Unter welchen Umständen gelingt das Energiesparen?

publiziert: Donnerstag, 31. Mai 2012 / 09:11 Uhr
Daniel Spreng ist emeritierter Professor, Bereich Energiewirtschaft und Energieanalyse.
Daniel Spreng ist emeritierter Professor, Bereich Energiewirtschaft und Energieanalyse.

Im April hat der Bundesrat Elemente seiner Energiestrategie 2050 publiziert, sozusagen die Kurzanleitung für die Energiewende. Neben Hinweisen zum Ausstieg aus der Kernenergie und zu Bedingungen für den allfälligen Bau von Gaskraftwerken, enthält die Strategie vor allem Massnahmen zur Förderungen des Energiesparens und der erneuerbaren Energien.

2 Meldungen im Zusammenhang
Weiterführende Links zur Meldung:

Neuste IEA-Publikation
International Energy Agency: «Golden Rules for a Golden Age of Gas: World Energy Outlook 2012 special report on unconventional gas»
worldenergyoutlook.org

Wie es einer Verwaltung geziemt, handelt es sich um eine Liste von Massnahmen, die Parlament und Volk zur Diskussion und Beschlussfassung vorgelegt werden. Die Gefahr ist gross, dass die Liste als Auswahlsendung missverstanden wird.

Vor einem Jahr den Ausstieg zu beschliessen war leicht. Schwierig ist, den Ausstieg nicht einfach durch Import - samt der damit verbundenen Abhängigkeit - zu erkaufen. Insbesondere, weil der Trend weltweit in Richtung mehr Gas geht: Grosse neue Vorkommen werden entdeckt, Pipelines und riesige Gasverflüssigungsanlagen werden gebaut. Sowohl der Import von Strom als auch der Import von Gas und der Bau von Gaskraftwerken wären damit möglich, entsprechen aber nicht den bisherigen Zielen der schweizerischen Energiepolitik. Wenn man keinen zusätzlichen Import will, ist guter Rat teuer.

Noch hat Europas Tun, unsere Institutionen, Gesetze, politischen Abläufe und unsere Technik, gewissen Vorbildcharakter. Hohe Prioritäten haben die Entwicklung von Techniken und von Institutionen zum Aushandeln von Interessenskonflikten, zur Überwindung des St.Florian-Prinzips1 sowie bei der Nutzung von erneuerbaren Energien. Ebenso wichtig ist die Erprobung effektiver politischer Massnahmenbündel, welche zu Energieeinsparungen führen.

Politische Priorität - aber mit bescheidenem Erfolg

Die «rationelle Nutzung» von Energie war in den letzten 40 Jahren wiederholt auf dem erstem Platz der politischen Prioritäten, mindestens wenn es um Absichtserklärungen ging. Trotzdem blieb der Erfolg der getroffenen politischen Massnahmen bescheiden, wenn das Ziel ein Minderverbrauch von Energie war. Das ist nicht überraschend, denn die Umsetzung der vorgeschlagenen Massnahmen war bisher immer nur partiell:

  • Wirksame - und damit für einige Gruppen schmerzhafte - Energiesteuern oder entsprechende Abgaben fanden in kaum einer Demokratie politische Akzeptanz. Anders lief dies bei Treibstoffsteuern. Diese sind zum Teil recht hoch. Sie wurden in den meisten Ländern jedoch über die Jahre wenig verändert und hatten darum keine sichtbaren Einflüsse. Im Vergleich zwischen USA, Japan und Europa sind die Effekte jedoch gewaltig, bis hin zu deutlichen Auswirkungen auf die Verkehrs- und Siedlungsgestaltung.
  • Verbrauchsvorschriften konnten nur erlassen werden, wenn der technische Fortschritt die Einhaltung der Vorschrift leicht machte.
  • Kennzeichnungsvorschriften bezüglich des Energieverbrauchs von Apparaten und Geräten - sowie real-time Verbrauchsanzeigen - beschleunigten zwar die Markteinführung effizienterer Produkte. Ebenso haben Ausbildung und Erfahrungsaustausch zwischen Energiefachleuten zur Verbreitung von neuem Energiewissen beigetragen und die Umsetzung des technischen Fortschritts beschleunigt. Contracting konnte helfen, die Verantwortung für den Energieverbrauch auf Akteure zu übertragen, die profundes Energiewissen haben. Aber nur hier und dort führte all dies insgesamt zu Einsparungen.
  • Mit (und ohne) gezielte Technikförderung erhöhte sich die Energieeffizienz in allen Bereichen stetig und trotzdem nahm der Energieverbrauch zu. Eine Trendumkehr wäre nur möglich gewesen, wenn durch die technische Entwicklung die Energieeffizienz schneller erhöht worden wäre als die Arbeitsproduktivität und die Kapitalproduktivität2. Darauf wurden in Forschung &Entwicklung aber nicht geachtet. Im Gegenteil; die Verbesserung von Arbeitsproduktivität und Kapitalproduktivität wurde von Forschern, Entwicklern und Auftraggebern begrüsst und angestrebt. Man sprach von «co-benefits»: Die Forschungsresultate führten zu Techniken, die nicht nur energiesparend waren, sondern auch Arbeits- und Investitionskosten sparten. Energiekosten wären meist zu gering gewesen, als dass neue Techniken eingeführt worden wären, wenn sie nur Energie gespart hätten.

Massnahmen müssen kombiniert und aufeinander abgestimmt werden

Sowohl unser Wirtschaftssystem als auch unser politisches System sind auf Wachstum getrimmt. Technikentwicklung kann zur Einsparung von Energie führen, wenn die Inputpreise für Energie, Arbeit und Kapital langfristig in einem neuen Verhältnis zueinander stehen. Man kann das nicht dem Markt überlassen. Die genannten Massnahmen 1 bis 4 müssen miteinander kombiniert werden: Technikentwicklung (in einer Situation in der Energiesparmassnahmen viel willkommener sind als Einsparungen von Arbeits- und Investitionskosten), Massnahmen zur Beschleunigung von deren Markteinführung, Erlass von Energieverbrauchsverordnungen (teilweise basierend auf den neuen technischen Möglichkeiten) und die Erhebung massiver Energiesteuern (bei gleichzeitiger Senkung der Lohnsteuern). Zudem müssen die Massnahmen 1 bis 4 in ihrer Dosierung auf einander abgestimmt sein.

Massnahmenliste in der Energiestrategie ist keine Auswahlliste

Ist all dies möglich in einer Demokratie? Verbietet die Wahrung des Besitzstandes ein solches Vorhaben? Die Energiestrategie 2050 enthält all die erwähnten Energiesparmassnahmen. Die Verwaltung hat die Aufgabe, eine solche Liste, in ruhigem, sachlichem Ton, zur Diskussion zu stellen. Doch wahrscheinlich wird die Liste als Auswahl missverstanden werden. Gesucht ist die wohl dosierte Kombination, die sowohl wirksam als auch politisch umsetzbar ist.

Ähnlich wie bei der Rettung des Euros ist es eine Frage der Dringlichkeit. Wenn genügend viele Bürger realisieren würden, dass es ums Überleben geht, dann würde die Bereitschaft gross sein, den Besitzstand zu hinterfragen und schmerzhafte Massnahmen zu akzeptieren. Wir haben geld- und energiemässig massiv über unsere Verhältnisse gelebt. Energiesparen ist kein Spaziergang.

1 Das St.Florian-Prinzip (auf Englisch «nimby» - not in my backyard) bezeichnet Verhaltensweisen, mögliche Bedrohungen oder Gefahrenlagen nicht zu lösen, sondern auf andere zu verschieben.

2 Im Bereich der privaten Nachfrage kann man bei der Arbeitsproduktivität an Zeiteinsparungen denken und bei der Kapitalproduktivität an Anschaffungskosten.

(Prof. Daniel Spreng/ETH-Zukunftsblog)

Lesen Sie hier mehr zum Thema
Strassburg - Die EU-Staaten müssen künftig ihren Energieverbrauch jährlich um ... mehr lesen
Die so genannte Energieeffizienz-Richtlinie soll in nationales Recht umgesetzt werden.
Die Konzernchefs von Skyguide, Swisscom, Post und SBB zusammen mit der Energieministerin.
Bern - Die vier bundesnahen Unternehmen SBB, Post, Swisscom und Skyguide wollen ihren Energieverbrauch und den CO2-Ausstoss im Zuge der Energiestrategie 2050 weiter reduzieren. Gemeinsam mit ... mehr lesen
.
Digitaler Strukturwandel  Nach über 16 Jahren hat sich news.ch entschlossen, den Titel in seiner jetzigen Form einzustellen. Damit endet eine Ära medialer Pionierarbeit. mehr lesen 22
Die Techbranche verschleiert ihren CO2-Fussabdruck so gut es geht.
Die Techbranche verschleiert ihren CO2-Fussabdruck so ...
Studie zeigt fehlende Daten bei Scope-3-Treibhausgasen  Unternehmen der Digitaltechnologie-Branche geben die Treibhausgas-Emissionen, die entlang der Wertschöpfungskette ihrer Produkte entstehen, deutlich zu niedrig an. 56 grosse Tech-Unternehmen haben 2019 insgesamt mehr als die Hälfte dieser Emissionen nicht veröffentlicht, zeigt eine Studie der Technischen Universität München (TUM). mehr lesen 
Ständerat schwenkt auf Linie des Nationalrats  Bern - Grosswasserkraftwerke sollen Subventionen erhalten, wenn sie den Strom zu tiefen Preisen verkaufen müssen. Darauf haben sich die eidgenössischen Räte geeinigt. Der ... mehr lesen
Finanzhilfen für bestehende Grosswasserkraftwerke waren im ersten Massnahmenpaket zur Energiestrategie ursprünglich nicht vorgesehen.
Im Mittelpunkt steht die Umsetzung des Klimaabkommens von Paris.
Treffen der deutschsprachigen Umweltminister  Melk - Die Umweltministerinnen und -minister der deutschsprachigen Länder haben sich nach einem Treffen in Österreich für die Forcierung ... mehr lesen  
ETH-Zukunftsblog Eine zentrale Herausforderung der Energiewende ist es, die schwankende Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen auszugleichen. Eine ... mehr lesen  
Mit Biogas betriebene Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen (WKK) können fluktuierenden Solarstrom kompensieren und Gebäude beheizen.
Titel Forum Teaser
  • melabela aus littau 1
    es geht nicht nur um homosexuelle ich bin eine frau und verheiratet mit einem mann. leider betrifft es ... So, 14.08.16 13:18
  • Pacino aus Brittnau 731
    Kirchliche Kreise . . . . . . hatten schon immer ein "spezielles" Verhältnis zu ... Do, 09.06.16 08:07
  • Kassandra aus Frauenfeld 1781
    Das wird die Deutschen aber traurig machen. Wenn man keinen Flughafen und keinen Bahnhof ... Mi, 08.06.16 17:49
  • Pacino aus Brittnau 731
    Demokratie quo vadis? Wenn die Demokratie den Stacheldraht in Osteuropa-, einen Wahlsieg von ... Mo, 06.06.16 07:55
  • zombie1969 aus Frauenfeld 3945
    Es... muss darum gehen, die Kompetenz der Kleinbauern zu stärken. Das sorgt ... Do, 02.06.16 13:07
  • Kassandra aus Frauenfeld 1781
    Kindeswohl egal! Es geht doch vor allem um die eigenen Kinder der Betroffenen. Die ... Do, 02.06.16 08:10
  • Kassandra aus Frauenfeld 1781
    Verlust der Solidarität: Verlust der Demokratie! Vollständig und widerspruchsfrei beantworten lässt sich das wohl nicht. ... Mi, 01.06.16 00:18
  • zombie1969 aus Frauenfeld 3945
    Unterstützung "Deshalb sind für die Sozialhilfe 267 Millionen Franken mehr und für ... Di, 31.05.16 10:38
 
Stellenmarkt.ch
Der Remoteserver hat einen Fehler zurückgegeben: (500) Interner Serverfehler.
Source: http://www.news.ch/ajax/top5.aspx?ID=0&col=COL_3_1
Kreditrechner
Wunschkredit in CHF
wetter.ch
Heute Sa So
Zürich 3°C 7°C trüb und nassleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt, Regen wechselnd bewölkt, Regen
Basel 3°C 10°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt, Regen wechselnd bewölkt, Regen
St. Gallen 1°C 5°C trüb und nassleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig starker Schneeregen starker Schneeregen
Bern 0°C 8°C wechselnd bewölkt, Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt, Regen wechselnd bewölkt, Regen
Luzern 1°C 8°C trüb und nassleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt, Regen wechselnd bewölkt, Regen
Genf 2°C 12°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wolkig, aber kaum Regen wolkig, aber kaum Regen
Lugano 6°C 16°C freundlichleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig recht sonnig wolkig, aber kaum Regen
mehr Wetter von über 8 Millionen Orten