Unwörter des Jahres

publiziert: Montag, 30. Nov 2015 / 17:15 Uhr
Welcher Titel verbirgt sich hinter diesen Emojis?
Welcher Titel verbirgt sich hinter diesen Emojis?

Leider wurde ich nicht gefragt, was denn mein Unwort des Jahres ist. Ich habe gleich fünf davon.

Pop-Up

Pop-Up-Stores, Pop-Up-Restaurants, Pop-Up-Galerien: Kaum ein Tag, in dem in Zürich nicht irgendein Pop-Up-Geschäft auf- oder zugeht. Bei Pop-Up-Stores handelt es sich nicht um Ableger einer internationalen Kette sondern vielmehr um einen urbanen Trend - nämlich kurzzeitig einen Laden zu eröffnen. An sich eine gute Idee, die sich innert weniger Jahre zu einer regelrechten Seuche ausgedehnt hat. Der neuste Hype sind Pop-Up-Restaurants, quasi Edel-Hausbesetzer, die in leerstehenden Betriebsräumlichkeiten ein Restaurant eröffnen. Natürlich illegal, weil die Mühlen der Gewerbepolizei zu langsam mahlen. Es gibt jedoch einen Grund, warum es für Beizen Auflagen und Vorschriften gibt: Hygiene zum Beispiel, Feuerpolizei oder Kleinigkeiten wie sanitäre Anlagen. Früher noch illegal gefeiert, wird heute bloss noch illegal eingekauft, gegessen und Kunst gekauft. Ich weiss auch nicht, was ich davon halten soll. Irgendwie sind ja Weihnachtsmarktstände ja auch Pop-Up-Stores.

Emoji

Für andere das Wort des Jahres, für mich das Unwort. Erstens, weil es wirklich ein Unwort ist, nämlich eine kleine Zeichnung und zweitens, weil damit die Sprache vor die Hunde geht. Ich war nie ein Kulturpessimist, was die Sprachentwicklung angeht. Früher noch brauchte es freundliche Worte, heute einfach ein Smiley. Während es damals  noch einen Witz brauchte, um die Leute zum Lachen zu bringen, reicht heute ein Emoji mit Tränen in den Augen. Emojis sind praktisch für Leute, die sich mit Worten nicht auszudrücken wissen. Ein Smiley, ein Thumb-up und drei klatschende Hände soll sowas wie Freude ausdrücken. Aber ich hab je länger je mehr Mühe, diese Hieroglyphen zu entziffern, vor allem wenn es Emojis sind, die mein Compi nicht erkennt. Emojis sind tatsächlich keine Evolution sondern eine Degeneration eines unseres höchsten Kulturgüter: der Sprache ;-(

Sicherheit

Unter dem Deckmantel der Sicherheit ist alles erlaubt. Auch Panik. Zum Beispiel, in dem man in Zeiten wie diesen bei jeder weggeworfenen Cola-Dose eine Komplett-Räumung eines Hauptbahnhofes auslöst. Sogar harmlose Streiche oder der Versuch eines verzweifelten Schülers, der nicht auf eine Prüfung gelernt hat und darum eine Bombendrohung in die Schule schickt, werden so krass geahndet, als hätte man ein Kinderheim abgefackelt. Sicherheit dient vor allem dem Staat, jeden Einzelnen bis in die kleinste Ritze durchleuchten zu können. Und das ist nicht etwa metaphorisch gemeint sondern buchstäblich. Ich vermute, ich habe am Zoll schon mehr die Hosen runtergelassen als ein Chippendale in seiner ganzen Karriere. Der wahre Terror geht nicht von irgendwelchen Glaubensspinnern sondern von treugläubigen Schweizer Sicherheitsbeamten, die glauben, die globale Terror-Lösung liege in meinen Unterhosen.

Je suis ...

Dieses Jahr waren viele zuerst «Charlie» dann «Paris». Fürs nächste Jahr hoffe ich, dass man nicht mehr «je suis Terroranschlag» sein muss, sondern einfach «je suis happy». Wenn schon.

Mindestkurs

Frankenschock ist das Finanzwort des Jahres. Und der Mindestkurs an allem schuld. Keine Quartalszahlen eines Unternehmens, das die schlechten Zahlen nicht auf die Auflösung des Mindestkurs schiebt. Kein Hotelier, der glaubt, nur wegen des starken Frankens blieben die Gäste weg. Wie wäre es mit weniger absurd hohen Preisen? Oder Freundlichkeit; die wäre sogar kostenlos. Es ist leicht, jeden Verlust mit dem starken Franken zu entschuldigen. Für was gibt es denn Manager, wenn schon kleinste Probleme wie Kursschwankungen ein Unternehmen aus der Bahn werfen? Schliesslich war die ganze Mindestkurs-Sache absehbar. Und wer die Schonfrist des Mindestkurses nicht dazu nutzte, mit seinen Euro-Geschäftspartner Franken-Deals abzuschliessen, weil es ja nur eine temporäre Geschichte war, ist selber schuld. Warum dieses Gejammer über den Frankenshock? Früher war man noch stolz auf den Schweizer Franken, heute leidet man darunter. Alle? Nein, nur ein paar Buden, die zu doof waren, ihre Deals in Schweizer Franken abzuschliessen. Ausserdem: Wo sind denn all die Gewinne der letzten Jahre hin, so dass man diese nicht anzapfen kann und sofort mit Entlassungen reagieren muss? Ich persönlich freue mich darüber, dass meine Franken gegenüber dem Euro plötzlich mehr wert sind. Ich meine, welcher Investmentberater kann schon eine 10 Prozent Rendite auf das Kapital garantieren? Ausser die Aufhebung des Mindestkurs, der aus jedem Franken einen wertvolleren Franken macht. Oder hab ich da was im Volkswirtschafts-Kurs verpasst?

(Jürg Zentner/news.ch)

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