Von einer «Mogelpackung» und Parkplatzbedarf
«We love Calatrava» - Kampf um den St. Galler Marktplatz
publiziert: Freitag, 15. Apr 2011 / 16:30 Uhr / aktualisiert: Samstag, 16. Apr 2011 / 18:48 Uhr

Am 15. Mai befinden die St. Galler über eine Vorlage zur Neugestaltung ihres Marktplatzes, verbunden mit dem Bau einer neuen Parkgarage. Das «Komitee vernünftiger Marktplatz St. Gallen» betitelt die Kombination der beiden Vorhaben als «Mogelpackung» und stellt sich somit jeglichen Stadtparteien, sowie Stadtrat und -parlament in den Weg.

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Die Abstimmungsvorlage «Neugestaltung von Bohl, Marktplatz und Blumenmarkt» sieht grosse Eingriffe in das altbekannte Gesicht des Marktplatzes von St. Gallen vor: Die Wartehalle von dem spanischen Stararchitekten Santiago Calatrava soll abgebrochen, der Autoverkehr minimalisiert und ein grosszügiger Pavillon mit Marktständen und Toiletten aufgebaut werden. Ebenfalls würde auf öffentlichem Grund ein neues Parkhaus errichtet, um die Aufhebung von Parkplätzen um den Marktplatz zu kompensieren. Die Kosten für die Steuerzahler würden etwa in der Höhe von 36 Millionen Franken liegen. Das Projekt wird von der Stadt unterstützt und vorangetrieben.

Diese hat nun auch den Abstimmungskampf lanciert: Dank hunderttausenden von Franken trifft man an jeder Ecke des Marktplatzes auf Buttons, Aufkleber oder sogar Bildschirme, auf denen für ein «Ja» zur Vorlage geworben wird. Ganz anders sieht es im Lager der Gegner aus: Während die Stadt eines der grünen Häuschen am Marktplatz zur Werbung nutzt, musste sich Hansueli Stettler durch Bürokratie und Bewilligungen kämpfen, wie das Magazin «Saiten» berichtete.

Mittlerweile steht er mehrmals wöchentlich mit einem umgebauten Leiterwagen und einer Demonstrationsbewilligung auf dem Marktplatz - «David gegen Goliath», titelte der «Blick am Abend» treffend - um eine «Mogelpackung» zu bekämpfen. Denn nach dem «Komitee vernünftiger Marktplatz St. Gallen» wird die Neugestaltung des Marktplatzes instrumentalisiert, um damit die neue Parkgarage vom Volk absegnen zu lassen.

«Interessenskonflikte erster Güte»

«Die Politische und Bürgerliche Establishment hat erkannt, dass der Neubau der Parkgarage als Einzelprojekt vor dem Volk kaum eine Chance hat. Nun werden die Parteien und Verbände mit der Neugestaltung geködert», erläutert Marcus D. Waltenberg, Gründer des Büros «vernünftiger Marktplatz St. Gallen» gegenüber news.ch. Der Calatrava-Fan hat auf Facebook bereits über 2000 Gleichgesinnte unter dem Motto «We love Calatrava» versammelt und fordert «Integration statt Kahlschlag», Bäume statt Betonwüsten für den Marktplatz.

In dem Verwaltungsrat der CityParking AG sitzen mit Elisabeth Beéry und Nino Cozzio zwei Stadträte, die beide auch in der Wettbewerbsjury sassen, die das Bauprojekt «Josy und Orazio» als Gewinner für die Neugestaltung erkoren haben. «Ich sehe hier einen Interessenkonflikt erster Güte», kritisiert Waltenberg die Doppelfunktionen als Bauherren und Mitglieder der Bewilligungsbehörde. Auch die Calatrava-Halle dürfe als «sichtbares Bekenntnis zum öffentlichen Verkehr» nicht abgerissen werden.

Autofrei dank Parking?

Die Befürworter betrachten das Parkhaus hingegen als notwendig für eine autofreie Innenstadt, denn mit der Umgestaltung würden 148 Parkplätze in Marktplatznähe aufgehoben, die irgendwo wieder zur Verfügung gestellt werden müssen. Doch dafür gleich eine neue Parkgarage errichten? Das Parkleitsystem St. Gallen weist auf freie Abstellplätze für Autofahrer hin und bietet nahe dem Marktplatz zu Spitzenzeiten am Freitags-Feierabend oder am Samstag Nachmittag immer noch mindestens 200 freie Parkplätze auf, wie das «Saiten» im Februar aufzeigte.

Mit einem weiteren Zuwachs des Parkierbedarfs ist ebenfalls nicht zu rechnen, wenn die im letzten Jahr angenommene «Städte-Initiative», die jeglichen Verkehrszuwachs mit ÖV oder Velo bewältigen will, konsequent durchgeführt wird. Der Parkplatzbedarf dürfte also auch ohne eine aufwändige und millionenschwere Parkgarage erfüllt werden.

«Eine Steuersatzerhöhung ist zu erwarten»

Weiterhin sorgt sich das Komitee um die Kosten. Mit 250 Millionen Franken für das geplante Geothermie-Projekt und den Bahnhofsplatz wird das Stadtbudget bald stark belastet werden. Dazu kämen noch die 36 Millionen für den Marktplatz. «In diesem Betrag sind die zu erwartenden Korrekturen und Budgetüberschreitungen bis teilweise 20 % der Projektkosten nicht gerechnet. Wir erhalten weniger Geld vom Kanton, weniger Geld vom Bund. Eine Steuersatzerhöhung ist zu erwarten», so Waltenberg.

Um dies zu verhindern, werden die über 650 Mitglieder in den nächsten Wochen intensiv gegen das Projekt eintreten. «Wir stehen als Bürgerinitiative ohne Partei im Rücken jeden Mittwoch und Samstag auf dem Marktplatz.» Dort wird mit Passanten gesprochen, «Marktplätzli» verkauft und für einen besseren Verkehr gekämpft, während rundum aus den Schaufenstern die gelben Broschüren der Befürworter hervorleuchten und in der Calatrava-Halle auf den nächsten Bus gewartet wird.

Ob Neugestaltung oder nicht, das bunte Treiben auf dem Marktplatz wird auf jeden Fall bestehen bleiben.

(David Nägeli/news.ch)

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