Kritikerliebling Puhlmann neuer Intendant in Stuttgart

Die Oper: gefeiert als eine der besten der vergangenen Jahre. Und Puhlmann: von den europäischen Kritikern auf das Schild gehoben wegen seiner zeitgenössischen und mutigen, nicht immer populären Inszenierungen. Als Nachfolger des scheidenden Intendanten Klaus Zehelein soll Puhlmann nun ab Herbst 2006 auch dem Stuttgarter Opernalltag seinen Stempel aufdrücken.

Hannoveraner nicht begeistert

Er wird dabei kleinere Hürden zu überwinden haben als bei seinem Start in Hannover vor zwei Jahren. Damals hatten er und seine Regisseure die Niedersachsen mit radikal interpretierten klassischen Stoffen zum Abschied drängen wollen von alten Sehgewohnheiten, von historischen Kostümen und opulenten Requisiten.

Mit seinen gewagten Inszenierungen konnte sich Puhlmann allerdings nicht durchsetzen: Mehrere tausend Opernfreunde kündigten ihre Abonnements, während sich die Kritiker in den Medien vor Freude in Jubelarien überschlugen. "Oper ist eine Kunstform, die nah am Tag zu sein hat", verteidigt sich Puhlmann diplomatisch.

Vorgänger hat vorgespurt

In Stuttgart hat es Zehelein in seiner langen Ära geschafft, das Publikum von Kühnheiten und neuen Sichtweisen zu begeistern. Trillerpfeifen-Konzerte wie in Hannover sind im Opernhaus am Eckensee undenkbar, die Auslastung liegt bei weit über 90 Prozent. "Es gibt hier Kontinuitäten und Sehgewohnheiten, die sich an anderen Orten noch nicht so durchgesetzt haben", zeigt sich Puhlmann überzeugt.

Nicht nur in Parkett und Rängen, auch in der Verwaltung des Staatstheaters scheint für Puhlmann alles vorbereitet: Die Oper, die in den 80er Jahren noch von hohen Ausgaben getrieben im Mittelmass dümpelte, wurde unter Zehelein vier Mal zur "Oper des Jahres" gekürt.

Konkurrenzlos gibt hier auch der beste deutsche Chor seit sechs Jahren den Ton an. Und die erst vor kurzem eröffnete Musikwerkstatt "Forum Neues Musiktheater" passt Puhlmann wie angegossen: Mit dem Chefdramaturgen Xavier Zuber hatte er in Hannover eine "Zeitoper"-Reihe gegründet, die auch moderne Opern einbezieht.

Marthaler und Wieler als Wunschregisseure

Puhlmann wird versuchen, die Stuttgarter Spielpläne mit seinem dramaturgisch durchdachten und zeitgenössischen Musiktheater zu prägen. "Man muss etwas fortsetzen und etwas Eigenes dagegensetzen", beschreibt er sein Konzept.

Der studierte Musikwissenschaftler will die kommenden drei Jahre bis zum Stabwechsel nutzen, um das in Stuttgart wenig beliebte französische Repertoire zu durchforsten, Ko-Produktionen anzuleiern und Regisseure anzuheuern, die schon in Basel und Hannover auf seinen Gehaltslisten standen.

Neben den in Stuttgart bereits bekannten Jossi Wieler und Sergio Morabito werden sicherlich auch Peter Konwitschny, Christoph Marthaler und der als "Skandal- und Schockregisseur" berüchtigte Spanier Calixto Bieito dabei sein.

(Martin Oversohl/dpa)