Wurzelbehandlungen am Strassennetz

publiziert: Freitag, 3. Aug 2007 / 12:30 Uhr

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Der Brückeneinsturz von Minneapolis, explodierende Dampfleitungen in New York, geborstene Flutdämme in New Orleans, Dammbruch auf Hawaii... die USA sind am verkrümeln. Allenthalben geht dort die Infrastruktur flöten. Wer jemals auf einem der nördlichen Interstates unterwegs gewesen ist, und das unablässige Perkussionskonzert von Schlaglöchern und Trennfugen noch in Ohren und Bandscheiben hat, wundert sich allerdings nicht allzusehr darüber.

Es ist dabei interessant, dass all die bemerkenswerten Bauwerke der US-Infrastruktur aus längst vergangenen Jahrzehnten zu stammen scheinen und irgendwie davon ausgegangen wird, dass, was gestern hielt, morgen auch noch stehen wird. Der Stolz auf jene Bauwerke, die früher beinahe identitätsstiftend waren, ist dabei zu einer Gleichgültigkeit geschwunden, die scheinbar nur erschüttert wird, wenn wieder mal eine Brücke zusammenkracht, oder Tunnelverkleidungen Pendler erschlagen.

Es ist dabei zu bemerken, dass es nicht, wie man meinen könnte, immer schlimmer wird. Laut der Organisation der Amerikanischen Zivil-Ingenieure (ASCE), habe die Zahl der baufälligen Brücken seit 1992 ständig abgenommen... von über 34,2 % auf 27,1 % im Jahr 2003. Es sei beabsichtigt, bis 2008 diesen Stand auf 25% hinunter zu bringen. Ob dies aber auch gelingt, steht auf einem anderen Blatt, vor allem weil nicht nur Brücken betroffen sind.

Fast jede Art von Infrastruktur in den USA leidet unter Verschleiss und mangelhaftem Unterhalt. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass die Sanierung der gesamten Infrastruktur dieser Supermacht über 1,6 Billionen (oder 1600 Milliarden) Dollar kosten könnte. Das wären fast 6000 $ für jeden Bewohner der USA, die aufgewendet werden müssen, um das Rückgrat der grössten Volkswirtschaft der Welt zu erhalten.

Doch Invesitionen von Steuergeldern in Rennovationen und Sanierungen sind einfach nicht sexy. Es ist kein Zufall, dass vor allem in den Städten die Infrastruktur lausig beisammen ist. Steuergelder werden dort besonders gerne in prestigeträchtige Vorhaben gesteckt, wie zum Beispiel ein neues Baseball-Stadion in Washington D.C. während die Brücken über den Potomac in der selben Stadt nur darauf warten, nächstens mal ein Bad im Fluss zu nehmen.

Wähler wissen solches handeln zu schätzen... bis sie auf dem Weg zum Baseball-Spiel unter den Trümmern einer kollabierenden Brücke begraben werden.

Nun mögen wir Europäer uns grinsend zurück lehnen und über die blöden Amis grinsen. Doch auch hier bröckelt es. Als der ADAC in diesem Jahr deutsche Brücken testete, bekamen nur 18 von 50 Brücken ein «Gut» (16) oder «Sehr Gut» (2). Eine Brücke musste sofort gesperrt werden, 5 wurden mit «Mangelhaft» abgestraft und 27 erhielten ein «Ausreichend», was auch schon Handlungsbedarf anzeigt!

Krümmel-Infrastruktur dürfte also weiter verbreitet sein, als man allgemein annimmt. Aber woran liegt das? Vermutlich daran, dass der Glauben herrscht, was gebaut sei, sei gebaut. Und es gibt kaum grösseren Verdruss, als wenn man sich auf Autobahnen durch lange Baustellen quälen muss, obwohl nur diese sicherstellen können, dass die Strassen auch in Zukunft noch befahrbar sind.

Zudem ist der Verschleiss der Infrastruktur meist nicht so auffällig wie bei Schlagloch-vernarbten Fahrbahnen. Ignorieren Behörden lange genug ihre Prüfpflicht, nach dem Motto, dass was man nicht anschaut auch nicht kaputt geht, so passieren Katastrophen wie jene in Minneapolis ohne jede Vorwarnung. Und die Öffentlichkeit kann nicht fassen, was und warum das nun passiert ist. Denn, Brücken stürzen doch nicht einfach so ein, oder?

Wir sind verwöhnt, was die Grundlagen angeht, die schon lange vor der heutigen Zeit angelegt wurden und die wir ganz selbstverständlich benützen. Wer sein Gebiss nicht pflegt und es nicht regelmässig kontrollieren lässt, wird Schäden auch erst bemerken, wenn nur noch teure Wurzelbehandlungen und Kieferchirurgie helfen können, um ein halbwegs schönes Lächeln wieder herzustellen. Bis die US-Infrastruktur wieder was zu grinsen hat, dürfte es also noch lange gehen.

(von Patrik Etschmayer /news.ch)

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