Vom Befreier zum Tyrannen

publiziert: Freitag, 2. Jan 2009 / 11:17 Uhr / aktualisiert: Freitag, 2. Jan 2009 / 17:03 Uhr

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Das Jubiläum wurde – da der Jubilar krank und gebrechlich ist und sein Bruder die Rede halten musste – in eher bescheidenem Rahmen abgehalten. Gerade mal 3000 Leute hörten Raul Castro, dem jüngeren Bruder Fidels zu, als dieser in Santiago de Cuba die Jubiläums-Ansprache zum 50. Jahrestag der kubanischen Revolution hielt. Er tat dies auf jenem Platz, auf dem sein Bruder vor einem halben Jahrhundert versprochen hatte, NICHT die revolutionäre Regierung anzuführen.

«Persönlich habe ich kein Interesse an Macht, noch beabsichtige ich, sie irgendwann auszuüben!» verkündete er damals – bevor er nach der Vertreibung des Diktators Batista seine eiserne, 49 Jahre währende Herrschaft über die Karibikinsel ergriff. Ohne Zweifel profitierten die Kubaner davon, dass Castro seine Macht nicht nur auf Unterdrückung sondern auch auf sozialen Verbesserungen durch Bildung und Gesundheitswesen abgestützt hat. Doch spätestens als die Sowjetunion unterging und die Geldinfusion des grossen Bruders ausblieb, zeigte sich, dass Castro doch nur ein Diktator war. Drakonische Urteile gegen Journalisten und politische Gegner machen darauf aufmerksam, dass die Rechte des Volkes nur dann gelten, wenn sie nicht im Widerspruch mit dem Regime standen und stehen.

Doch Kuba und Castro sind bei weitem nicht das einzige Beispiel, wo Befreier zu Tyrannen wurden. Selbst wenn es kein Trost für die politischen Gefangenen in Havanna sein sollte – Zimbawes Diktator Robert Mugabe lässt Castro wie einen Waisenknaben aussehen. Ein Reigen von Enteignungen, Wahlfälschungen, gewalttätiger Verfolgungen seiner Gegner, systematischer Vergewaltigungen, Folter und Hinrichtungen und zuletzt eine aus politischen Gründen für nicht existent erklärte Cholera-Epidemie lassen die Erinnerung an die Verdienste des bald 85jährigen Diktators um die Befreiung des damaligen Rhodesiens verblassen. Doch dies scheint ihn nicht zu kümmern – im Gegenteil jede Kritik wird mit einer Volte von paranoiden Ausbrüchen beantwortet, während Zimbawe mit erschreckendem Tempo im Elend versinkt.

Doch es sind nicht nur einzelne Herrscher, die nach einer grossen Befreiung all das Geleistete durch Machtgier aufs Spiel setzen. Südafrika galt lange als Musterbeispiel einer nach langen, blutigen Kämpfen friedlich erfolgten Machtübergabe. Keine Schauprozesse, keine Enteignungen und mit Nelson Mandela ein Mann an der Spitze der Regierung, der integrierte und für Versöhnung und Einheit stand. Doch dann trat Mandela ab. Und im ANC, der Einheitspartei, welche ohne wenn und aber einen Machtanspruch hatte, begann es zu brodeln. Mandelas Nachfolger Mbeki zeichnete sich durch eine Mischung von Aberglauben (Knoblauch gegen Aids) und Passivität im Amt aus (Südafrikanische Karikaturisten zeigten ihn am liebsten mit dem Kopf im Sand oder beim Golf spielen) und innerparteiliche Konkurrenten wie der Scharfmacher Jacob Zuma kämpften mit offenen Gewaltdrohungen um die Macht. Selbst Korruptions- und Vergewaltigungsprozesse konnten Zuma nicht aufhalten, der den Mbeki-Nachfolger Motlanthe nur als Übergangspräsident bis zu seiner Machtergreifung sieht. Seine diktatorischen Neigungen (die unter anderem in Treueschwüren «bis zum Tod» der Parteimitglieder zum Ausdruck kommen) haben aber zu einer Spaltung des ANC geführt.

Die neue Partei «COPE» hat bereits viele Mitglieder und gewann bei Regionalwahlen im Dezember bereits vor ihrer offiziellen Gründung mehr Sitze als der ANC. Dies ist der Hauptgrund, warum es für Südafrika noch Hoffnung gibt, bei den nächstjährigen Wahlen einer Parteidiktatur zu entkommen.

Wie man von Kuba, Zimbawe und auch den Unruhen in Südafrika etwas lernen kann, gibt es ein entscheidendes Problem in 'befreiten' Ländern: Die Befreier erheben allzu schnell einen Allmachtsanspruch, haben sie doch immerhin meist ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um die alten Diktatoren zu vertreiben. Wenn sie erst mal an der Macht sind, ist der Verlust derselben praktisch unvorstellbar. Selbst wenn sie – wie von Castro – allenfalls gar nie angestrebt war. Denn was kommt nachher? Wenn der einzige Sieg der zählt, die Machtübernahme ist, dann wird der Verlust – egal unter welchen Umständen - zur absoluten Niederlage.

Doch was nutzt es einem Volk befreit zu werden, wenn es sich danach nicht mehr vom Befreier befreien kann?

(von Patrik Etschmayer/news.ch)

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Überzeugung
Es ist ja nicht Wissen der Motor, der uns vorantreibt, sondern unser Forscherdrang, zu entdecken und entschlüsseln. Was ist "voran"? und wonach suchen wir? Voran bedeutet einen Stückchen näher hin zum Glück, Das ist es eigentlich, was wir suchen: Glück.
Während sich Glück irgendwo in der Zukunft versteckt, sehen wir sehr wohl, was nicht dem Glück entspricht und leiden darunter. Wenn nun jemand diesen Zustand beendet durch Umsturz oder Revolution, bedeutet dies nicht, daß er weiß was Glück ist und wie es erreichbar ist. Bestenfalls ist er überzeugt davon, daß alles andere weniger schlimm ist als das was gerade ist. Unsere Demokratie ist an Unreife kaum zu überbieten und entfernt die Menschen vom Glück, weil kein Politiker mehr weiß, was das eigentliche Ziel des Fortschritts ist. Wenn Fortschritt, dann muß auch das Ziel definiert sein. Ist es das? Fidel wußte ganz genau, daß auch er nicht weiß wohin die Reise mit Cuba geht, aber er wußte, daß es so nicht weitergehen konnte. Ist ein Land deshalb rückständig, nur weil es keine modernen Maschinen, keine 80 Fersehkanäle und Breitbandanschluß mit Pornoangeboten im Überfluß gibt?
Wir benötigen dringend neue Parameter, die es erlauben das Ziel, die Reife und damit Glück, zu erreichen. Dazu ist dann auch ein Diktator oder Monarch, oder ein Rat der Weisen willkommen. Die Menschheit befindet sich in genau diesem Reifeprozeß, deshalb ist, wie Hegel sagt, gut was ist.
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