Vampirismus im Europäischen Parlament
Das europäische Parlament schaufelt in diesen Tagen neue Grabstätten auf dem Friedhof der europäischen Demokratie. Franziskus und Jean-Claude Juncker durften deshalb folgerichtig zur neuen Session in Strassburg den Tanz der Vampire mit medial inszenierter Unschuld eröffnen.
Die Lux-Leaks, von denen man mit Fug und Recht behaupten kann, sie hätten schon Bekanntes endlich in die öffentliche Debatte eingebracht, werden von den Abgeordneten wie «Business as usual» behandelt, sprich: «Niemand trägt politische Verantwortung. Niemand ist der Böse.» Schon gar nicht der neugewählte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der seinen Zwergstaat während Jahrzehnten zu einem milliardenschweren europäischen Steuerdieb hochregiert hat. Die deutsche Grünen-Abgeordnete Rebecca Harms, die wahrscheinlich von deutschen Wählerinnen und Wählern nur deshalb nach Strassburg gewählt wurde, um einer nachhaltigen Wirtschafts- und Umweltpolitik Genüge zu tun (sic!), meint: «Wir glauben, dass Jean-Claude Juncker (..) mit seiner gesamten Kommission heute dafür steht, die Dinge zu verändern, die in Luxemburg, aber auch in anderen Ländern (...) schief gegangen sind.» Glauben statt Verändern war schon immer eine effiziente Herrschaftsform. Da wird soviel geglaubt, dass die Demokratie darunter beerdigt wird. Wohl deshalb huldigten Papst Franziskus die europäischen Abgeordneten mit Ovationen. Er brachte: «Orientierung in Zeiten der Orientierungslosigkeit» (Martin Schulz, Parlamentspräsidente und ach ja, SPD).
Wie bitte?
Die Brüsseler Mechanik bürdet ihren europäischen Wählerinnen und Wählern Steuerpakete auf, die sie als Friseuse, als Taxifahrer, als Lehrerin, als Bäcker, als Sozialarbeiter, als Ingenieurin kaum stemmen können. In Spanien und Griechenland treiben die Brüsseler Finanzdiktate massenhaft ehrliche Menschen an den Rand des Abgrunds und darüber hinaus und das europäische Parlament sucht Beistand beim Papst während Juncker so beichten kann, dass ihm alles vergeben wird? In Strassburg mahnte Franziskus, dass Europa «krank» sei und rief zu einer menschlichen Flüchtlingspolitik und eine Eindämmung des freien Marktes auf. Ja, super! Wie wäre es mit der Umverteilung von reich zu arm? Oder damit, den Petersdom sofort für syrische Flüchtlinge freizuräumen? Mehrere Tausend Flüchtlinge fänden hier locker Platz und Essen gäbe es genug - schliesslich ist die Katholische Kirche ein Milliardenunternehmen, das sich endlich mal um seinen Wirtschaftsauftrag «Barmherzigkeit» kümmern könnte. Franziskus, der alte Mann sorgte sich in seiner Rede auch um das alternde Europa, das mehr und mehr einer «Grossmutter» gleiche, die nicht mehr «lebendig und fruchtbar» sei. Dass Grossmütter seit Jahrhunderten mehr für die Demokratie und die Menschen getan haben als jeder ehemalige oder amtierende Papst, lässt der Argentinier ausser acht. Mehr noch: Er lästert damit indirekt gegen die «Asociación Civil Abuelas de Plaza de Mayo (Vereinigung der Grossmütter der Plaza de Mayo)», die jahrzehntelang gegen die argentinische Militärdiktatur demonstrieren (um die Kinder ihrer gefolterten und verschleppten Kinder wiederzufinden). Bei diesem Papst ist nichts zufällig. Deshalb ist bei seiner unglaublichen Frauenverachtung zum Bild der Grossmütter aufzuhorchen. Er nannte sie: «nicht mehr lebendig und unfruchtbar.» Könnte es sein, dass hier nicht nur die Grossmütter seiner Heimat diffamiert werden sollten, sondern auch der «Hexenhammer» aufgewärmt wurde? Dort waren es nicht zufällig die «alten Frauen», die den Hexentyp schlechthin verkörpern sollten. Ausserhalb inkarniert die «alte Frau» jenseits ihrer Geschlechtlichkeit offenbar auch heute noch eine wahrhafte Bedrohung für die Welt. Eine echt psychotische Vorstellung, die der Papst in Strassburg lieferte und niemand merkt dies. Im Gegenteil: Die europäischen Abgeordneten klatschen dem alten Mann, dem Papst, dem Vorsteher einer Institution, die unsägliches Leid von Abertausenden von Menschen, vor allem von Frauen zu verantworten hat, fröhlich und aufmunternd zu!
Dass diese Erzählform, was hier eigentlich in Strassburg zelebriert wird, medial nirgends Raum findet, ist bezeichnend. Dabei genügt es, hinzuschauen und genau hinzuhören. Zwei alte Männer zelebrieren ein System der ewig herrschenden Untoten. Diskursanalytisch erinnern die Rede von Franziskus und die Antworten von Juncker in diesen Tagen an ein Zitat von Voltaire: «Ich gestehe, dass es (...) Börsenspekulanten, Händler, Geschäftsleute gibt, die eine Menge Blut aus dem Volk heraussaugen, aber diese Herren sind überhaupt nicht tot, allerdings ziemlich angefault. Diese wahren Sauger wohnen nicht auf Friedhöfen, sondern in wesentlich angenehmeren Palästen», u.a. eben auch im Vatikan.
Zurück zu Jean-Claude Juncker. Stellen Sie sich vor, Sie wählen einen Drogendealer, um das Netz des illegalen Drogenmarktes zu «reformieren». Wer nun einwendet, Luxemburg hätte nichts Illegales getan, sondern sich im Rahmen der europäischen Finanzordnung völlig gesetzlich verhalten, beweist, wie sehr er lieber «glaubt» statt gestaltet. Eine Demokratie braucht aber keinen Glauben, sondern ist eine Staatsform, die seit der Aufklärung gemäss den Prinzipien Freiheit, Gleichheit und Solidarität immer wieder auf Verwirklichung pocht. In Brüssel und Strassburg wird sie aber gerne wieder und wieder getötet. Dass die neue Europäische Kommission inklusive Parlament sich nicht um Demokratie, sondern um die Bewahrung der Besitzstandsverhältnisse kümmert, ist in diesen Tagen sonnenklar geworden.
Völlig in einem grosskoalitären Denken verhaftet, wird Jean-Claude Juncker auch von den Grünen und den Sozialdemokraten als «alternativlos» gestützt. Egal, welche Milliarden unter seiner Regierungsverantwortung in Luxemburg den deutschen Kindergärten, der griechischen Gesundheitsfürsorge und dem spanischen Bildungssystem gestohlen wurden. Wenn sogar die AfD-Abgeordneten schriftlich erklären müssen: «Alle werden für den Misstrauensantrag stimmen, weil Herr Juncker sich weigert, die politische Verantwortung für das von seiner Regierung betriebene steuerliche Raubrittertum zu übernehmen», dann fragt sich jede aufmerksame Demokratin, welch seltsamen Politikverständnis eigentlich die von ihr gewählten linken, grünen und progressiven Abgeordneten huldigen. «Rechtsradikale und Rechtspopulisten» dürften, laut Manfred Weber, Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP) «kein Erfolg gegönnt werden.» Tja. Klar doch, finde ich auch. Aber wenn sie - wie ein blindes Huhn, das eben auch mal ein Korn findet - völlig legitime Anliegen in die politische Debatte bringen? Legitimiert das Investitionspaket von 300 Mrd. Euro, das leider wohl wieder in die korrupten Taschen der regionalen und nationalen Autoritäten in den Mitgliedsländern verschwinden wird, tatsächlich, wie dies die Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten, Gianni Pittella meinte, das uneingeschränkte Vertrauen aller europäischen Sozialdemokraten ausgerechnet in Jean-Claude Juncker?
Jean-Claude Juncker meinte während der Debatte: «Ich bin kein Freund des Grosskapitals.» Papst Franziskus sagte: «Man kann nicht hinnehmen, dass das Mittelmeer zu einem grossen Friedhof wird.»
Kluge, wichtige Worte. Doch wie meinte schon Molière: «Ich lebe von guter Suppe und nicht von schöner Rede.» Vom Theater verstehen Franziskus und Juncker viel, doch vom demokratischen Handeln ebenso wenig wie das ihnen huldigende unkritische Publikum...und zu fressen haben werden mit solchen potenten Grossvätern die Enkel sicher nichts, im Gegenteil: Sie sind das frische Blut, das die Greise wieder und wieder saugen...(für Insider hier ein kleiner Gruss an Karl Marx). Gibt es noch Rettung? Klar doch: Grossmütter vor...
(Regula Stämpfli/news.ch)
Es ist keine Kritik, wenn Sie von einer "ultra-linken-Feministin" schreiben, das ist lediglich eine sehr schöne Würdigung der Frau Stämpfli, die ihr sicher gefällt. Sie selbst halten das wohl für eine Herabwürdigung, nun das ist ihre Sicht der Sache, Sie können wohl nicht anders.
Zum ersten Mal, seit ich die wöchenliche Kollumne der Frau Stämpfli lese, muss ihr zu 100% zustimmen. Diesmal ist das wirklich eine Stütze oder Säule, was Kollumne ja eigentlich heisst.
Was will dieser Papst eigentlich? Für mich ist ist er ein ausgemachter Heuchler. "Seht her, ich habe Mitleid mit den Flüchtlingen, seht her ich habe Verständnis für die von Priestern sexuell missbrauchten Kinder, seht her ich bin ja so sozial, ich habe sogar meinem Oberbanker gekündigt. Seht her ich fahre einen Fiat Uno oder so, seht her, ich achte Homosexuelle, seht her, seht seht, her seht her, ich lasse sogar den Oberdieb und Tebartz-van Elst im Kloster seinen Bischofsitz noch bewohnen...." Was tut er? Nichts! Ein Volksverdummer aller erster Güte ist er und Schwindler obendrein. Und was er uns da glaubensmässig verklickern will, ist haarstreubend! Jungfau Maria, das ist doch zum Lachen!
Und den Junker sollte man ins Gefängnis werfen zusammen mit unserem Schneider-Ammann. Dort müssten sie sich dann jeden Tag 5 Stunden die Predigten des Papstes anhören bis ihnen schwindlig wird. Zwei Heuchler auf einem Haufen und eine heuchlerische Moralsirene, wie schön das sein müsste für aller Beteiligten!
Kritik, mein guter dicker Bruder ist bereits auch ohne Verbesserungsvorschläge schon eine unerlässliche demokratische Aufgabe! Das haben Sie offenbar noch gar nicht oder nie verstanden, denn Kritik ist der erste Schritt zu Diagnose, die dann die (Be) Handlung erst ermöglicht.
Sie haben sicher auch nicht sofort ein Rezept zur Hand, wenn sie feststellen, dass Ihr Auto nicht anspringt oder eine Speise ungeniessbar ist. Aber äussern tun sie dann ihren Unmut schon, oder etwa nicht? Na, sehen Sie! So funktionierts auch in der Politik.
Muss ich mich ducken, wenn mir die Geschäfte des Schneider-Amann widerlich sind, weil ich den ganzen Schwindelvorgang nicht durchschaue? Ist doch klar, was ich daran ändern möchte auch ohne dass ich konkrete Vorschläge habe, oder etwa nicht?
Oder halten sie Blochers "Classe Politique" auch nur für ein Schlagwort ohne Verbesserungsvorschlag?
Im letzten Fall würden sie schon eher richtig liegen! Was dem einen sein Uhl ist dem andern sein Nachtigal, gelle dicker Bruder!
Die Welt verbessern kann man nicht mit verbissenen Kolumnen. Ich frage mich schon seit langem, weshalb ich mir diese Lektüre im Boulevard-Stil zu Gemüte führe? Zwischendurch blitzt wieder einmal die Intellektuelle auf, dies hat aber Seltenheitswert.
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