Ukraines Trainer vertraut am meisten sich selbst

publiziert: Montag, 26. Jun 2006 / 07:10 Uhr / aktualisiert: Montag, 26. Jun 2006 / 07:42 Uhr

Oleg Blochin (53) ist kein Freund der grossen Worte. Der einstige Weltklassestürmer schweigt lieber als dass er spricht. Ukraines Trainer schiebt Informationen schnell den Riegel. Er vertraut nicht vielen, am meisten sich selbst und hat damit Erfolg.

Disziplin heisst Blochins oberstes Credo.
Disziplin heisst Blochins oberstes Credo.
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Wenn Oleg Blochin durchs Stadion am Luftschiffhafen in Potsdam schreitet und seinen starren Blick auf den Rasen wirft, sieht er noch mürrischer und unnahbarer aus als sonst. Er weiss trotz dem Vorstoss seines Teams in die Achtelfinals immer noch nicht, wo seine Mannschaft steht.

«Ich habe als Spieler an zwei Weltmeisterschaften teilgenommen (1982 und 1986, die Red.), aber noch nie als Trainer. Wir sind hier um zu lernen und Erfahrungen zu sammeln», sagte Blochin bei einer seiner raren Wortmeldungen.

Der schweigsame und kauzige Blochin, «Blocha» (der Floh) genannt, schottet sich und seine Mannschaft in alter Sowjetmanier von der Öffentlichkeit ab. 15 Minuten Zulass der Medien beim Auslaufen der Ersatzspieler am Tag nach der Achtelfinalqualifikation - das muss vor dem Duell gegen die Schweiz genügen.

Den Spielern erteilte er Redeverbot, das Teamhotel in Potsdam gleicht einem abgeschiedenen Kloster. Konzentration und Besinnung heissen Blochins Argumente hiefür. «Still», umschreibt der Feldherr und Selektionär seinen eigenen Stil.

Funktionär im Doppelamt

Seit fast drei Jahren ist Blochin als Fussball-Teamchef in Europas zweitgrösstem Staat im Amt. Und er hat beachtliche Erfolge aufzuweisen. Der ehemalige Stürmerstar von Dynamo Kiew (112 Länderspiele/42 Tore und 432 Ligaspiele/211 Tore) führte die Ukraine in deren drittem Anlauf erstmals an die WM-Endrunde.

Blochin wurde in seiner Heimat schon als Aktiver ein Fussball-Denkmal gesetzt. Mit Dynamo Kiew wurde er sieben Mal Meister der Sojetunion, zweimal gewann er den Europacup der Cupsieger und 1975 wurde er zu «Europas Fussballer des Jahres» gewählt.

Diese Meriten haben ihm einen Bonus verschafft. Doch als Trainer ist er vor allem wegen seiner politischen Zugehörigkeit und seinem Doppelmandat umstritten. Blochin ist nicht nur Fussballtrainer, sondern auch Politiker. Als Abgeordneter der sozialistischen Partei sitzt er im ukrainischen Parlament, im Ausschuss für Tourismus, Jugend und Sport.

Beinahe hätte ihn dieses Doppelmandat den Job an der Seitenlinie gekostet. Im vergangenen Jahr verabschiedete die neue Regierung unter Viktor Juschtschenko ein Anti-Korruptions-Gesetz. Darin wurde festgehalten, dass kein Parlamentarier weitere Ämter im Staat bekleiden darf.

Blochin war vor die Wahl gestellt und entschied sich für die Politik. Mit pathetischen Worten hatte er sich vom Fussball verabschiedet: «Schweren Herzens verlasse ich die Nationalmannschaft, die mir alles bedeutet.»

Es entbrannte ein parteipolitischer Streit um die Zukunft Blochins, der das Parlament in zwei Fronten teilte. Erst nach einem Gerichtsentscheid im März 2005 durfte er wieder Nationalcoach sein. Und der Freund der alten Staatsmacht bedankte sich auf seine Art mit der WM-Qualifikation als Gruppenerster vor Europameister Griechenland, Dänemark und der Türkei.

Gehalt als Abgeordneter

Eine Sonderprämie hat «Blocha» für seine historische Tat nicht erhalten. Er lässt sich ausschliesslich von seinem Gehalt als Abgeordneter entschädigen. Das war einer seiner Bedingungen. Die Kritiker vermuten aber weiterhin eine Vermischung der Ämter.

Deshalb ist die Skepsis nicht überall gewichen. Nur weitere Grosstaten einigen Politiker. «Im Namen von Millionen ukrainischer Fans danke ich den Spielern für ihre historische Leistung», schrieb Präsident Juschtschenko nach dem Achtelfinal-Einzug in einem Telegramm an Blochin.

Blochin ignoriert all diese Begleiterscheinungen. Seine Haltung erheischt Respekt. Seine strengen Sitten werden geduldet, obwohl er nicht mehr so launisch ist wie als Spieler.

Der Ur-Kiewer, der seine ersten 12 Jahre als Trainer in Griechenland verbrachte, war ein glühender Verehrer von Waleri Lobanowski, dem kühlen Wissenschaftler des sowjetischen Fussballs. Lobanowski war ein umtriebiger Düftler, der den Fussball bis ins Detail analysiert und erforscht hat. Er starb 2002 an einem Schlaganfall.

Blochin trat sein fussballphilosophisches Erbe an. Disziplin heisst sein oberstes Credo. Und dennoch sagt Blochin mit scharfer Stimme: «Vergleicht mich nicht mit Lobanowski. Ich bin Blochin», und konsultiert sein Uhr, «nun ist auch Blochin wieder still.»

(von Peter Wyrsch (Si), Potsdam/Si)

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