Worte des Mutes

publiziert: Dienstag, 25. Mrz 2008 / 10:29 Uhr / aktualisiert: Dienstag, 25. Mrz 2008 / 11:15 Uhr

1 Meldung im Zusammenhang
Es ist eine Rede, die Geschichte machen könnte, die bereits dabei ist. Eine Rede die manchem Zuhörer Schauer den Rücken hinunter jagte und die millionenfach im Internet runter geladen wird.

Eine Rede, die aus anderen Reden von Politikern um Kopf und Schultern herausragt. Nicht nur wegen ihres Themas. Sondern auch wegen der bemerkenswerten Ehrlichkeit, mit der Barack Obama letzte Woche das Rassenthema und den politischen Zynismus in den USA angegangen ist.

Der Anlass für Obamas Rede war etwas, das eigentlich der Sargnagel zu seiner Kampagne hätte sein können – ja sein müssen. Der Pastor seiner Kirchgemeinde in Chicago, der Mann der Obamas Ehe geschlossen und seine Töchter getauft hatte, ein Mann, der Obama sehr nahe stand, hatte eine Predigt über Krieg, Armut und Rassismus gehalten, die in dem leidenschaftlichen Ausruf «God damn America» gipfelte. Obama distanzierte sich in der Folge von Pastor Wright und dessen Brandpredigt, aber er weigerte sich, ihn zu verstossen, genauso wenig, wie er seine weisse Grossmutter verstossen könne, die ihm gegenüber auch schon rassistische Stereotypen geäussert habe, welche ihn erschaudern hatten lassen. Denn sein Pastor sei ebenso wie seine Grossmutter ein Ausdruck der Widersprüchlichkeit der USA, wo in vielen Schicksalen Schrecken und Triumph, Elend und dessen Überwindung untrennbar verquickt sind.

Das so anzusprechen war schon ausserordentlich mutig. Doch Obama ging weiter und er machte etwas, das Politiker sonst nie machen: Er nannte auch die weitergehenden Probleme beim Namen – in diesem Fall den latenten Rassismus auf allen Seiten und die Stereotypen, die dabei so gerne verwendet werden. Er erinnerte dabei an die gerne vergessenen Tatsache, dass noch vor fünfzig Jahren Rassentrennung und -diskriminierung in den USA die Regel waren und das Vermächtnis der Unterdrückung, die auf vielen Afro-Amerikanern noch heute lastet. Er redete davon, wie im Dialog zwischen den Rassen diese Altlasten meist ignoriert werden und die Wut einfach weiter kocht und nur dann herauskommt, wenn man unter sich ist.

Er sprach aber auch über die Wut der weissen Unter- und Mittelschicht, die selbst nie ein Unrecht gegen Schwarze begangen hatte und nun zusieht, wie Afro-Amerikaner bei Job- und Studiumsstellen bevorteilt werden, von Sozialhilfe leben und ihre Angst vor Kriminalität als Rassismus abgestempelt wird. Und er sprach darüber, wie Politiker diese Wut und diese Vorurteile ausnützen und vertiefen, um Stimmen zu machen.

Die Frage sei nun, ob man diese Differenzen bis zu den Wahlen breittreten wolle, um nicht die wirklichen Probleme ansprechen zu müssen, nur um dann beim nächsten Mal – in vier Jahren – über eine andere Ablenkung zu reden. Oder man könne sagen: «Nein, diesmal nicht», und die wirklichen Probleme wie Schuldbildung, Gesundheitswesen, Arbeitslosigkeit zu debattieren, um dabei nicht irgendwem den schwarzen Peter zuzuschieben, sondern den Ansatz einer nachhaltigen Lösung zu finden.

Das Verrückte an der Rede ist, dass sich Obama dabei nicht als der Heilsbringer darstellt, sondern lediglich als ein Politiker, der nicht einfach einen Sündenbock sucht, der nicht eine weitere Teilung der Wählerschaft in einzelne Gruppen, die man gegeneinander ausspielt, betreiben will.

Auch wenn manche Teile dieser Ansprache sehr speziell amerikanisch sind, ist sie doch so ausserordentlich für einen Politiker irgendwo auf der Welt, dass nicht nur die amerikanischen Wähler aufhorchen sollten. Denn er spricht genau das an, was viele Leute auch in Europa politikmüde, ja -angewidert werden liess: Den Zynismus, das hämische, dreckige und durch und durch unehrliche in der Politik. Auf der einen Seite die fies grinsenden, auf der anderen Seite die Betroffenheit heuchelnden und ständig nur anklagenden – aber auf beiden Seiten Klientel-Politiker, die nur scharf auf die knappe, gerade ausreichende Mehrheit sind und selbst bei Koalitionsregierungen darauf achten, dass genügend Animositäten bestehen bleiben. Politiker, die unbequeme Wahrheiten weg schieben und nur nach guten Sündenböcken suchen.

Nun mag man einwenden, dass dies nur Worte gewesen seien. Aber was für Worte! Dem Autoren fällt zumindest auf die Schnelle kein europäischer Politiker ein, der es gewagt hätte, eine solche Rede zu halten. Denn diese verlangte eines: Mut. Und das ist eine Eigenschaft, die in der politischen Landschaft eine echte Rarität ist.

(von Patrik Etschmayer /news.ch)

Lesen Sie hier mehr zum Thema
CNN-News Gibt es in Ihrer Vergangenheit eine verrückte Ex-Freundin, einen seltsamen Onkel ... mehr lesen
Titelseite der «Chicago Sun-Times». (Ausschnitt)
.
Digitaler Strukturwandel  Nach über 16 Jahren hat sich news.ch entschlossen, den Titel in seiner jetzigen Form einzustellen. Damit endet eine Ära medialer Pionierarbeit. mehr lesen 22
«Hier hätte ich noch eine Resistenz - gern geschehen!» Schematische Darstellung, wie ein Bakerium einen Plasmidring weiter gibt.
«Hier hätte ich noch eine ...
In den USA ist bei einer Frau mit Harnwegsinfektion zum ersten mal ein Bakterium aufgetaucht, das gegen das letzte Reserve-Antibiotikum resistent ist. Wer Angst vor ISIS hat, sollte sich überlegen, ob er seinen Paranoia-Focus nicht neu einstellen will. Denn das hier ist jenseits aller im Alltag sonst verklickerten Gefahren anzusiedeln. mehr lesen 4
Durch ungeschickte Avancen von SBB- und Post-Chefs, droht die Service-Public-Initiative tatsächlich angenommen zu werden. Von bürgerlicher Seite her solle laut einem Geheimplan daher ein volksnaher ... mehr lesen
Künftig mindestens 500'000.-- und die ganze Schweiz inklusive: SwissPass, der schon bald mal GACH heissen könnte.
Urversion von IBM's Supercomputer WATSON: Basis für 'ROSS'... und unsere zukünftigen Regierungen?
Eine renommierte US-Kanzlei stellt einen neuen Anwalt Namens Ross ein. Die Aufgabe: Teil des Insolvenz-Teams zu sein und sich durch Millionen Seiten Unternehmensrecht kämpfen. Und ... mehr lesen  
In letzter Zeit wurden aus Terrorangst zwei Flüge in den USA aufgehalten. Dies, weil Passagiere sich vor Mitreisenden wegen deren 'verdächtigen' Verhaltens bedroht fühlten. Die Bedrohungen: Differentialgleichungen und ein ... mehr lesen
Sicherheitskontrolle in US-Airport: 95% Versagen, 100% nervig.
Typisch Schweiz Der Bernina Express Natürlich gibt es schnellere Bahnverbindungen in den Süden, aber wohl ...
Highlight der Kollektion: Eine Gibson Les Paul von 1959, die 300.000 bis 500.000 Pfund einbringen soll.
Shopping Mark Knopfler verkauft seine Gitarrensammlung Die Gitarrensammlung vom Dire Straits-Gitarristen Mark Knopfler wird am 31.01.2024 bei Christie's versteigert.
Erstaunliche Pfingstrose.
Jürg Zentner gegen den Rest der Welt.
Jürg Zentner
Frauenrechtlerin Ada Wright in London, 1910: Alles könnte anders sein, aber nichts ändert sich.
Regula Stämpfli seziert jeden Mittwoch das politische und gesell- schaftliche Geschehen.
Regula Stämpfli
«Hier hätte ich noch eine Resistenz - gern geschehen!» Schematische Darstellung, wie ein Bakerium einen Plasmidring weiter gibt.
Patrik Etschmayers exklusive Kolumne mit bissiger Note.
Patrik Etschmayers
Obama in Hanoi mit der Präsidentin der Nationalversammlung, Nguyen Thi Kim Ngan auf einer Besichtigungstour: Willkommenes Gegengewicht zu China.
Peter Achten zu aktuellen Geschehnissen in China und Ostasien.
Peter Achten
Recep Tayyp Erdogan: Liefert Anstoss, Strafgesetzbücher zu entschlacken.
Skeptischer Blick auf organisierte und nicht organisierte Mythen.
Freidenker
 
Der Remoteserver hat einen Fehler zurückgegeben: (404) Nicht gefunden.
Source: http://media3.news.ch/ajax/geonews.aspx?col=3&rubID=1185&label=&ts=14:42:35
Stellenmarkt.ch
Kreditrechner
Wunschkredit in CHF
wetter.ch
Heute Fr Sa
Zürich 3°C 7°C wechselnd bewölkt, Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt, Regen wechselnd bewölkt, Regen
Basel 4°C 9°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wolkig, aber kaum Regen wechselnd bewölkt, Regen
St. Gallen 0°C 4°C starker Schneeregenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig trüb und nass starker Schneeregen
Bern 0°C 6°C Schneeschauerleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt, Regen wechselnd bewölkt, Regen
Luzern 3°C 6°C wechselnd bewölkt, Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt, Regen wechselnd bewölkt, Regen
Genf 4°C 9°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wolkig, aber kaum Regen wolkig, aber kaum Regen
Lugano 9°C 14°C wechselnd bewölktleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig freundlich recht sonnig
mehr Wetter von über 8 Millionen Orten