Warum Liebe weh tut

publiziert: Mittwoch, 30. Nov 2011 / 08:45 Uhr / aktualisiert: Mittwoch, 30. Nov 2011 / 09:24 Uhr
Bibel moderner, dysfunktionaler Beziehungen: «Sex and the City» mit ganz ok aussehenden Warenkörpern.
Bibel moderner, dysfunktionaler Beziehungen: «Sex and the City» mit ganz ok aussehenden Warenkörpern.

Es ist Advent, das Fest der Liebe naht. Üblicherweise kulminiert mit Weihnachten der Einsatz der örtlichen Sicherheitskräfte gegen die häusliche Gewalt, die Selbstmordrate steigt und die eh schon am Limit operierenden Frauenhäuser füllen sich zusätzlich. Der geeignetste Zeitpunkt also, über Liebe nachzudenken.

Weiterführende Links zur Meldung:

Infos zu «Eloge de l'amour»
Editions Flammarion Seite zu Alain Bidous Buch inklusive Leseprobe
editions.flammarion.com

Infos zu «Warum Liebe weh tut»
Die Seite des Suhrkamp-Verlages über Eva Illouz' Buch
suhrkamp.de

Liebe ist kalt. Keine andere Serie als «Sex and the City» zeigte dies besser. S&C ist die Bibel moderner dysfunktionaler Beziehungen. In der Serie bestimmen die Männer die ausschliesslich genitalgesteuerten Liebesspiele und die Frauen kichern dazu. Ansonsten, wenn sie nicht grad blöd dahinschwatzen, kaufen sich letztere auch noch Schuhe. Menschliche Qualitäten, das, was meine Mutter «Charakter» zu nennen pflegte, sind nicht erwünscht. Dafür sehen die Warenkörper ganz ok aus.

Keine Serie zeigt so unerbittlich, grausam, humorlos in der ganzen inszenierten Lächlicherkeit, wie Menschen als Menschen auf schnellstem Weg zugrunde gehen. Dass die meisten meiner Geschlechtsgenossinnen diese Serie als «feministisch», «lustig», «brillant» verehren, belegt in Anlehnung an Adorno, dass Frauen erst dann die Gleichberechtigung erhalten werden, wenn sie schon längst vergessen haben, was «Frausein als Subjekt» überhaupt bedeuten könnte.

«Die Liebe in Zeiten der Grausamkeit» (Stämpfli) konstruiert für so viele Menschen unendlichen Schmerz, dass die globale Pharmaindustrie dieses Leid perfekt in Milliardenumsatz umwandeln kann.

In «Sex and the City» dominiert die weibliche Sucht nach Anerkennung, welcher alles, als erstes die eigene Würde, geopfert wird. Westliche Männer leben die Autonomie und kriegen ständig und überall Anerkennung: Auf dem Arbeitsmarkt, auf dem weitgehend deregulierten Liebesmarkt, auf dem biologistischen Medizinmarkt. Nur Frauen, die keine Kinder wollen oder haben, die ökonomisch gesichert sind (was eine winzige Minderheit von Frauen ist), konkurrenzieren in diesen diversen Märkten mit den Männern auf Augenhöhe.

Wollen sie indessen Kinder, fallen sie in eine unendliche Zerstörungsspirale ihres ureigenen Selbst. Der Punkt ist nicht, dass Frauen nicht auch ihre Autonomie leben wollen. Der Punkt ist, dass Frauen in der Sorge um die männliche Autonomie ihre eigene gar nie wirklich leben können. Also tun viele Frauen mit Kinderwunsch so, als seien sie aller Sorgen ledig und frei, obwohl sie sich am liebsten irgendwelchen Männern um den Hals schmeissen möchten und schreien: «Bitte lieb mich!»

So argumentiert auch Charlotte Roche in ihren «Schossgebeten». Sie lebt zwar rein äusserlich ein ziemlich unabhängiges Leben als finanziell erfolgreiche Mutter und verheiratete Frau, gibt ihren Subjektstatus aber sofort auf, wenn ihr Mann dies auch nur als kleine Andeutung verlangt. Charlotte Roche's «Heldin» macht alles mit, nur, damit sie ihren Mann nicht verliert. Sie geht regelmässig ins Puff, das sie mit Edelbordell und Hygiene schönredet, nur damit ihr Mann den flotten Dreier geniessen kann. Die Heldin muss zwar jedes mal vor Besuch des Etablissements kotzen, Durchfall pflegen oder Würmer produzieren. «Meine Therapeutin bescheinigt mir einen fetten Vaterkomplex. Davon haben bis jetzt auch schon viele alte Männer profitiert. Mein Vater hat durch seine Abwesenheit in meiner Kindheit dafür gesorgt, dass die alten Männer durch meinen Körper immer Nachschub an Frischfleisch bekommen.» (S.75)

Schwule Männer berichten über ähnliche Zusammenhänge. Derjenige, der ausschliesslich die Autonomie lebt und auf Anerkennung dank seines ausserordentlich polierten Äusseren völlig pfeifen kann, wird immer in der Position des Wählenden und selten des Leidenden bleiben.

Narzissmus ist heutzutage keine Krankheit mehr, sondern der Weg zum beruflichen und ökonomischen Erfolg. Dass über solche Figuren schliesslich ein Grossteil der menschlichen Welt mit ersäuft wird, fällt nur wenigen auf, da die Wenigsten den Bezug zwischen menschlichen Verhalten sowie politischer und ökonomischer Struktur herstellen.

Die Soziologin Eva Illouz hat in diesem Zusammenhang ein brillantes Buch geschrieben. Sie zeigt in «Warum Liebe weh tut» die Fallstricke der Moderne. Diese wirken auf alle Menschen, aber insbesondere natürlich auf Frauen und schwule Männer, die Beziehungen und nicht nur Sex suchen.

Illouz erzählt die Geschichte der romantischen Liebe neu. Diese war in der frühen Neuzeit nicht nur eine geniale, zeitgleiche Erfindung des aufstrebenden Kapitalismus, sondern ideales Vehikel zur Beförderung der Warenidee bis ins menschliche Herz. War die vorkapitalistische Liebe eine menschliche und soziale Verpflichtung, ist sie heutzutage sogenannt frei. Wie im Kapitalismus üblich werden aber die hohen externen Kosten dieser radikalen Umwandlung menschlicher Verpflichtungen weder berechnet noch artikuliert.

Die Liebe als Businessmodell verursacht nun alle möglichen Schmerzen. Denn Verträge haben per se keine moralische Verpflichtung oder Qualität. Damit geht alles, was in der Liebe wichtig ist, verloren. Alles wird zum Markt. Auch die geliebte Person. Wenn sie nicht mehr poliert genug ist, dann kann sie (falls der Geldbeutel dick genug ist) durch ein neues Modell ersetzt werden. Wenn sie, wie im Fall der nachwuchsbereiten Frauen, zu langfristig angelegt ist, versetzt ihnen der meist männliche Waren-Liebes-Partner den Todesstoss. Wenn sie, wie im Fall der kinderliebenden Väter, in Konkurrenz zum Besitzanspruch einiger Frauen tritt, wird die Liebe zum totalen Krieg. Kein Wunder, reden die meisten meiner jungen Studierenden nie von Liebe. Sie ironisieren, psychologisieren, strukturieren Liebe schon längst so, wie wir zwischen Weisswein und Rotwein oder normalem und alkoholfreien Bier entscheiden.

Der niederschmetternden, klugen Analyse von Eva Illouz setzt der Philosoph Alain Badiou die beste Verteidigung der Liebe als Hohelied entgegen. In seiner «l'éloge de l'amour» verteidigt er mit grosser Leidenschaft die Liebe. «Wer leidet, ist nicht modern», meint Alain Badiou. Das zerstört die Liebe mit einem Sicherheits- und Warendiskurs, der «safe sex» nicht nur medizinisch, sondern in erster Linie psychisch propagiert. Ebenso muss Liebe, gemäss Badiou, in einer Warengesellschaft als «gebrauchsloses Unterfangen», als «unnötig» dekonstruiert werden. Differenz ist einem guten Warenmarkt abträglich. Vergleichbare Produkte müssen miteinander wetteifern. Doch die Liebe existiert nur in der Differenz. «Es ist meine philosophische Pflicht, die Liebe zu verteidigen. Nicht nur das: Die Liebe muss erfunden werden.»

In diesen Tagen werden wir von der Warenweihnacht und «FestderLiebe-Rhetorik» eingedeckt, zugemauert, kapitalisiert. Die menschlichen Sehnsüchte nach Licht in diesen dunklen Tagen werden mit dicken Männern in roter Verkleidung, die mich jedes Mal an die kindervergewaltigende Kardinäle in «Goya» erinnern, mit der Kreditkarte ausgelöscht. Deshalb empfehle ich für diese Tage meinen lieben kulturpessimistischen Freunden Eva Illouz und meinen fröhlichen Menschenfreundinnen Alain Badiou.

(Regula Stämpfli/news.ch)

Sozio-Philosophisches Geschwafel
Frau Stämpfli, Ihnen kann wirklich nur noch die Bibel helfen. Das lange "Psycho-Geschwafel" hätten Sie sich wohl sparen können.

1.Korinther 13,1-13: "Wenn ich in Sprachen der Menschen und der Engel redete, aber keine Liebe hätte, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. 2 Und wenn ich Weissagung hätte und alle Geheimnisse wüßte und alle Erkenntnis, und wenn ich allen Glauben besäße, so daß ich Berge versetzte, aber keine Liebe hätte, so wäre ich nichts. 3 Und wenn ich alle meine Habe austeilte und meinen Leib hingäbe, damit ich verbrannt würde, aber keine Liebe hätte, so nützte es mir nichts! 4 Die Liebe ist langmütig und gütig, die Liebe beneidet nicht, die Liebe prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf; 5 sie ist nicht unanständig, sie sucht nicht das Ihre, sie läßt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu; 6 sie freut sich nicht an der Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; 7 sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie erduldet alles."

(Das Vorläufige und das Vollkommene)

"8 Die Liebe hört niemals auf. Aber seien es Weissagungen, sie werden weggetan werden; seien es Sprachen, sie werden aufhören; sei es Erkenntnis, sie wird weggetan werden. 9 Denn wir erkennen stückweise und wir weissagen stückweise; 10 wenn aber einmal das Vollkommene da ist, dann wird das Stückwerk weggetan.
11 Als ich ein Unmündiger war, redete ich wie ein Unmündiger, dachte wie ein Unmündiger und urteilte wie ein Unmündiger; als ich aber ein Mann wurde, tat ich weg, was zum Unmündigsein gehört. 12 Denn wir sehen jetzt mittels eines Spiegels wie im Rätsel, dann aber von Angesicht zu Angesicht; jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin. 13 Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; die größte aber von diesen ist die Liebe."

Das, Frau Stämpfli, ist die echte Liebe. Daran sollten auch Sie sich orientieren - vielleicht wären dann Ihre werten Beiträge ein wenig verständlicher :-)
Liebe Deinen Nächsten
wie (auch) Dich selbst!

we-ahaw-ta le-rea'-cha kamo-cha

ist ein Auftrag. Er impliziert, sich selbst zu lieben, um fähig sein, andere lieben zu können. Wenn aber Eigenliebe zur Selbstsucht wird und Liebe mit Kontroll- und Eifersucht verwechselt wird, kann es schnell schmerzhaft werden - für alle Beteiligten.

Hier werden "Sex and the city" und Charlotte Roche's Werk zur Selbsttherapie, sowie Puffgängerei und anderes wild durcheinandergewürfelt. Das hat mit Liebe nichts zu tun. Gelüste und Begierden sind das eine. Liebe ist etwas anderes.
negatives Palaver
Diese Politologin muss grausam traumatisiert sein und hat irgendwelche eigene Erlebnisse bis heute nicht verarbeitet. Diesen ’Stuss’ aber allen zuzumuten und ihnen zu unterstellen, dass alle auch so sind, ist äusserst realitätsfremd.

Ich warte immer noch auf eine positive Kolumne von dieser ’Dame’. Wie heisst es doch so schön? Tue Gutes und sprich darüber. Das wäre eine Weihnachtsgeschichte, aber nicht derart wirres, negatives Palaver.
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