Unverjährbarkeits-Initiative: Brisanz unterschätzt

publiziert: Montag, 1. Dez 2008 / 07:09 Uhr / aktualisiert: Montag, 1. Dez 2008 / 10:03 Uhr

Bern - Die Schweizer Presse erklärt sich die Annahme der Unverjährbarkeits-Initiative mit dem hochemotionalen Thema der Sexualdelikte an Kindern. Bundesrat und Parlament hätten die Brisanz der Vorlage unterschätzt.

Die Presse sieht eine Unverhältnismässigkeit der Initiative.
Die Presse sieht eine Unverhältnismässigkeit der Initiative.
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Der indirekte Gegenvorschlag, pädophile Täter statt bis ans Lebensende der Opfer bis zu deren 33. Altersjahr belangen zu können, sei «entschieden zu wenig weit» gegangen, schreibt «Die Südostschweiz». Hätten sich Bundesrat und Parlament die Verjährungsfrist bei 45 oder 50 angesetzt, «hätte die Initiative wohl weniger Chancen gehabt».

Nun habe das Parlament die «heikle Aufgabe», aufgrund des vage formulierten Initiativtextes ein Gesetz auszuarbeiten. Und dann werde künftig der Mord an einem Kind milder bestraft als dessen Missbrauch. Das sei «mehr als unverhältnismässig».

Die «Zürcher Landzeitung» stellt die Frage, «ob das Schweizer Strafrecht nicht an sich zu überdenken ist» und etwa auch Mord für unverjährbar erklärt werden müsste.

In die gleiche Kerbe schlägt die «Basler Zeitung». Bund und Parlament würden an der nun geschaffenen ungleichen Behandlung schwerer Straftaten «noch zu beissen haben». Das Parlament habe die Chance verpasst diese Problematik mit einem guten Gegenvorschlag zu vermeiden.

Für Vernunft entschieden

Die Gegner hätten mit ihren Gegenvorschlag nicht vermitteln können, dass sie ebenso besorgt seien um das Schicksal der Opfer wie es die Initianten seien, meint die Westschweizer Zeitung «Le Temps».

Vor die Wahl gestellt, auf die Vernunft oder aufs Herz zu hören, habe sich das Stimmvolk für die «Vernunft des Herzen» entschieden, schreibt der «Quotidien Jurassien».

Mehrere Kommentare machten den Querverweis auf die 2004 angenommene Verwahrungsinitiative. «Beide Resultate zeigen, wie hoch das Volk den Schutz der Kinder wertet», schreibt der «Tages-Anzeiger».

Direkte Demokratie unbequem

Direkte Demokratie sei eine «unbequeme Staatsform». Die Mehrheit setze auf radikale Lösungen, wenn der Eindruck vorherrsche, sie werde «von Politikern, Experten, Juristen und Medien nicht ernst genommen».

Erneut habe das Volk «einen besseren Opferschutz politisch stärker gewichtet als juristische Einwände», heisst es in der «Neuen Zürcher Zeitung». Mit Blick auf die Initiative zur Ausschaffung straffälliger Ausländer schreibt die NZZ, die Politik müsse Antworten finden, wolle sie «nicht mit weiteren Umsetzungsproblemen konfrontiert werden».

(fest/sda)

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aber...
Aber eines hat diese Initiative herbeigeführt. Die Täter sind nun praktisch lebenslang der Gefahr einer Anklage oder Verzeigung ausgesetzt, und diese Ungewissheit, «ob und wann», das kann schon eine recht unangenehme Strafe sein.
Schwierige Fragen
Liebe Valerie, es werden noch mehr solche Fälle auftauchen und man muss sich wirklich fragen, wem mit dieser neuen Sachlage gedient ist. Das Leben dieser von Ihnen genannten Frau dürfte nach der "Behandlung" sicher nicht besser sein als vorher. Zu ihrer Depression kommt jetzt noch die familiäre Ächtung. Vor allem aber sehe ich nicht, wie die Kindern jetzt besser geschützt sein sollen, und dies wäre ja das Ziel des neuen Gesetzes gewesen. Ich habe die Initiative auch abgelehnt, genau aus diesen Überlegungen.
Kindersoldaten, Kinderarbeit, Kinderprostitution, all das besteht ja noch weiter, die Initiative hat auf den Kindesmissbrauch kaum einen echten positiven Effekt.
Psychiatrie
Werter Magnus, ich stimme Ihnen voll zu.
Was mich aber auch bewogen hat, gegen die Initiative zu stimmen, war folgende Geschichte, die ich im Radio gehört hatte:

Eine Frau, die mit dem Leben nicht zurecht kam und stets an Depressionen litt, unterzog sich schlussendlich mit 53 Jahren einer psychiatrischen Behandlung.
Dort kam endlich zum Vorschein, sie sei als kleines Kind von ihrem Onkel missbraucht worden.
Die Frau hatte sich in all diesen Jahren nicht an ein solches Ereignis erinnern können und nun plötzlich doch, mithilfe der Psychiatrie.

Die ganze Familie stellt sich nun gegen die Frau, niemand will glauben, dass der Onkel ihr etwas getan hatte. Um ehrlich zu sein, ich glaube es auch nicht.

Wenn der Psychiater nun diese Visionen mithilfe von Suggestivfragen an die Oberfläche holte, finde ich das höchst verantwortungslos. Besteht nicht die Gefahr, dass noch mehr solche Fälle auftauchen? Fälle, die es vielleicht gar nie so gab, die nun einer Phantasie entspringen?

Darum fände ich es gut, wenn eine Altersgrenze gesetzt worden wäre, z.B. 30 Jahre. Ich glaube, eine 30-jährige Person ist so gefestigt, dass sich sich den Tatsachen stellen und ihren Peiniger anklagen kann, was sie mit 20 Jahren vielleicht noch nicht konnte.

Wer dies aber erst mit 50 Jahren macht, bekommt sowieso ein Beweisproblem.
Willkür
Racheakte, wie es sie heute bereits gibt, werden dann auch noch dazu kommen. Kürzlich hier passiert, eine Frau wollte sich an ihrem geschiedenen Mann rächen und behauptete, er habe seine eigne Tochter missbraucht. Diese Fall war nur sehr sehr schwer zu klären, (Der Mann war völlig unschuldig und das konnte man nur durch einen glücklichen Zufall für den Mann klären.) wieviel schwerer wird es, wenn der Fall 40 oder mehr Jahre zurückliegt? Es handelt sich in jedem Fall um ein ziemlich heikles Thema. Man will die Kinder schützen, das ist auch sehr achtenswert, nur mit dieser Sache wird das wohl kaum gelingen. Die Anzahl der Delikte wird sich kaum messbar ändern, vielleicht aber häufiger aufgeklärt. Das ist zwar gut, aber ein besserer Schutz des Kindes ist damit wohl kaum verbunden. Gesetze, so gut gedacht und so streng sie auch sein mögen, haben oft oder sogar fast immer keinen präventiven Effekt. Und genau das ist es ja, was man sich von dieser Initiative und dem nun neu gefassten Gesetz eigentlich erhofft. Wie es dann wirklich kommt, wird die Zukunft weisen.
Nichts
Für mich spricht nichts dagegen. Aber bei einem Mord gibt es sicher mehr Beweise als bei bei einer einem Sexualdelikt (Blutspuren, Tatwaffen, evt. Körperverletzungen, etc.).
Verjährung bei Mord
Was spricht gegen Unverjährbarkeit bei Mord?

Ins Strafmass miteinbezogen werden Faktoren wie etwa Tatumstände, Reue oder untadeliges Leben seit der Tat sowieso. Die Akten der polizeilichen Ermittlung müssten einfach länger aufbewahrt werden. Ich möchte nicht wissen, in wie vielen Fällen man die Täter heute mittels DNA Analyse überführen könnte, wo aber die Beweise schon entsorgt sind.
Ja hätte
man sich das nur vorher übelegt. Oft geht es ja noch so vielen Jahren nur noch um das eigene Verarbeiten der eigenen Erlebnisse. Das ginge auch ohne die Justiz!
Harte Strafen ja, aber alles mit mit der nötigen Sorgfalt, wie es sich für einen Rechtsstaat gehört. wenn Schlimmere Straftaten verjähren, kann etwas nicht in Ordnung sein.
Und jetzt?
Nun wurde die Unverjährbarkeist-Initiative angenommen. So far so good. Aber mal ehrlich: wie wollt ihr zum Beispiel einem Täter eine Tat LÜCKENLOS nach z.B. 30 Jahren nachweisen? Juristisch wird das sehr schwierig. Und wenn man dem Opfer bis ans Lebensende Zeit gibt, Anzeige zu erstatten, wird die Justiz unnötig behindert, da die Sicherstellung von Beweisen nach X Jahren sehr schwierig ist. Und es gilt immer noch: in dubio pro reo.
Bei dieser Vorlage hat das schweizer Stimmvolk wohl etwas emotional reagiert, ohne den genauen Sachverhalt und die juristischen Schwierigkeiten zu kennen. Da werden die Anwälte wohl auf Granit beissen müssen und das wird noch den einen oder anderen Misserfolg für die Anwälte und noch einige schwere psychische Abstürze wegen eingestellten Verfahren geben.

P.S.: ich bin für harte Strafen gegen Pädophile, aber das ist sicherlich der falsche Weg.
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