Wie bei «James Bond», aber reales Leben

publiziert: Montag, 20. Nov 2006 / 18:41 Uhr / aktualisiert: Montag, 20. Nov 2006 / 20:03 Uhr

London - Ein mutmasslicher Giftanschlag auf einen ehemaligen russischen Agenten weckt in Grossbritannien Erinnerungen an den Kalten Krieg.

Wer waren die Männer in der kleinen Sushi-Bar?
Wer waren die Männer in der kleinen Sushi-Bar?
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Die Affäre könnte zu einer schweren Belastung für die Beziehungen zwischen London und Moskau werden.

Es war der Mittwoch vor drei Wochen, nachmittags um 15 Uhr, in einer kleinen Sushi-Bar namens «Itsu», mitten im Londoner Vergnügungsviertel Soho. Dort sassen zwei Männer unauffällig in der Ecke. Der eine ass etwas, der andere nicht.

Möglicherweise war genau dies der Moment, in dem der ehemalige russische Geheimdienstler Alexander Litwinenko vergiftet wurde. Heute jedenfalls liegt der 43-jährige in einer Universitätsklinik und ringt um sein Leben.

Die «Times» wertete den Fall Litwinenko am Montag als Beweis dafür, dass die «Unannehmlichkeiten» des Kalten Krieges noch immer nicht vorbei seien. Der mutmassliche Anschlag erinnert beispielsweise an die Ermordung des bulgarischen Dissidenten Georgi Markov, der 1978 in London mit der vergifteten Spitze eines Regenschirms getötet wurde.

Erklärter Putin-Gegner

Der Verdacht im jüngsten Fall richtet sich vor allem gegen den russischen Geheimdienst FSB, die einst vom heutigen Präsidenten Wladimir Putin geführt wurde. Der FSB ist die Nachfolgeorganisation des legendären KGB.

Litwinenko, selbst ehemaliger FSB-Offizier, hatte sich seit Jahren als erklärter Putin-Gegner einen Namen gemacht. Das erste Mal machte er 1998 Schlagzeilen, als er während Putins Zeit als Geheimdienstchef behauptete, vom FSB einen Auftrag zur Ermordung des russischen Milliardärs Boris Beresowki bekommen zu haben.

Später erklärte er, dass die Wohnhaus-Explosionen 1999 in Moskau, die einer der Vorwände zum zweiten russischen Einmarsch in Tschetschenien waren, vom Geheimdienst verübt worden seien. Zuletzt soll Litwinenko mit Recherchen zum gewaltsamen Tod der russischen Journalistin Anna Politkowskaja im Oktober beschäftigt gewesen sein.

Unter dem Vorwand, er erhalte neue Dokumente über die Verstrickung des FSB in den Mord, wurde er angeblich ins «Itsu» gelockt. Wenige Stunden nach dem Treffen bekam Litwinenko grosse Schmerzen und musste in eine Klinik gebracht werden.

Ringen mit dem Tod

Zunächst gingen die Ärzte von einer Lebensmittelvergiftung aus. Inzwischen sind sie sicher, dass der Ex-Agent mit dem Schwermetall Thallium vergiftet wurde, das unauffällig ins Essen gemischt werden kann. In die Ermittlungen hat sich nun auch Scotland Yard eingeschaltet.

«Sascha war ein gesunder Mann. Jetzt sieht er aus wie ein Krebspatient nach schwerer Chemotherapie», berichtete ein Freund, der ihn am Krankenbett besuchte. Der ehemalige Agent hat keine Haare mehr und muss künstlich ernährt werden. Seine Überlebenschancen werden auf 50 Prozent geschätzt.

Falls sich die Vorwürfe bewahrheiten, könnte die Affäre zu einer schweren Belastung für die Beziehungen zwischen London und Moskau werden. Litwinenko hat seit kurzem auch die britische Staatsbürgerschaft. Das Londoner Aussenministerium erklärte aber, die Ermittlungen von Scotland Yard abwarten zu wollen.

(von Christoph Sator, dpa/sda)

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