Von der Challenge League an die Fussball-WM

publiziert: Dienstag, 23. Mai 2006 / 10:07 Uhr / aktualisiert: Dienstag, 23. Mai 2006 / 11:20 Uhr

Für Togolesen führen im wahrsten Sinne des Wortes viele Wege nach Deutschland an die WM.

Senaya Junior bei YF.
Senaya Junior bei YF.
Manchmal führen Wege über die aus internationaler Sicht «inexistenten» Challenge League. Senaya Junior (22) liefert dafür den Beweis. Auf den Allrounder von YF Juventus setzt Nationalcoach Otto Pfister bei der Premiere.

«Technisch begabt, unheimlich schnell und wendig. Das sind Attribute, die in der Challenge League die wenigsten für sich in Anspruch nehmen können.» Raimondo Ponte, der renommierte Coach des Zürcher Quartiervereins YF Juventus, schätzt die Qualitäten des togolesischen Internationalen hoch ein. Für ihn ist es sogar kaum nachvollziehbar und schade, «dass ein solcher Spieler in der Schweiz nur auf zweithöchster Stufe engagiert ist». Er hätte in manchem Klub der Super League einen Platz, denkt Ponte. «Es ist eine Frage der Zeit, bis ihm der Durchbruch gelingt.»

Absage bei GC

Senaya Junior verliess das Heimatland als 16-Jähriger. Er folgte einem seiner acht Brüder nach Frankreich. Yao Senaya unterschrieb in Cannes und Toulouse Profi-Verträge; Senaya Junior wohnte bei ihm und arbeitete im «Centre de Formation» an der eigenen Laufbahn. 2000 zog der ältere Bruder ins Tessin zu Bellinzona. Senaya Junior bestritt derweil in Zürich bei GC ein Probetraining, erhielt aber eine Absage. Sein Manager Robert Zeiser stellte später den Kontakt zu Marcel Hottiger her, der damals die Nachwuchsabteilung des FCB leitete. Drei weitere Jahre lang reifte das Talent fortan in Basel.

Mit der U18 der Bebbi gewann der Mittelfeldspieler den Cup und die Meisterschaft. Mehrere seiner damaligen Copains (Fejzulahi/Aarau, Inler/FCZ oder Gonçalves/Heart of Midlothian) haben mittlerweile den Transfer in höhere Ligen vollzogen, Senaya Junior (noch) nicht. In Basel und später in der «Filiale» Concordia stagnierte der Togolese. Das Interesse Pontes kam ihm deshalb sehr zupass. «Ich musste Concordia unbedingt verlassen, damit mir eine minimale Chance blieb, im Nationalteam spielen zu können.»

Offensiver Mittelfeldspieler

Auf dem Utogrund, praktisch ausserhalb der öffentlichen Wahrnehmung, legte Senaya Junior in der Tat die Basis zum Stammplatz in der Nationalmannschaft. Am missratenen Afrika-Cup gehörte er im Feld der vielen Verlierer zu den wenigen Gewinnern. Den Schweizer Nationalcoach Köbi Kuhn hatte der kleinwüchsige «Kraftwürfel» im Spiel gegen Kamerun «beeindruckt». Der neue Trainer Otto Pfister besuchte den 22-Jährigen nicht ohne Grund mehrfach -- den «besten Spieler der Challenge League» wird der Deutsche nicht im Sturm, sondern als offensiven Mittelfeldspieler einsetzen.

Pfisters Besuche trugen ihren Teil zur WM-Vorfreude des jungen Afrikaners bei. Die Euphorie im eigenen Land sei seit dem Gruppensieg grenzenlos. «In Lomé ist jeder Nationalspieler stadtbekannt. Sie kommen auf einen zu und berühren einen. Jeder kennt mich», schwärmt Senaya Junior von der Begeisterung im eigenen Land. Von dieser Passion war in Albisrieden nichts zu spüren. Ein paar Hundert Zuschauer interessierten sich im besten Fall für die Fussball-Kunst Senayas. Der schüttelt nur den Kopf: «Manchmal war es schon frustrierend hier.»

Lohn für harte Arbeit

Die WM-Teilnahme ist deshalb auch der Lohn für die harte Arbeit und zugleich die Chance, der Anonymität zu entfliehen. Eine Abgeschiedenheit, die er sich mit seinem ebenfalls bei YF beschäftigten Bruder teilte. Mit dem französischen Grenzgänger pendelte Senaya Junior während der Meisterschaft täglich von seinem Wohnort Basel nach Zürich. «Er spielt für mich eine wichtige Rolle. Wir reden oft zusammen über die Familie.» Wie eng sein Verhältnis zur allein erziehenden Mutter (der Vater starb vor 14 Jahren) nach wie vor ist, verdeutlicht die Telefonrechnung: «Jeden Tag telefoniere ich mit ihr. Ich will von Mama erfahren, was zu Hause passiert.»

Mutters positiver Einfluss war phasenweise nötig. «Für mich war es manchmal schon sehr schwierig, die Familie zurück zu lassen und in einer völlig anderen Welt zu leben.» Vieles blieb ihm fremd, dem schüchternen Mann aus Lomé. Gross unter die Leute mischen mag er sich nicht, viel lieber verbringe er den Abend alleine bei sich in der Basler Mietwohnung. Ans Aufgeben dachte Senaya Junior gleichwohl nie ernsthaft. Zu hartnäckig verfolgt er das Ziel, «hier anzukommen. Würde ich zurückkehren, hätte ich das Gefühl, verloren zu haben.»

Bewunderung für «Zizou»

In den kommenden Wochen dürfte der YF-Professional mit ungewohnten, aber unter Umständen ausschliesslich positiven Einflüssen konfrontiert werden. Nicht der Wald-und-Wiesen-Sportplatz in Baulmes ist die Laienbühne, das Dortmunder Westfalen-Stadion mit 80 000 Zuschauern ist der international bekannte Schauplatz. Senaya Junior wird die Wertschätzung, die ihm in der Schweizer Klubszene bislang nicht zuteil wurde, geniessen -- und als Gast bei Freunden versuchen, den Managern aus wichtigeren Ligen eine Empfehlung abzugeben.

Die Gefahr, dass bei zu vielen unbekannten Togolesen persönliche Interessen im Vordergrund stehen könnten, schätzt Senaya Junior als gering ein: «Alle müssen zuerst an die Gruppe denken. Die Solidarität war während der Qualifikation unsere Hauptstärke, das sollten wir nicht vergessen. Keiner ist schliesslich alleine an die WM gekommen.» Er und seine Copains haben sich mehr vorgenommen, als ihnen die Experten zutrauen: «Wir wollen in Deutschland nicht nur unsere T-Shirts präsentieren.» Aber zumindest eines tauschen -- mit Zinédine Zidane. Ihn bewundert Senaya Junior, seit er «Zizou» erstmals zaubern sah.

(ht/Si)

 
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