«Wenn aus dem Traum ein Alptraum wird»

publiziert: Sonntag, 18. Jun 2006 / 16:41 Uhr

Als stärkste afrikanische Mannschaft war sie vor Turnierstart eingeschätzt worden, als erste musste sie die Segel streichen: Nach dem frühen WM-Ausscheiden trägt die Elfenbeinküste kollektive Trauer.

Zweimal gut gespielt und doch nicht mehr dabei: Didier Drogba von Elfenbeinküste.
Zweimal gut gespielt und doch nicht mehr dabei: Didier Drogba von Elfenbeinküste.
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«Abidjan legte sich um 18 Uhr (20 Uhr Schweizer Zeit. -- d.Red) einfach schlafen», titelte die Zeitung «Dernières Nouvelles». «Es ist, als wäre etwas in der Seele der Ivorer gestorben.» Damit umschrieb sie die Stimmung im über drei Millionen Einwohner zählenden Regierungssitz der Elfenbeinküste ziemlich treffend.

Dort, wo nach der erstmaligen WM-Qualifikation im letzten Oktober ausgiebig gefeiert wurde, herrschte nach der Niederlage gegen Holland (0:1) und der damit nicht mehr möglichen Achtelfinal-Qualifikation regelrechte Stille. Die Euphorie vor und während dem Spiel hatte sich rasch in betretenes Schweigen umgewandelt.

Zumindest für ein paar Tage hatten die Titelkämpfe im über 5000 Kilometer entfernten sportlichen Brennpunkt von den Kriegswirren an der Côte d´Ivoire abgelenkt. Die ehemalige Musterkolonie Frankreichs ist seit September 2002, als sich ein Teil der Armee gegen die Regierung erhob und den nördlichen Teil des Landes unter ihre Kontrolle brachte, zweigeteilt und gehört zu den Konfliktgebieten Afrikas.

Rund 7000 UNO-Blauhelme und circa 4000 französische Soldaten sind bemüht, eine noch grössere Spaltung zwischen den Rebellen im Norden und den Regierungstruppen im Süden zu vermeiden. Nicht zuletzt wegen des Kriegs galt die WM deshalb als temporäre Hoffnung, die offenen Konflikte in den Hintergrund zu drängen. «Der Fussball ist das einzige, was uns noch eint», erklärte ein Sprecher des nationalen Fussballverbandes vor der WM.

Unverhofft rasches Ende

Der Traum vom Fussballglück, in der schwierigsten Vorrundengruppe Argentinien oder Holland ein Bein zu stellen, nahm für die Elfenbeinküste indes ein unverhofft rasches Ende. «Die Adaption europäischer Spielweise brachte den Holländern Afrikas ausser Expertenlob nichts ein», fasste ein Journalist der renommierten deutschen Zeitung «Zeit» das Ausscheiden passend zusammen. Die Ivorer um ihren Starspieler Didier Drogba hatten erfrischenden Fussball auf höchstem technischem Niveau geboten, ohne dabei taktische Disziplin vermissen zu lassen, aber dennoch zwei Mal verloren.

Mit der Elfenbeinküste verliert die WM -- da sind die meisten einig -- eine ihrer Attraktionen. «Sie können stolz auf sich sein», sagte etwa Arjen Robben, Drogbas holländischer Mannschaftskollege bei Chelsea nach dem knappen Erfolg. Gar als heimlicher Supporter stellte sich Robin Van Persie heraus: «Das ist unglaublich hart für sie. Ich bin ein richtiger Fan dieser Mannschaft.»

Schwacher Trost

Die Tatsache, in den ersten beiden Gruppenspielen mit zwei Weltnationen des Fussballs zumindest Schritt gehalten zu haben, ist für die «Elefanten» ein schwacher Trost. «Jeder sagt uns, wir hätten gut gespielt. Aber das reicht nicht, denn das Wichtigste sind die Resultate, und die passten nicht», ärgerte sich Drogba.

Für die Elfenbeinküste wurden die beeindruckenden WM-Auftritte letztlich zum Alptraum, wie der «Patriote» schrieb. Der ersten Enttäuschung auf Seiten der Spieler folgte aber gleich eine Kampfansage, abgegeben Captain: «Wir kommen bei der WM 2010 zurück, und dann werden wir noch stärker sein», versprach der im bedeutungslos gewordenen Spiel gegen Serbien-Montenegro gesperrte Drogba. Die Aussichten auf weitere Fortschritte in den kommenden Jahren stehen gut. Von den zehn Feldspielern, die gegen Holland begannen, wird an der nächsten WM nur Drogba älter als 30-jährig sein.

Vertrag von Michel läuft aus

Ob die Ivorer dann aber noch von Henri Michel gecoacht werden, ist mehr als fraglich. Der Vertrag mit dem französischen Weltenbummler läuft nach der WM in Deutschland aus und gab es vom Verband offenbar noch keine Anfrage für eine Verlängerung. «Ich habe Afrika genug gegeben», liess sich der 58-jährige Michel zitieren und schloss damit einen Verbleib auf dem Schwarzen Kontinent faktisch aus.

Zu reden gaben in der heimischen Presse taktischen Entscheide Michels. «Er liess einige seiner besten Waffen (Aruna Dindane) auf der Bank, brachte mit Romaric einen Mittelfeldspieler, der den Spielaufbau bremst und gab so ein Spiel preis, das er hätte gewinnen müssen», kritisierte etwa «Nord-Sud». «Dann hackt mir doch den Kopf ab, wenn ihr wollt», lautete Michels wenig diplomatische Replik.

(fest/Si)

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