golden-Goal für Südkorea bei fast 30 Zentimeter Grössenunterschied. Die Italiener kehrten morgens um drei zurück, durch die Hintertür. Für die Tomatenhändler ein bedeutender Umsatzverlust.
Auch gegen die Spanier hatten die Südkoreaner im Schiedsrichter einen guten Freund. Er aberkannte zwei reguläre Tore des Favoriten, verhalf den Asiaten zur Halbfinalqualifikation im Elfmeterschiessen. Dort war gegen Deutschland Schluss und das Spiel gegen den dritten Platz – gegen die Türkei! – ging ebenfalls verloren. Die Luft war draussen.
Togo ist der unbekannte Faktor im Spiel. Die Afrikaner sind zum ersten Mal an einer WM dabei. Die Helden des Teams sind aber in erster Linie Nigerianer. Ihr Trainer Keshi war einst Nationalspieler bei den «Golden Eagles», die Stürmer Adebayor und Oulfade sind ebenfalls gebürtige Nigerianer. Es gibt also keinen Anlass, die Togoer zu unterschätzen. Aber immer noch besser, als Tunesien, den amtierenden Afrikameister zugelost zu bekommen. Das wäre hart gewesen.
Ist es also wirklich ein Traumlos, welches dem Team von Nationaltrainer Köbi Kuhn beschert wurde? Möglicherweise, das hängt in erster Linie von den Schweizern selber ab. Nur wenn alle ihre maximale Leistung abrufen, reicht es um die Gruppenspiele zu überstehen. Sollte das gelingen, wird es bestimmt für die Lokalrunde meines Kollegen reichen. Ganz sicher sogar. Ich bestelle im Vorfeld jedenfalls bereits mein (alkoholfreies) Bier. Hopp Schwiiz!
(von Thomas Riesen/news.ch)
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