Deutschland versuchte das schier Unmögliche doch noch möglich zu machen und ergriff im Kuip-Stadion von Rotterdam von Beginn weg die Initiative, obwohl Erich Ribbeck in seinem ziemlich sicher letzten Spiel als Teamchef keine allzu offensive Mannschaft nominierte. Für die verletzten Ziege, Babbel, Jeremies und Bierhoff setzte Ribbeck in der Startformation weder auf Kirsten noch auf Rink, vielmehr spielte neben Jancker der Bremer Bode als zweite Spitze. Und Bode traf bei dem vielleicht besten Angriff der Deutschen des ganzen Turniers über die linke Seite und Zuspiel von Jancker nur den Pfosen (30.).
Ansonsten blieben Chancen für den Europameister von 1996 Mangelware. Hohe Flanken auf Jancker waren in etwa das einzige, was Gefahr vor das portugiesische Tor brachte. Insbesondere Hoffnungsträger Scholl vermochte diesmal kaum Einfluss aufs Spiel zu nehmen. Der Bayern-Spieler wurde in der 59. Minute sogar durch Hässler ersetzt. So spielten die Deutschen denn so, wie zuletzt gewohnt. Ballgeschiebe aus der Abwehr heraus und früher oder später auf gut Glück lange Bälle nach vorne. Deutschland steigerte sich während des Turniers nicht, was dem dreifachen Weltmeister bei früheren Gelegenheiten immer wieder gelungen ist. Als dann auch noch Kahn seinem Ruf, weltbester Goalie zu sein, keinenfalls gerecht wurde und patzerte, war es um die Deutschen vollends geschehen. Der Bayern-Keeper liess nach knapp einer Stunde einen haltbaren Ball von Conceiçao zum 0:2 passieren. Dem Spieler vom italienischen Meister Lazio Rom war auch der Führungstreffer des souveränen Gruppensiegers gelungen (35.). Nach einer von Rehmer noch abgefälschten Flanke köpfelte Conceiçao den Ball am weiteren Pfosten ins Netz. Und nach Zuspiel von Capucho liess er auch noch das 3:0 folgen (71.).
Portugal in allen Belangen überlegen
Portugal trat ebenfalls mit einer umgekrempelten Mannschaft an. Aber aus andern Gründen als die Deutschen. Die Iberer konnten es sich erlauben, im Hinblick auf den Viertelfinal gegen die Türkei zahlreiche Titulare, von Goalie Vitor Baia über Mittelfeldstar Rui Costa bis hin zu Luis Figo zu schonen. Doch selbst der zweite Anzug der Portugiesen erwies sich den Deutschen Belangen überlegen.
Vor dem Spiel hatten die Portugiesen stets betont, auch gegen Deutschland wiederum alles geben zu wollen. Dass ihnen aber ein derart leichter Sieg gelingen würde, konnten sie sicherlich nicht vorausahnen. Deutschland spielte wiederum schon fast erschreckend schwach. Die Zeit des angekündigten Neuanfangs ist in der Tat gekommen. Eine Zäsur tut Not, fehlt es doch einigen Akteuren der DFB-Auswahl schlicht an spielerischer Klasse. Wer aber in die Bresche springen soll, ist derzeit nicht auszumachen. Ein unerschöpfliches Reservoir an Talenten besitzen die Deutschen nicht.
"Zugabe" skandierten schliesslich die deutschen Zuschauer ironisch, derweil sich die portugiesischen Fans in Deutsch versuchten und "Auf Wiedersehen" sangen. Letztlich wurde der Abgang für die Deutschen zu einer Demütigung.
Portugal - Deutschland 3:0 (1:0)
Kuip, Rotterdam. -- 45 000 Zuschauer. -- SR Dick (Ho). -- Tore:
35. Conceiçao 1:0. 54. Conceiçao 2:0. 71. Conceiçao 3:0.
Portugal: Espinha (90. Quim); Beto, Couto, Jorge Costa, Jorge;
Conceiçao, Costinha, Sousa (72. Vidigal), Capucho; Sa Pinto,
Pauleta (67. Nuno Gomes).
Deutschland: Kahn; Matthäus; Nowotny, Linke; Rehmer, Deisler,
Scholl (59. Hässler), Hamann, Ballack (46. Rink); Jancker (69.
Kirsten), Bode.
Bemerkungen: Portugal ohne Secretario und Xavier (beide
verletzt) sowie Baia, Figo, Rui Costa, Dimas und Joao Pinto (alle
geschont). Deutschland ohne Bierhoff, Jeremies, Babbel und Ziege
(alle verletzt). 150. Länderspiel von Matthäus, 100. von Kirsten
(49 für die DDR, 51 für Deutschland). Verwarnungen: 25. Ballack
(Foul), 25. Jancker (Reklamieren), 25. Beto (Foul). 87. Deisler
(Foul). 92. Rink (Foul).
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(ba/sda)