Unausweichliche Polemik um den «reinen Romand»

publiziert: Freitag, 19. Jun 2009 / 10:40 Uhr

Lausanne - Fulvio Pelli hat mit der Aussage, dass Urs Schwaller als Deutschschweizer für die Nachfolge von Pascal Couchepin nicht in Frage komme, wenig überraschend eine Polemik ausgelöst. Wer über Wählbarkeitskriterien streitet, kämpft um die Definitionshoheit.

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Die Frage nach der sprachlichen und kulturellen Verwurzelung des Deutschfreiburger CVP-Ständerats Urs Schwaller wäre deshalb auch ohne Pellis Interview aufgeworfen worden. Eines ist nämlich klar: Die Mehrheit im französischsprachigen Landesteil empfindet Schwaller als Deutschschweizer.

Noch gibt es aus der Romandie keine repräsentative Umfrage dazu. Doch sind die Hinweise zahlreich, dass - wie es der Genfer Soziologe Uli Windisch sagt - «Schwaller bei der grossen Mehrheit nicht als Welscher gilt».

Mangelnde Akzeptanz als Welscher

Eine Umfrage bei über einem Dutzend Schweizer Journalisten französischer Muttersprache ergab eine Drei-Viertel-Mehrheit für diese Haltung. Und die Mehrheit der Editorialisten jenseits der Saane erteilten Schwaller ein No-Go.

Ins Feld führen sie nicht seine Französischkenntnisse. Die stufen sie höher ein als jene von Jean Ziegler und Ueli Leuenberger, die trotz ihrer Berner Wurzeln als Romands gelten. Schwaller gehöre kulturell der Deutschschweiz an und habe seine gesamte Politikerkarriere als Deutschschweizer absolviert, argumentieren viele. Deshalb bleibe er ein Deutschschweizer.

Für den Politologen Bernard Voutat sind die Argumente hüben wie drüben keine Überraschung. Sprach-, Kultur-, Religions- und andere Gräben existierten nur, wenn die Beteiligten die Unterschiede ideologisch anreicherten und instrumentalisierten, sagt der Lausanner Professor.

Lange Zeit sei beispielsweise die Sprache in der Jurafrage im Hintergrund geblieben. Erst später wurde die Sprache von den Separatisten auf den Schild gehoben. Viele Menschen begannen daran zu glauben, dass es wegen der sprachlichen und kulturellen Unterschiede besser sei, eigene Wege zu gehen.

Instrumentalisierungsversuche

Für Voutat ist der Instrumentalisierungsversuch Pellis zugunsten seiner Partei offensichtlich. Aber von diesem Vorwurf ist niemand gefeit, der sich an der Nachfolge-Debatte beteiligt.

Auch die nicht, welche - wie ein «Tages-Anzeiger»-Kommentator - die Forderung nach dem «reinen Romand» als «unwürdig» ablehnen oder die Eignung eines Kandidaten - wie SP-Präsident Christian Levrat - vor allem an dessen Persönlichkeit messen wollen. Ihnen könnte man vorwerfen, dass sie so die Türen für den aussichtsreichsten CVP-Kandidaten und damit für eine Mitte-Links-Regierung offen halten wollen.

Trotz der Instrumentalisierungsversuche warnt Voutat davor, dem unterschiedlichen Blick einer Minderheit auf den Sprach- und Kulturgraben nicht Rechnung zu tragen. Werde die Meinung einer Minderheit nicht angemessen berücksichtigt, könne dies zum Hebel für weit extremere Forderungen werden.

Vernachlässigtes Tessin

Aus Unterschieden und Gräben würden dann Konflikte, umschreibt Windisch dieses Phänomen. Die Symbol- und Integrationskraft eines Bundesrats für Minderheiten dürfe deshalb nicht unterschätzt werden. Genau dies tue, wer bei der Wahl eines Bundesrats nur die Kompetenzen der Kandidaten berücksichtigen wolle.

Ungleichgewichte in der Regierungszusammensetzung führten zu Spannungen. Die lateinische Schweiz muss aus Sicht des Genfer Professors mindestens mit zwei Personen vertreten sein. Dass die Minderheiten dabei auf Personen pochen, die sie zu den Ihren zählen, sei gerade wegen der Identifikationsrolle eines Bundesrats legitim.

Handlungsbedarf sieht Windisch vor allem für das Tessin. Mangels Integrationsfigur werde die Distanz zum Gesamtstaat immer grösser. In einer vom Westschweizer Wochenmagazin «L'Hebdo» in Auftrag gegebenen Umfrage fühlten sich die Tessiner weit weniger mit der Schweiz verbunden als die Welschen oder die Deutschschweizer.

(bert/sda)

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Bleibt bis Oktober: Pascal Couchepin.
Einverstanden Pio
Ich meine nur, wenn schon diese unsägliche Diskussion ob ein Fribourger Romand oder Deustchweizer ist, denn schon.
Warum?
Warum sollte ein Bundesrat einen Kanton oder eine Minderheit vertreten? Ein Bundesrat ist doch gesamthaft für die ganze Schweiz (Tessin inbegriffen!) zuständig. Sonst müssten wir mindestens 40 Bundesräte haben, damit jeder Kanton, jede Sprache und jede Minderheit im obersten Gremium persönlich vertreten wäre.
Tessin
Es geht mir hier nicht um Parteien oder Personen. Wichtige Anmerkung vorab.

Ich bin halb Tessiner und mir gehen diese Diskussionen auf die Nerven. Man redet immer vom Röschtigraben und Minderheiten, dabei meist nur von den Romands und dem Wallis. Ich habe echt nicht das Gefühl das die Romands je untervertreten waren. Das Tessin schon.

Die Tessiner werden seit langem zu wenig gewichtet. Wir sollen einfach die Ferienecke der Schweiz sein.

Ein Bundesrat soll Französisch für die Romands sprechen können. Haben Sie schon mal gehört er sollte Italienisch für eine der eigentlichen Minderheit sprechen können?
CVP-Bundesrat aus dem Tessin
Die CVP könnte ja ihren Tessiner Ständerat nominieren, welcher dannzumal das EJPD oder das UVEK übernehmen könnte. Meine wirkliche Meinung ist, einen Kandidaten zu nominieren, der einem noch zu definierenden Anforderungsprofil entsprechen muss. Das Parteibuch alleine (egal welches) genügt nicht für ein derart wichtiges Amt!
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