Wahlkampf in «Canuckistan»

publiziert: Dienstag, 17. Jan 2006 / 08:06 Uhr / aktualisiert: Dienstag, 17. Jan 2006 / 08:59 Uhr

Ottawa - Kanada ist ein Amerika, wie Europas Linke es sich wünscht. George Bush hätte nicht den Hauch einer Chance, das Volk gibt genauso viel Geld für Bücher und Zeitungen aus wie für Kinokarten, und Schwule dürfen heiraten.

Dem liberalen Regierungschef Paul Martin droht nach 13 Jahren wieder die Oppositionsbank.
Dem liberalen Regierungschef Paul Martin droht nach 13 Jahren wieder die Oppositionsbank.
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Für US-Verhältnisse liegt das gesamte politische Spektrum des nördlichen Nachbarn weit links der Mitte. Manche Republikaner sprechen denn auch von «Canuckistan»: In US-Ohren hat das den Beiklang einer Sowjetrepublik.

Bei der vorgezogenen Parlamentswahl am 23. Januar könnte es jedoch einen Rechtsruck geben - zumindest nach kanadischem Massstab. Nach der neuesten Umfrage bekämen die oppositionellen Konservative 40 Prozent.

Liberalen droht die Oppositionsbank

Die Liberalen von Premierminister Paul Martin erreichten demnach 27 Prozent, die sozialdemokratische Neue Demokratische Partei (NDP) 16 Prozent, die auf Québec beschränkte Sammelpartei separatistischer Franko-Kanadier, der Bloc Québecois, 11 Prozent und die Grünen 6 Prozent.

Bei diesem Kräfteverhältnis müssten die Liberalen nach 13 Jahren die Regierungsbank räumen. Die versammelte Opposition hat Martins Minderheitsregierung zur Neuwahl gezwungen, weil ihr die Gelegenheit günstig erscheint: Die Liberale Partei wird von einem beispiellosen Korruptionsskandal erschüttert.

Parteimitglieder haben jahrelang Millionen an Steuergeldern für ihren Wahlkampf abgezweigt. Martin selbst wurde von einer Untersuchungskommission zwar nicht belastet, doch das scheint ihm nicht viel zu helfen.

US-Botschafter tritt ins Fettnäpfchen

Einmal hatte es im Wahlkampf den Anschein, als könnte ein unvorhergesehenes Ereignis dem bedrängten Regierungschef entscheidend nützen: Völlig überraschend meldete sich der US-Botschafter in Kanada, David Wilkins, zu Wort und verurteilte Martins öffentlich geäusserten Tadel für Bushs Klimapolitik.

«Es mag eine kluge Wahlkampfpolitik sein, seinen Freund und wichtigsten Handelspartner immer wieder zu kritisieren, doch es vergiftet das Klima und wird der Beziehung fast zwangsläufig schaden», sagte Wilkins.

Das war eine Steilvorlage für Martin, denn Kanadier werden vom US-Botschafter äusserst ungern ermahnt. Sofort gab es von Martin die volle Salve zurück: «Ich habe den grössten Respekt für Botschafter Williams (der Mann heisst tatsächlich Wilkins).

Alles was ich sagen möchte, ist: Ich lasse mir die Themen, die ich aufgreife, nicht vorschreiben. Ich werde sicherstellen, dass Kanada mit unabhängiger Stimme spricht - jetzt, morgen und immer.»

Harper spielt Schalmeienklänge für Linke

Diese Replik schlug sich in den Umfragen jedoch nicht nieder, wohl auch deshalb, weil der konservative Spitzenkandidat Stephen Harper die Äusserungen des Botschafters ebenfalls als «unangemessen» bezeichnete.

Überhaupt könnte das Motto für Harpers Wahlkampf lauten: «Wir sind viel linker als Sie dachten». Bei jeder Gelegenheit versichert er, dass er weder liberale Gesetze einkassieren noch Truppen in den Irak schicken will.

Nur im Ton will er sich gegenüber Bush etwas mässigen. Seine Begründung dafür lautet pragmatisch, dass schliesslich 85 Prozent aller kanadischen Exporte ins übermächtige Nachbarland gehen.

(Christoph Driessen/dpa)

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