Wir Lemminge

publiziert: Montag, 10. Nov 2008 / 11:16 Uhr / aktualisiert: Montag, 10. Nov 2008 / 12:57 Uhr

Der Lemming gilt – fälschlicherweise – als jenes Tier, das sich über eine Klippe ins Meer stürzt, nur weil ein anderer Lemming vor ihm schon über die Klippe gegangen ist. Dieses Verhalten, das in der Realität sehr selten vorkommt, hat den Lemming zu einem Sinnbild für massenhysterische Phänomene bei Menschen gemacht.

Am offensichtlichsten ist ein solches Verhalten bei Massenpaniken, wo zum Teil – ohne wirklichen Grund – Menschen gemeinsam vor einer imaginären Gefahr flüchten und erst so eine echte Gefahr schaffen. Nur schon ein Gerücht kann so zu einer Panik führen, in der Menschen tot getrampelt und schwer verletzt werden.

Doch auch das Umgekehrte ist möglich. Plötzliche Wellen globaler Solidarität bringen Millionen Menschen dazu, Geld zu spenden und so Leuten zu helfen, die sie noch nie gesehen haben und sehr wahrscheinlich nie sehen werden. «Life Aid» ist vermutlich das bekannteste Beispiel dafür.

Der «Lemming-Effekt» bestimmt das Leben von uns wesentlich stärker als uns lieb sein kann. Die momentane Wirtschaftskrise und drohende Rezession ist zum Beispiel das Werk weltweiter Lemminghaftigkeit.

Irgendwann wurde es unter Wirtschaftlemmingen zum Beispiel populär zu glauben, dass Wert auch dadurch entstehen kann, indem man einfach behauptet, etwas sei wertvoller, weil alle mehr Geld haben, um diese Dinge zu kaufen. Das viele Geld, um diese Dinge zu kaufen stammte aus den Krediten, die man mit diesen Dingen als Sicherheit aufnehmen konnte. Die Rede hier ist natürlich von den Immobilien in den USA, Grossbritannien und Spanien.

Doch auch ständig steigende Kurse an den Aktienmärkten, die längst jenseits der echten, durch die Firmen dargestellten Werte lagen, liessen sich darauf zurück führen, dass einfach alle – selbst mit geliehenem Geld – wild mit Aktien spekulierten und glaubten, dass es nur aufwärts gehen könne.

Es war ein wilder Lauf auf die Klippe hinauf, der da stattfand. Niemand wollte bemerken, dass die Luft immer dünner, die Gegend immer unwirtlicher wurde. Jene, die Zweifel anmeldeten, wurden als Endzeitpropheten verlacht, als solche, die nicht sehen wollten, dass nur der Himmel die Grenze sei. Und die Welt schien daran zu glauben. Regierungen erliessen Gesetze, deregulierten, was das Zeug hielt, so dass niemand den Vorwurf machen konnte, dass ein Gesetz der blinden Gier im Weg stehen würde. Die Schweiz mit eher trägen Gesetzgebungsprozessen hinkte da glücklicherweise hinterher, so dass hier die private Verschuldung nicht unbegrenzt wachsen konnte.

Doch dann näherte sich das Ende der Klippe, es kam der Absturz, und die ersten sprangen in den Abgrund. Alle wollten auf einmal ihre Aktien loswerden, ihre Junk-Bonds mit Kredit-Verschreibungen, all diese Wunderpapiere, die noch vor Jahresfrist als Goldesel gehandelt worden waren. Doch auf einmal waren es ganz normale Esel, die nur Mist produzierten. Das Wunder der Wertschöpfung aus dünner Luft war vorbei.

Doch, wie bei einer Panik üblich, wurden nicht nur die schlechten Papiere verkauft. Auch gute Firmenwerte fielen ins Bodenlose, Immobilien verloren weit mehr als den Spekulationsaufschlag, Banken gaben auch guten Schuldnern keine Kredite mehr... Wir Lemminge springen über die Klippe und nicht wenige ersaufen dabei in der tobenden See.

Was uns zurück zu den echten Lemmingen bringt. Diese suchen, wenn ihre Bevölkerungsdichte zu gross wird, neue Lebensräume und stürzen sich dabei auch mal ins Meer, um zu anderen Ufern zu schwimmen. Natürlich sterben dabei einige. Aber es handelt sich nicht um eine blinde Panik. Es ist ein Verhalten, dass dazu dient, neues Land zu finden... an einem anderen Ort neu anzufangen.

Wenn momentan verzweifelt versucht wird, genau jenes System zu retten, das gescheitert ist, statt ein neues, besseres System zu finden, dann müssen wir uns tatsächlich unterstellen lassen, dass wir nicht wie Lemminge handeln. Sondern wesentlich dümmer.

(von Patrik Etschmayer/news.ch)

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