Worte zum Mai-Tag

publiziert: Montag, 2. Mai 2005 / 13:00 Uhr

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Gestern wurden sie wieder gehalten, die Reden zum ersten Mai. Zwei Themen beherrschten diese Reden: Wirtschaftsliberalisierung und 'unanständige' Managergehälter. Die beiden Themen wurden meist in direkten Zusammenhang gestellt.

Was natürlich ein Blödsinn ist. Die Wirtschaftliberalisierung ist zwar ängstigend aber auch Notwendigkeit, die sich aus dem Wandel der Welt in den letzten dreissig bis vierzig Jahren ergeben hat. Unsere Wohlstands- und Wohlfahrtsstaaten in Europa hatten nämlich ein schmutziges, kleines Geheimnis, dass da Kolonialdividende heisst.

Noch während Jahrzehnten nach der Entkolonialisierung – speziell Asiens – profitierten wir von den dort aufgebauten Strukturen der Ausbeutung. Doch aus den einstigen Kulis sind nun Konkurrenten geworden. Dass durch den Fall des eisernen Vorhangs auch in Europa neue Mitbewerber ins Spiel gekommen sind, die auch Wohlstand wollen, macht die Sache nicht leichter.

Wer mit solch hungrigen Volkswirtschaften mithalten will, muss flexibler, schlanker und schneller werden. Dass dies unangenehm und furchteinflössend ist, leuchtet einem jeden ein. Konkurrenz ist nun mal nicht kuschlig. Und als export-orientierte Wirtschaften können sich die Mitteleuropäer nicht abwenden und isolieren. Daraus würde nur ein langsamer, quälender Niedergang resultieren, an dessen Ende der totale Ruin stünde.

So weit, so schlecht, könnte man nun sagen. Wenn da nicht die Manager-Gehälter wären, würden Forderungen nach Liberalisierung sogar ohne grosse Klagen akzeptiert. Doch wenn von einem Arbeiter ein Lohnverzicht gefordert wird und sich sein Boss aus den so erzielten Gewinnen eine fette Lohnerhöhung gönnt, leidet – gelinde Gesagt – die Glaubwürdigkeit der Geschäftsführung und ihrer Entscheidungen. Völlig logisch, dass die Arbeitnehmer entsprechend sauer sind.

Doch die Liberalisierung des Arbeitsmarktes IST notwendig und hat nicht direkt mit den überrissenen Bezügen der Manager zu tun. Diese sind Sache der Corporate Governance, der Art und Weise wie ein Geschäft geführt wird. Es ist für die ganze Wirtschaft schlecht, wenn in den Chefetagen ein Selbstbedienungsprinzip herrscht. Die Entlohnung der Manager muss deshalb anders geregelt werden.

Es ist richtig, dass eine Führungskraft, die eine Unternehmung erfolgreich führt, auch am Erfolg teilhaben soll. Genau so wie der kleine Arbeiter, der seinen Job gewissenhaft erfüllt. Doch fünfhundert bis tausend Mal mehr Lohn sind durch nichts zu rechtfertigen und ein Zeichen abstossender Gier. Viele Top-Manager argumentieren, dass ihr Job ausserordentliche Leistung fordere und ein grosses Risiken berge.

Vor allem Letzteres ist eine an den Haaren herbeigezogene Lüge. Was riskiert ein Manager mehr als ein Arbeiter? Dass er nach seiner Entlassung seinen 1 Millionen Euro teuren Bugatti nicht kaufen kann? Dass er seine Villa am Comer See nicht mehr zu finanzieren vermag? Dass er in Zukunft nur noch Business- statt First-Class fliegt und seine Hobby-Ranch in Montana verkaufen muss?

Das sind keine Risiken. Das ist nur Komfort-Einbusse. Das grösste Risiko besteht darin, wegen Untätigkeit in ein psychologisches Loch zu fallen – genau wie ein normaler Angestellter – aber ohne dessen Existenzängste.

Darum, liebe Manager, wäre es Zeit, echtes Risiko in eure Verträge zu bringen: Wie wäre es damit, statt fetter Abfindungen bei Erfolglosigkeit Lohnrückzahlungen, ja vielleicht sogar Rückgriff auf das Privatvermögen zu vereinbaren? So bestünde zumindest die Chance, dass sich der rausgeschmissene Manager und der entlassene Arbeiter beim Sozialamt wieder mal über den Weg laufen... oder gar bei der 1. Mai-Demonstration?

(von Patrik Etschmayer/news.ch)

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