Amerikaner fordern Gerechtigkeit
«Wir sind die 99 Prozent!»
publiziert: Dienstag, 4. Okt 2011 / 13:55 Uhr / aktualisiert: Donnerstag, 6. Okt 2011 / 08:47 Uhr

Ein Aufmarsch von US-Piloten, ein angebliches Radiohead-Konzert und eine Zeltstadt vor der amerikanischen Börse - seit mehreren Wochen finden an der Wall Street in New York grosse Proteste statt. Mitten im Herzen der amerikanischen Finanzindustrie kämpfen US-Bürger für Gerechtigkeit und gegen die «Finanzelite».

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Weiterführende Links zur Meldung:

«We Are the 99 Percent»
Ein Blog sammelt die Statements der einzelnen Bürger in Foto-Form.
wearethe99percent.tumblr.com

«Occupy Wall Street»
Homepage von einigen Aktivisten - gesammelte Videos, Beiträge und Informationen.
occupywallst.org

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Michael MooreMichael Moore
RadioheadRadiohead
«Drei Jahre lang habe ich nach Arbeit gesucht und nichts gefunden. Als ich endlich einen Aushilfejob bekommen habe, flatterte eine Rechnung über 60'000 Dollar für Gesundheitskosten ins Haus. Ich bin verschuldet, ohne Aussicht auf Besserung - ich bin die 99 Prozent!» Im Internet machen hunderte von Frustrationsschreiben von amerikanischen Bürgern die Runde, die sich der selben Bewegung unterordnen: Sie sind die «99 Prozent» von Amerika.

Seit Wochen marschieren Amerikaner jeglicher Couleurs die Strassen des symbolischen Zentrums der amerikanischen, wenn nicht globalen, Finanzindustrie auf und ab und fordern Gerechtigkeit für die «anderen 99 Prozent». Genaue Forderungen hat die führerlose Bürgerbewegung noch nicht ausgearbeitet, doch eines ist klar: Sie haben genug davon, dass die Welt den Reichen gehört.

Ähnlich wie die Demonstranten im arabischen Raum, haben sich die Amerikaner im Internet zusammengeschlossen und ihre Erfahrungen mit dem amerikanischen Wirtschafts-, Polit- und Gesundheitssystem ausgetauscht. Entstanden ist eine Bewegung mit dem Namen «occupywallst». Der Name ist Programm: «Besetzt die Wall Street!» lautet die Parole. Regelmässige Demonstrationszüge gehören ebenfalls dazu.

Schweigen der US-Medien

Unterstützung gewinnen die (nach eigenen Angaben) mehrere tausend Demonstranten von diversen Prominenten: US-Dokumentarfilmer Michael Moore oder die Poprock-Band Radiohead haben der Bewegung ihre Unterstützung zugesprochen. Die Solidaritätsbekundung der Band führte auch zu den falschen Gerüchten, dass sie mitten an der Wall Street ein Konzert geben würde.

Die US-Medien hingegen scheinen den Demonstranten hingegen nicht sehr zugetan zu sein. Nur vereinzelt findet sich in amerikanischen Zeitungen oder Fernsehsendern eine Erwähnung der Proteste. Die Politiker im Lande schweigen ebenso, nur der republikanische Ron Paul äussert seine Zustimmung: «Wenn sie friedlich demonstrieren und das öffentliche Auge auf das FED [US-Notenbank] lenken - das unterstütze ich!»

Aufmerksamkeit erregt die Bewegung hingegen in ausländischen Medien und vor allem in sozialen Netzwerken. So wurde ein New Yorker Polizist im Internet für die gefährliche Benutzung eines Pfeffersprays aus nächster Nähe an den Pranger gestellt. Auch die Festnahme von über 700 Demonstranten, das Entreissen von Foto- und Filmkameras oder Verhaftungen von Minderjährigen sorgen für weitere Demonstrationen und heftige Diskussionen um das Vorgehen des New York Police Departements. Das Video oben zeigt den Marsch zum Hauptquartier der New Yorker Polizei, der das brutale Vorgehen verurteilen sollte.

Wachsendes Ungleichgewicht

Wie die United Nations University vor knapp fünf Jahren festgestellt hat, besitzen die reichsten 2 Prozent der Weltbevölkerung über die Hälfte des Reichtums, Nahrung und Land einbegriffen. Diverse Studien haben in den letzten Jahren die wachsende Tendenz zu einer ungleichen Verteilung festgestellt.

Die Einkommensschere in Amerika ist noch ein wenig stärker geöffnet, als in Mittel- und Westeuropa: Die oberen zwanzig Prozent besitzen knapp 85 Prozent des amerikanischen Wohlstandes. Während viele Studenten ihr Studium mit einem riesigen Schuldenberg abschliessen oder eine gefährliche Krankheit nicht nur gesundheitliche Schäden, sondern durch unzureichende Unterstützung auch ein tiefes Loch in die Familienkasse reissen kann, wächst das Wohlhaben an dem oberen Ende der Gesellschaft mehr und mehr.

Mangelnde Feindbilder

Das Herz der amerikanischen Börse nimmt für die Protestierenden symbolisch die Rolle als Feind ein, da sie für ihre Anliegen Niemanden zur Rechenschaft ziehen können. Sie beschweren sich über dysfunktionale Politik, über eine Gewissenlosigkeit der Finanzelite, über willkürliche Festnahmen und präventive Polizeimassnahmen, über das Geld-vor-Mensch-Denken der Arbeitswelt, über allgegenwärtige Schulden und über die Finanzkrise. Kurz gesagt: Sie stehen, vergleichbar mit den Demonstranten im arabischen Raum, für Gerechtigkeit und Gleichbehandlung ein und sehen sich genau so einem grossen Feindbild gegenüber, nur dass dieses weder ein Gesicht noch einen klaren Namen hat. Und so wenden sie sich an das greifbarste, was ihnen symbolisch als Feind dienen kann, die New York Stock Exchange. «Wir sind 99 Prozent von Amerika. Wir fordern Gerechtigkeit!»

(David Nägeli/news.ch)

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Auch in San Francisco zogen tausende Amerikaner durch die Strassen.
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Ignorieren
Nicht nur die amerikanischen Medien und Regierung ignorieren diese Proteste und versuchen es auszusitzen.

Dasselbe passiert auch in Europa. Italien, Spanien etc.

Wir befinden uns im Krieg zwischen Arm und Reich.
Die Reichen werden gewinnen, da sie sowohl die Politik, wie auch die Medien, wie auch die Regierungen längst gekapert haben.
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