Qualität und gute Manieren

Freude herrscht im Alpenland. Nein, Roger Federer hat die Nummer Eins im Welttennis noch nicht erreicht. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt hat sich ebenfalls noch nicht gebessert. Und auch der Jahrhundertsommer ist für den Stimmungsumschwung nicht verantwortlich. Die gute Laune hat viel erhabenere Wurzeln: Die Swiss ist gerettet! British Airways (BA), beziehungsweise die zweitgrösste Flugallianz Oneworld, öffnet der darbenden Schweizer Fluglinie Tür und Tor zum Beitritt. Da wird es dem wahren Patrioten ganz warm ums Herz und die Brust kann wieder stolz anschwellen. Der Deal ist zwar noch nicht ganz unter Dach und Fach, doch dies ist nur noch eine Frage der Zeit. Als Mitglied von Oneworld liessen sich spielend Kreditoren für die fehlenden Millionen finden. Und mit diesem Geld kann man sich von den Schreckenszenarien, die in den vergangen Monaten herumgereicht wurden, endgültig verabschieden. Die schlimmste Befürchtung war wohl die drohende Übernahme durch die Lufthansa. Es lässt sich kaum ausrechnen, was eine solche Übernahme für das Schweizer Selbstverständnis bedeutet hätte. Man mag ja gerne deutsche Autos fahren und im deutschen Fernsehen Talkshows und Bundesligaspiele gucken, doch da hört die Zutraulichkeit zum nördlichen Nachbarn auf. Deutschland wird gegenüber der Schweiz nach wie vor als arrogant wahrgenommen. Bei einer Lufthansa-Übernahme, hätten Herr und Frau Schweizer jegliche Identifikation mit "ihrer" Fluglinie verloren. Da wäre im Volksmund aus "Swiss Airlines" sehr schnell "d'Schwobe Flüger" geworden. Selbst das derzeitige Swiss Management konnte sich diesen Imagezerfall ausrechnen. CEO Dosé weiss aber auch, dass es ohne starken Partner für die Swiss nicht mehr lange weitergeht. Doch wie kann man die Schweiz von diesem Umstand überzeugen, ohne dass sie ihre Identifikation mit der Fluglinie verliert? Diese Frage muss Dosé und Konsorte schweres Kopfzerbrechen bereitet haben in den letzten Monaten. Mit BA und Oneworld sind nun aber Partner gefunden, die von der Schweiz akzeptiert werden. Die grosse Freude über den Beitritt wird unterlegt mit dem Argument: "Hier geht es nicht um eine Übernahme, wie im Fall der Lufthansa, sondern um eine Partnerschaft". Der Wirtschaftsstandort Schweiz, beziehungsweise Zürich, werde so nicht bedroht. Wenn aber eines der Partner wie British Airways darüber entscheiden kann, welche Airline beitritt und welche nicht, dann kann man sich ausrechnen, wie viel Mitspracherecht kleinere Allianzpartner bei strategischen Entscheiden haben. Ökonomisch sind die Gründe für die Akzeptanz der BA-Allianz nicht. Diese liegen vielmehr in einem patriotischen Reflex. Dem Engländer wird per se in der Schweiz nun mal mehr Respekt entgegengebracht als dem Deutschen. In England denkt man: In der Schweiz fährt man Ski und alle sind reich. In der Schweiz denkt man: England hat eine Royal Family und alle haben gute Manieren (mit Ausnahme der Fussballfans vielleicht, aber die haben sich in letzter Zeit doch auch gebessert). Swiss und BA ergänzen sich perfekt. Wie die ehemalige SwissAir setzt auch BA auf Qualität. Nun kann man sich gemeinsam gegen den Einheitsbrei der vielen Billigfliegern wehren. Besonders viel mitreden wird die Swiss bei der zukünftigen Marketing-Strategie von Oneworld sicherlich nicht. Doch das ist auch nicht die Frage. Es geht um das Image der Swiss und die wird bei einer "Kooperation" mit BA wieder ins richtige Licht gerückt. Da soll einmal einer kommen und behaupten, der freie Markt habe seine eigenen Gesetze. Wäre dies der Fall, dann hätte die Schweiz seit über einem Jahr keine eigene Fluglinie mehr.

(Barnaby Skinner/news.ch)