Zürich bricht das Tabu der 'Zweiklassen-Medizin'

publiziert: Dienstag, 19. Okt 2004 / 09:46 Uhr

Zürich - Mit der Ankündigung, Spitalpatienten würden künftig je nach Versicherungsstatus gepflegt, hat der Kanton Zürich das Tabu der Zweiklassenmedizin gebrochen. Das Bundesamt für Gesundheit beschliesst bald über die Rechtmässigkeit einer solchen Massnahme

In Zürich werden bald Patienten je nach Versicherungsstautus gepflegt.
In Zürich werden bald Patienten je nach Versicherungsstautus gepflegt.
Der Freiburger Dominique Sprumont, ein Spezialist für das Krankenversicherungsgesetz (KVG), findet, die Zürcher Gesundheitsdirektorin Verena Diener habe Mut gezeigt, als sie öffentlich eine Senkung gewisser Pflegestandards ankündigte. Laut Sprumont wird dies in vielen Kantonen oder Spitälern inoffiziell ohnehin schon praktiziert.

"Zürich schraubt vor allem am Komfort"

Aus Spargründen müssen in Zürcher Spitälern grundversicherte Patienten künftig mit längeren Wartezeiten rechnen, wenn sie klingeln. Für Präventivpflegehandlungen - etwa Umlagerungen - werden neue Prioritäten festgelegt. Und schliesslich sollen Extras wie zusätzliche Wahlmenus, Fernseher im Zimmer oder Internetanschluss für Grundversicherte kostenpflichtig werden.

"Diese Massnahmen verringern in erster Linie den Spital-Komfort", sagt Sprumont. Zur Zeit könne man nicht sagen, wie sich dies auf die Pflege-Effizienz auswirke. Der KVG-Fachmann kann sich aber vorstellen, dass Patienten, die sich vernachlässigt fühlen, neue Erkrankungen entwickeln. Und damit würde die Spitalrechnung am Ende höher statt tiefer.

Die Zürcher Initiative könnte ein erster Schritt in Richtung einer Pflegerationierung in der Schweiz sein. Beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) ist eine Beschränkung der kassenpflichtigen Pflegeleistungen jedenfalls kein Tabu mehr.

BAG: Antwort in zwei, drei Monaten

Der neue Chef des BAG-Dossiers Krankenversicherung, Hans Heinrich Brunner, begrüsst es, dass Zürich die politische Diskussion über diese Frage vorantreibt. Für Brunner, ehemaliger Präsident der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH), ist diese Entwicklung "unumgänglich, wenn wir nicht immer mehr Geld für die Gesundheit ausgeben wollen". Die Kranken hätten aber nichts zu befürchten, beruhigt Brunner. Denn Rationieren bedeute nicht zwangsläufig, dass die Pflegequalität leiden müsse.

In zwei, drei Monaten wird das BAG auf die Gewerkschaftsklage gegen die Zürcher Massnahmen Antwort geben. Sie sollte den Willen der Eidgenossenschaft in diesem Bereich deutlich machen. "Wir nehmen die Klage ernst; die Vorwürfe sind substanziell", sagt Brunner.

Wenig Spielraum für Kantone

Der Präsident der Schweizer Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK), Markus Dürr, ruft das eidgenössische Parlament zum Handeln auf. In seinem Kanton, Luzern, müsse er ähnliche Massnahmen treffen wie seine Amtskollegin in Zürich.

"Die Kantone haben wenig Spielraum um die Kosten zu senken", sagt Dürr. Gleichzeitig machen die Kantonsparlamente angesichts der Finanzprobleme empfindliche Abstriche an den Gesundheitsbudgets.

Eine Kürzung des KVG-Leistungskatalogs "wäre effizienter" - sie könnte aber nur auf eidgenössischer Ebene erfolgen. Dürr schlägt vor, die kassenpflichtigen Behandlungen für jede Krankheit aufzulisten. Heute werde explizit aufgezählt, welche nicht übernommen würden.

Legale Zweiklassenmedizin?

Die Frage nach der Legalität einer Zweiklassenmedizin bleibt offen. Im Gegensatz zum Zürcher Gesundheitspersonal ist Gesundheitsdirektorin Verena Diener überzeugt, dass im KVG eine unterschiedliche Behandlung von Grund- und Zusatzversicherten angelegt ist.

Nach Brunner will das KVG, dass "alle Patienten die gleiche Behandlung zum gleichen Preis erhalten". Die Zusatzversicherungen sind jedoch nicht im KVG geregelt sondern im Privatversicherungs- Gesetz.

Der Freiburger KVG-Spezialist Dominique Sprumont stellt sich hinter Diener: In Artikel 32 halte das KVG fest, die von der Versicherung gedeckte Pflege müsse "effizient, angemessen und wirtschaftlich" sein. "Das Gesetz sagt also ausdrücklich, dass gewisse Leistungen, auch wenn sie wirkungsvoll sind, nicht übernommen werden können, weil sie zu teuer sind."

(Jean-Marc Heuberger/sda)

 
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