Verlierer des Jahres, Innenpolitik: SVP

publiziert: Freitag, 15. Dez 2006 / 10:25 Uhr / aktualisiert: Freitag, 15. Dez 2006 / 10:59 Uhr

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Es mag ziemlich gewagt sein, die SVP als Verliererin des Jahres in der Schweizer Innenpolitik darzustellen. Immerhin konnte sie im September noch zwei grosse Abstimmungssiege mit dem neuen Asyl- und Ausländergesetz verbuchen. Doch die Zeiten, wo eine Vorlage auf Gedeih und Verderb auf die Gnade der SVP angewiesen ist, sind wieder vorbei. Das wurde eindrucksvoll bei den November-Abstimmungen gezeigt, wo trotz grösstem personellen und finanziellen Aufwand beide von der SVP bekämpften Vorlagen klar angenommen wurden.

Nimmt man die ganzen Abstimmungsresultate zusammen, ergibt sich ein bedenkliches Bild für die SVP: Sie kann momentan nur noch bei Ausländerthemen Punkten. Innen- und europapolitisch scheint die Blocher-Truppe momentan keinen Fuss auf den Boden zu kriegen. Die SVP muss nun den Preis dafür zahlen, dass sie für lange Zeit ein Destruktiv-Image kultiviert hat. Die SVP profilierte sich vor allem als die 'Dagegen-Partei'. Sie ist gegen Europa, gegen soziale Einrichtungen, gegen Ausländer, gegen Naturschutz, gegen dies und gegen jenes und vor allem dafür, dass die Schweiz wieder so aussieht wie in einem 1950er Heimatfilm. So zumindest ist der oberflächliche Eindruck, der sich in den vergangenen Jahren etabliert hat.

Eine solche Politik zieht in Zeiten, in denen sich der Wähler unsicher fühlt, er Bedrohungen von allen Seiten wahrnimmt. Der Höhenflug der SVP setzte genau zu einer solchen Zeit ein, als Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts das politische Weltgefüge über den Haufen geworfen wurde. Auch die Schweiz verlor damals ihren sicheren, bequemen Platz an der Seite der Machtblöcke. Nach Jahrzehnten im Windschatten der Nato und des Westens fand sich unser Land plötzlich exponiert und ohne komfortable Nische wieder. Das Schweizer Selbstverständnis erlitt einen erheblichen Blechschaden und die SVP trat als Karosseriespengler auf. Sie versprach durch die Blume, dass, wenn man sie nur machen liesse, alles wieder gut werde.

Fünfzehn Jahre und dutzende Wahlerfolge der SVP später, leben wir immer noch nicht in einer Gotthelf-Idylle und die Schweiz versucht immer noch, sich selbst wieder zu finden. Langsam scheint ihr das auch zu gelingen. Die SVP hat einiges dazu und auch diverses dagegen beigetragen. Ein Verdienst von ihr war es sicher, als Bremser auf dem Europakurs gewisse über-enthusiastische Annäherungen verhindert zu haben.

Doch seit auch in der SP eine gewisse Skepsis zur EU herrschen darf, es andererseits auch den meisten klar ist, dass Europa für die Schweiz wichtiger denn je ist und sich die Schweizer Wirtschaft den neuen Gegebenheiten angepasst hat, wirken die schrillen Töne der SVP ziemlich deplatziert und - wie im Fall der Kohäsionsmilliarde und der Familienbeilage - fast schon lächerlich.

In einer Schweiz, die langsam wieder an Selbstvertrauen gewinnt, muss sich auch die SVP anpassen. Doch das fällt den Parteiexponenten ziemlich schwer, war ihr Auftreten ja weder von Maurer noch von Blocher oder Mörgeli eine Masche: Sie sind laut und aggressiv, aber sie sind auch authentisch. Blöderweise ist das im Moment nicht wirklich gefragt.

Kommt dazu, dass sich die SVP immer noch wie ein Aussenseiter benimmt und – statt mit dem souveränen Selbstbewusstsein der stärksten Regierungspartei – mit schrillen Aktionen versucht sich als Opfer einer Verschwörung aller anderen Parteien darzustellen. Die von Ueli Maurer losgetretene Debatte um die Nicht-Wiederwahl von Christoph Blocher und einen daraus resultierenden Gang in die Opposition ist ein solch absurder Fall. Nicht einmal die SP drohte mit einem solchen Szenario, hätte dieses auch nicht durchziehen können. Dass ausgerechnet die SVP diesen Popanz aus der Rumpelkammer holt, ist da fast schon tragisch.

Es zeigt nämlich, dass diese Partei noch nicht da angekommen ist, wo sie seit drei Jahren auch mit den Zürcher Flügel unter Christoph Blocher steht: In der Regierung, dort wo Verantwortung getragen und Neues aufgebaut werden soll. Dabei mache Blocher ja gründliche, gute Arbeit in seinem Resort. Doch statt sich auch nach aussen hin mit einer rechtsbürgerlichen, soliden Politik zu profilieren, legt die Partei das Benehmen eines hyperaktiven Teenagers, dem man das Ritalin entzogen hat, an den Tag. Und wer aus Siegen keinen Gewinn erzielen kann, ist wohl oder übel ein Verlierer. In der nächsten Kolumne: Sieger des Jahres Innenpolitik: Die Grünen

(von Patrik Etschmayer/news.ch)

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